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Politik | Rechtsextremismus

Die Heuchelei der Tirolpatrioten

Heimatliebe ist nicht Nationalismus, sagen sie. Patriotismus kein Chauvinismus, sagen sie. Wenn patriotische Politiker sich selbst anlügen, und wir uns auch.Eine philosophisch-politisch-historische Gratwanderung zwischen naiver Heimatliebe und Nationalismus.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Tirol-Patrioten Aufkleber Süd-Tiroler Freiheit
Foto: www.suedtiroler-freiheit.com
  • Zeitsprünge: Patriotismus - Nationalismus - Chauvinismus - und Südtirol.

    Vorausgeschickt:

    Da auch dieser Text wahrscheinlich das Blut einiger Seelen in zornige Wallung führen wird, will ich noch eines vorausschicken, damit mich auch niemand missversteht: Es liegt mir fern zu verallgemeinern, und alle Leute in den gleichen Topf zu schmeißen. Nein, es gibt unter den Patrioten wirklich Leute, die Patrioten per definitionem sind. Das heißt, sie lieben unsere Heimat, sie hassen aber keine fremden oder fremdsprachigen Menschen. Solche echte Patrioten gibt es zuhauf und sie sind überall anzutreffen - egal ob in den Parteien, bei den Schützen oder sonstwo. In diesem Artikel geht es aber nicht um diese Menschen. Nein, in diesem Text geht es um einzelne dort infiltrierte Personen die sich als Patrioten ausgeben aber in Wirklichkeit maskierte Neonazis sind. Diese werden oft "übersehen". Es geht aber auch darum, wie sehr National(sozialistisches) Gedankengut immer noch in unserer Mitte fröhliche Urständ feiert.  

    Zeitsprung.

    Philosophieunterricht, 4. Klasse Oberschule, Ende der 90er-Jahre. Thema: Nationalismus. Unser allseits geliebter Geschichte- und Philosophieprofessor diktiert die Definition von einigen Ismen, die das 20. Jahrhundert sehr geprägt haben und definiert sie so, dass es wirklich ein jeder Depp versteht:

    Patriotismus: Heimatliebe. Ich liebe meine Heimat bzw. Nation, fühle mich ihr zugehörig, respektiere aber die Heimat von anderen Menschen und bin deshalb auch nichts Besseres.

    Nationalismus: Ich liebe meine Nation über alles, verachte aber alle anderen Nationen, weil meine Nation über alle anderen steht. 

    Chauvinismus: Ich bin als Teil des meines Volkes besser als alle Menschen aller anderer Völker, die ich hasse,  weil sie nur Abschaum sind.  

    Oder wenn man den deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau zitiert: 

    "Ein Patriot ist jemand der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand der die Vaterländer der anderen verachtet" 

    Zur gleichen Zeit wurde immer noch gegen die Italiener im Lande gehetzt, und da machte man schon lange keinen Unterschied mehr, ob der Italiener ein Italiener auch war oder ein Landsmann aus dem Welschtirol - alles "Walsche Fockn", und egal ob man Südtiroler deutscher Muttersprache ist mit Welschtiroler Nachnamen - dann bist Du halt ein Mischling ein "Holbwalscher", "weder Fleisch no Fisch", "mezzpersort" auf trientnerisch,  - in vorderster Front bei diesen geifernden Hassern damals mit dabei die Wähler der Union für Südtirol,  der Freiheitlichen,und, ja auch, der SVP.  

    Ist das Patriotismus? Nein, Nationalismus. 

    Zeitsprung. 

    04.04.2010 "Tirolpatrioten sind keine Naziidioten. Die Süd-Tiroler Freiheit hat am Donnerstag eine Informationskampagne gegen Rechtsradikalismus in Bozen präsentiert." titelt stol.it. Man wolle die Jugend aufklären und davor bewahren, Nazis zu werden. Nationalsozialismus und Tirol sind nicht vereinbar oder mit den Worten des damaligen Sven Knoll: "Wenn diese beiden Herren (Hitler und Mussolini) den Krieg gewonnen hätten, dann würde es Südtirol nicht mehr geben. Dann wären wir heute auf der Krim, oder sonstwo." Daher wurde ein Pickerl herausgegeben, um darauf hinzuweisen, dass ein Tirolpatriot gefälligst kein Naziidiot sein solle, um die Agenda der Selbstbestimmung nicht ins falsche Licht zu rücken.

