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Segretissimo

Gestern wurde in Bozen der zweite Band zur Geheimdienstgeschichte in Südtirol vorgestellt. Erinnert wurde an Informanten und Spione. Und an Gottfried Solderer.
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Foto: edition raetia

„Es wäre nicht im Sinne von  Gottfried gewesen, eine Buchvorstellung abzusagen“, betonte der Edition Raetia-Verlagsleiter Thomas Kager bei der gestrigen Präsentation des zweiten Geheimdienst-Bandes von Journalist und Historiker Christoph Franceschini. Gemeinsam haben Autor und Verlag entschieden, die Vorstellung des Buches – trotz der traurigen Nachricht vom überraschenden Tod des Verlagsgründers Gottfried Solderer – wie geplant durchzuführen. Nach einführenden Worten zu Solderers Leben und dessen wichtigen Pionierarbeiten im Medienbereich, spannte Kager einen Bogen zum Gespann Franceschini/Solderer: „Sie kannten sich aus den 1980er Jahren, als Gottfried Solderer noch die von ihm selbst gegründete Wochenzeitschrift ff führte.“ Außerdem standen beide vor wenigen Jahren wegen der Publikation zum SEL-Skandal und jener zu den Sparkasse-Machenschaften vor Gericht. „Wer weiß, ob nicht auch bei diesem Buch die eine oder andere Klage ins Haus flattert, das kann bei einem Autor wie Christoph Franceschini durchaus sein“ ergänzte Thomas Kager mit ironischem Unterton und leitete zum eigentlichen Anlass über.


Zum Buch: Segretissimo Streng geheim! Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte steht am Cover des Bandes 2. Wie Band 1 zeigt er wie Geheimdienste arbeiten und wie diese bislang kaum bekannte Arbeit hinter den Kulissen funktioniert. Rudi Gamper – seit Jahrzehnten ein guter Freund des Autors und Filmemachers – listete zu Beginn seines Gesprächs mit Franceschini einige Fakten zur Neuerscheinung auf: „395 Seiten, 145 Fotos, 370 Namen im Personenregister, ein Glossar mit einer Liste der Abkürzungen.“ Und er kam bald zur ersten Frage, zum ersten Kapitel.

Hinter der offiziellen Geschichte, gibt es noch eine andere Geschichte...
[Christoph Franceschini]

Christoph Franceschini sprach zunächst zur Thematik Intelligence Studies, wie jener Teilbereich der Zeitgeschichte genannt wird, der sich mit der Geschichte von Geheimdiensten auseinandersetzt und der „in Italien und weiten Teilen Europas noch in den Kinderschuhen steckt.“ Die Menschen die sich damit beschäftigen „werden verlacht oder als Verschwörungstheoretiker abgetan“, meinte Franceschini, dabei bringt die Öffnung vieler Archive interessante Fakten ans Tageslicht, Forscher*innen kommen zu neuen Erkenntnissen, vor allem über jene zwielichtigen Personen, die „für die einen als Helden dastehen, für die anderen Verräter sind.“
Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich die Aufarbeitung der Disziplin Intelligence Studies. Und auch der neue Band.

Im Lauf des Gesprächs folgten einige Details zu General Reinhard Gehlen, über einen Mordkomplott auf Landeshauptmann Silvius Magnago oder zum Kürzel Stasi, welches nach längeren Recherchen der „großen Dame der Südtirolpolitik“ Viktoria Stadlmayer zugeschrieben werden konnte. Stadlmayer war bereits als 21-Jährige NSDAP-Mitglied geworden und pflegte im Nachkriegseuropa überraschend gute Kontakte zum Bundesnachrichtendienst (BND), der in diesen Jahren noch sehr stark von Seilschaften aus der NS-Zeit unterwandert war. Dazu finden sich zahlreiche Belege in den gut 2500 Blatt Papier, welche der Bundesnachrichtendienst zum beantragten Zeitraum (1955-1969) dem Autor zur Verfügung stellte.


„Es ist eine Konstante bei Nachrichtendiensten, dass Menschen die bereits für verbrecherische und autoritären Regime gearbeitet haben, in den Nachkriegsdemokratien übernommen wurden“, erläuterte Franceschini und erinnerte in diesem Zusammenhang an eine Randnotiz aus einem Akt des Jahres 1961 aus der BND-Stelle Wien über Bruno Kreisky: „Kreisky, kleiner Jude, steht da. Da sieht man ganz klar noch die Geisteshaltung dieser Geheimdienstmitarbeiter von damals. Erst Jahre später gab es beim Bundesnachrichtendienst eine politische Säuberung und viele belastete Mitarbeiter wurden in den Ruhestand geschickt.“ Geredet wurde des weiteren über den Tiroler Nazi Hartmann Lauterbacher, den (Burschenschafter)-Kinderkreuzzug  Norbert Burgers und über den leiblichen Bruder Reinhard Gehlens, der im Zusammenspiel der italienischen und deutschen Geheimdienstabteilungen eine Rolle spielte.
Nach dem Gespräch folgten auf die noch zahlreichen Fragen aus dem Publikum: schlagfertige Antworten. Die vorgestellten wenigen Details aus dem Buch versprechen jedenfalls mehr Spannung, als alle bisher erschienenen Südtirol-Krimis zusammen.