    Klingt nach Patriotismus.

    Zeitsprung.

    Landtagswahlen 2023: Die Süd-Tiroler Freiheit hetzt gegen Migranten, gegen Ausländer wie nie zuvor, überholt dabei alle anderen Parteien rechts. Auf Plakaten sieht man einen Afrikaner mit einem Messer in der Hand, im Hintergrund kauert eine vergewaltigte (?) Frau, weinend. Stereotypen, Assoziationen werden geweckt: der böse Messermann aus Afrika, der unsere Frauen vergewaltigt, ausraubt, tötet und dann womöglich auch noch "Allahu akbar" schreit. So würde es die AfD sagen, aber auch die FPÖ, die Identitäre Bewegung oder auch die NPD. Ein Plakat, welches in der Brutalität seiner bildlichen Aussage vieler chauvinistischer Plakate der Vergangenheit in nichts nachsteht. Der Text "Kriminelle Ausländer abschieben" fällt in den Hintergrund, die Message "Südtirol den Südtirolern, Ausländer raus" wird impliziert. 

    Das nenn ich Chauvinusmus.

    Unterdessen hetzt auch der Ex-Schützenlandeskommandant Jürgen Wirth Anderlan mit seiner Liste auf offen rechtsextremer Art gegen Ausländer und die postulierte Überfremdung Südtirols. Er schreibt unter anderem ins Wahlprogramm: "Ein Blatt Papier macht aus einem Kenianer keinen Südtiroler und aus einem Italiener keinen Deutschen." Das heißt für mich, dass laut Anderlan kein in Südtirol lebender Mensch italienischer Zunge jemals ein Südtiroler werden kann. Auch nicht ein Welschtiroler. Nix mit Tirolesi italiani. So klingt's für mich. Nach Bewahrung der Volksgemeinschaft. Nur, wer reinen deutschen Blutes ist....

    Das erinnert mich an etwas: 

    Zeitsprung: 

    1920

    Im nationalsozialistischen Parteiprogramm von 1920 hieß es:

     "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein." 

    Damit war das nationalsozialistische Ideal einer "völkischen", das heißt auf rassischer Definition beruhenden Gesellschaft – der "Volksgemeinschaft" – propagiert. Aus der Volksgemeinschaft waren damit von vornherein "fremdvölkische" Menschen ausgeschlossen, nach Willkür wurden auch "Asoziale", Behinderte, Homosexuelle, politisch Unerwünschte und andere zu Gegnern der nationalsozialistischen Weltanschauung Erklärte aus der "Volksgemeinschaft" verstoßen und verfolgt. Mit Parolen wie "Du bist nichts, Dein Volk ist alles!" oder "Gemeinnutz geht vor Eigennutz!" wurde die Idee einer Staats- und Gesellschaftsordnung beschworen, die den germanischen Ständestaat wieder beleben sollte, in dem es angeblich keine Klassen und sozialen Schranken gab, "im Blute fundiert, durch ein 1000-jähriges Leben zusammengefügt, durch das Schicksal auf Gedeih und Verderb verbunden". Das waren inhaltsleere Phrasen, denn auch in der NS-Gesellschaft gab es erhebliche soziale Unterschiede. Durch die "Blut- und Boden"-Ideologie, die Verklärung bäuerlichen Lebens und die Darstellung deutschtümelnder Folklore bei Festen, Aufmärschen, Kundgebungen mit dem Ziel, die Menschen zu einem willenlosen und gefügigen Block zusammenzuschweißen, wurde die "Volksgemeinschaft" inszeniert. Dabei stand die Ideologie der "Volksgemeinschaft" zu allen Anforderungen der modernen Industriegesellschaft in krassem Gegensatz.

    Genug der Zeitsprünge. Vorerst.. 

    Was ist geschehen?  Das fragen sich viele. Die Antwort, die dann gleich kommt ist immer wieder die Selbe, in ganz Europa: die Massenmigration aus Afrika. Ist es wirklich nur das? Abschieben und "a ruah isch"? Ich glaube nicht. Nehmen wir an, sie würden alle verschwunden sein, wer kommt als nächstes dran, bis ganz Südtirol frei von fremdem Blute ist?   

     

    Ich denke wieder an meinen Geschichte- und Philosophieprofessor, dem Besten aus Prettau, und was er damals sagte: Die Leute vermischen die Definitionen. Weil das eine leicht ins andere übergehen kann, oft schneller als man glaubt. Und er hatte recht. Leider hatten entweder sehr viele Menschen nicht meinen Philosophieprofessor, denn diese Begriffsbestimmungen scheinen von vielen Politikern und politisch denkenden entweder nie gehört worden zu sein, oder bei ihnen viel Verwirrung gestiftet zu haben, oder sie vermischten die Begriffe im Laufe der Jahre zu einem heuchlerischem Etwas. Oder man versteht's einfach nicht, Legasthenie lässt grüßen. 

    Oder ist es doch anders als man denkt, und die Problematik, dass in Südtirol der naiv-lieblich-friedlich geglaubte Patriotismus mit Dirndl, Lederhose und Volksmusik auf sattgrünen Almen in den Dolomiten, doch nicht so definitionsgemäß vonstatten geht und der, bei manchen Menschen, daraus entstehende implementierte Nationalismus viel weiter in die Vergangenheit zurückreicht? Ist es nicht oft auch so, dass dieses klischeehafte Bild schon seit Jahrzehnten, genauer gesagt seit den späten 1930er-Jahren, für die eigene völkisch-nationalistische Blut-und Boden-Mentalität missbraucht wurde und wird?  Befindet sich der Tirolpatriotismus der Schützen und des gesamten Blocks der Deutschtiroler patriotischen Parteien nicht ständig auf einer Gratwanderung zwischen diesem naiv-kindlichem Patriotismus und dem völkischem Blut-und-Boden-Nationalismus? Ich habe im Laufe der Jahre beruflich und privat sehr viele Bekanntschaften mit Politikern jeglicher Couleur gemacht und auch sehr viele - laut Eigendefinition - patriotisch gesinnten Südtiroler kennengelernt.  Die Meisten sind wahre Patrioten laut Definition. Andere sich als Patrioten bezeichnende Nazis - aus Überzeugung.

     

     Aber wie kam es dazu? Wie ist es möglich, dass in Südtirol heute Fremdenhass und Nationalismus wieder Urständ feiern kann? 1984 schrieb der Historiker Leopold Steuerer in einem Referat namens "Die historisch-politische Bewusstseinsschaffung in Südtirol" in der Zeitschrift Monats-Tandem, genau über diese Problematik; hier nachzulesen: Digitalisierter Bestand der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann (tessmann.it)  Dort stehen folgende interessante Passagen, die heute, 40 Jahre später noch immer gelten, wobei ich dem geneigtem Leser/der geneigten Leserin anrate, das gesamte Referat zu lesen, da es sehr aufschlussreich ist: 

    "[...] Eines der zentralen Motive des Tiroler Selbstverständnisses seit der Gegenreformation, seit dem Zeitpunkt also, als die Ideologie des "heiligen Landes Tirol" geschaffen wurde, war und ist bis heute eine Art Fremdenhass,  eine Intoleranz gegen alles "andere", sei es von außen oder innen kommend, eine Ablehnung aller jener Ideen und Strömungen, die eine sich als "rein", einheitlich, geordnet verstehende Tiroler Gesellschaft als bedrohlich empfand. [...] "Was in den Tirolern in den Jahren 1806 bis 1810 gearbeitet hat, das war eben nicht allein die Ablehnung ganz bestimmter Verwaltungs- und Reformmaßnahmen, es war auch tief eingewurzelte Furcht vor allem Fremden, es waren Fremdenangst und Fremdenhass - Grundzüge des menschlichen Verhaltens also, die umso schärfer hervortreten, je fester die Traditionen und die Lebensordnungen gefügt sind, in denen eine Lebensgemeinschaft zusammenlebt". [...] Ein aufgeklärter Publizist, Carl Techet, hat 1910 diese Mentalität des Tiroler Volkes an dem - wie erschreibt - "die Zeit Spurlos vorübergeht", in einer unter dem Pseudonym Sepp Schluiferer herausgegebenen satirischen Broschüre aufs Korn genommen. Diese Broschüre trug den bezeichnenden Namen "Fern von Europa"  (SAGEN.at - Sepp Schluiferer (Carl Techet), Fern von Europa, Tirol ohne Maske) [...]
    Lediglich auf  eine Variante dieser Tiroler Intoleranz gegen alles "Andere" ein Kurzer Hinweis auf den Antisemitismus, der in Tirol sowohl in seiner nationalliberalen wie christlichsozialen Form im Laufe der Zeit massiv präsent war (und ist). Ein einziges Mal, soweit mir bekannt ist, haben sich die Südtiroler auch öffentlich zu "ihren" Juden bekannt, nämlich 1945 als in Südtirol zwischen deutscher und italienischer Seite unter Hinweis auf die beiderseitigen Opfer des nazifaschistischen Regimes ein Wettlauf um die Gunst des Siegermächte stattfand. In jenem Verzeichnis der Südtiroler Opfer des NS-Regimes, das der "Volksbote" im November 1945 publizierte, befindet sich nämlich auch der Name der Baronin Walli Hoffmann aus Meran. Sie war bekanntlich die einzige Überlebende der unter fachkundiger Mitarbeit der Südtiroler Nazis im September 1943 deportierten Angehörigen der israelitischen Kultusgemeinde Merans! 
    Abgesehen davon, dass damit die Mitschuld jener Südtiroler, die sich aus dem Gefühl der Zugehörigkeit zur "Herrenrasse" heraus in jenen Jahren an derartigen Verbrechen beteiligten, stillschweigend unter den Tisch gewischt wurde, war damit die "Judenfreundlichkeit" des offiziellen Südtirol aber auch schon wieder zu Ende. Als es vor einigen Jahren im Meraner Gemeinderat um die Benennung einer Straße nach Anne Frank ging, gab es von Seiten einiger (einschlägig belasteter?) SVP-Gemeinderäte zuerst heftigen Widerstand, die "Dolomiten" sprach von "jüdischer Schriftstellerin" und als im September 1983 in Erinnerung an 40 Jahre Deportation der Meraner Juden eine Gedenkfeier stattfand, war kein einziger deutschsprachiger Südtiroler als offizieller Vertreter der Gemeinde oder des Landes anwesend. [...]"

    Heute, 40 Jahre nach diesem Referat gibt es zwar ein Anne Frank Straße in Meran, es gibt auch Stolpersteine und das offizielle Südtirol in personam des Landeshauptmannes lässt sich bei den Gedenkveranstaltungen blicken. Auch einige Politiker der deutschsprachigen Opposition und löblicherweise Herr Lang vom Südtiroler Heimatbund sind auch zugegen. Es ist ein kleiner Lichtblick, dass sich etwas bewegt.  Aber bis in die 90er-Jahre hinauf gedachten nur die Italiener den Opfern des Nationalsozialismus in unserem Lande, die Deutschen nur den Opfern des Italienischen Faschismus, was ein Beispiel dafür war, was die Südtiroler Italiener meinten, als sie über Apartheid in Südtirol sprachen. 

      Wenn es darum geht, die Verbrechen des italienischen Faschismus anzuprangern und die Opferkarte auszuspielen, dann sind all die Vertreter des Deutschtirole  patriotische  Lagers die Antifaschisten der Ersten Stunde - und da nehme ich die SVP auch nicht aus! Und der Nationalsozialismus in Südtirol zwischen 1943 und 1945? Man suche in deren Archiven die alten Pressemitteilungen zum Thema, es genügt, nur die Suchbegriffe "Holocaust", "Schoah", "Juden", "Durchgangslager", "Nationalsozialismus" einzugeben. Ich habe diese Suchbegriffe auf den Seiten des SHB, des SSB, der STF und der Freiheitlichen eingegeben. Bei letzteren kam rein gar nichts raus. Bei den anderen nicht sehr viel. Außer bei der Süd-Tiroler Freiheit, deren Mitteilungen meistens nichts anderes als jene des Heimatbundes sind. Zumeist wurde von dieser Seite letztendlich nur kritisiert, dass Herr Bürgermeister Caramaschi bei einer Gedenkveranstaltung einmal nicht deutsch sprach oder Herr Bürgermeister Rösch die italienische Bürgermeisterschleife trug, und dass die italienischen faschistischen Relikte endlich verschwinden sollen (was ich persönlich auch für richtig befinden würde).   Aber wenn es darum geht, die Verbrechen, die Mittäter-oder Mitwisserschaft  der eigenen Vorfahren während des zweiten Weltkrieges, speziell in der Zeit zwischen 1943 und 1945 aufzuarbeiten, herrscht Schweigen im Walde. Bei allen. 

  • Foto: Benedikt Kofler - barfuss.it
  • Nationalsozialismus 1943-1945: Verdrängen, Vergessen, unter den Tisch kehren, Rehabilitieren, Weitermachen. Verschweigen.

    Machen wir einen Ausflug nach Kärnten. Ins Bärental. 

    Als Jörg Haider im Jahre 2008 in Kärnten starb, war sein Erbe in aller Munde - das Bärental. Dieses Bärental befand sich vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Besitz eines italienisch-jüdischen Kaufmannes namens Roiffer. Im Zuge der Arisierung jüdischen Besitzes trat ein gewisser Josef Webhofer, Kaufmann in Bruneck auf, der diesen riesigen, wertvollen Besitz den jüdischen Besitzern weit unter Wert abkaufte, siehe Jörg Haiders braune Erblast - taz.de Dort steht: " Webhofer hatte sich bei den Nazis durch seinen Eifer bei der Herstellung ethnisch sauberer Gebiete in Südtirol und Slowenien hervorgetan".  Sein Sohn Willi erbte alsdann dieses Gebiet und dieser verschenkte es als Großonkel dem Jörg Haider. Die Zeitschrift profil schrieb 2018 im Artikel Im Namen des Vaters: Der Haider-Clan (profil.at) bezeichnendes:

    "Eine durch und durch politische Familie

    Die Haiders sind nun schon in der dritten Generation eine durch und durch politische Familie. Die Großeltern Haider waren zuerst im deutschnationalen, dann im nationalsozialistischen Lager, Vater Jörg machte schließlich den Rechtspopulismus in Österreich "salonfähig“, wie er einst stolz vermerkte. Claudia Haiders Vorfahren schlagen aus der Art. Sie haben nach Auskunft von Ulrike Haider einen katholischen Widerstandskämpfer gegen Adolf Hitler in ihren Reihen.

    Jörg Haider hatte schon als Kind gelernt, dass die Überzeugung seiner Eltern, glühende Nationalsozialisten, nicht schlecht gewesen ist und nur die Sache mit den Juden etwas aus dem Ruder lief. Die Eltern hätten nur ihre "Pflicht“ getan und von den Gräueln des Nationalsozialismus "nichts gewusst“. "Alle haben das mit dem akzeptiert“ (mit den Juden wollte sie offenbar sagen), diktierte Dorothea Haider in den 1990er-Jahren auf ein Tonband, dessen Abschrift profil vorliegt. Aus der Distanz eines langen Lebens habe sich das geändert, sie könne "die Dinge jetzt so sehen, wie sie wirklich waren“, sagt Ulrike Haider.

    Dorothea Haider ist 95 und lebt im Bad Goiserner Altersheim direkt am Hauptplatz, nicht weit von ihrem Haus. Sie sammelt eifrig Unterstützungserklärungen für ihre Enkelin.

    Ihre Ehe war für die damalige Zeit bemerkenswert: die Verbindung zwischen Dorothea Rupp, der Tochter aus einer großbürgerlichen-nationalen Südtiroler Kaufmannsdynastie, und Robert Haider, einem armen Schusterbuben, der als uneheliches Kind bei den Großeltern aufwuchs. Die reiche Verwandtschaft sah die Heirat anfangs als Mesalliance.

    Zusammengehalten wurde die Ehe nicht zuletzt durch die gemeinsame Verstrickung in den Nationalsozialismus und die bitteren Nachkriegsjahre. Robert Haider war 17, als er sich der illegalen SA angeschlossen und in Oberösterreich am NS-Putschversuch vom Juli 1934 beteiligt hatte. Nach 1945 musste sich Robert Haider vor einer Entnazifizierungs-Kommission rechtfertigen. Beide Eheleute wurden zu Sühnemaßnahmen verurteilt. In den ersten Nachkriegsjahren lebten sie von der Arbeit Robert Haiders in einer Schuhfabrik, doch bald verdiente der als Parteisekretär der FPÖ sein Geld. Der aufstrebende Jungpolitiker Jörg Haider bekam 1986 von seinem reichen deutschnationalen Großonkel Wilhelm Webhofer - ein Verwandter mütterlicherseits - das Kärntner Bärental geschenkt, einen ehemals jüdischen Besitz, der durch den Kauf des Südtirolers "entjudet“ worden war. Die jüdischen Holzhändler Roifer, die glücklich nach Palästina entkamen, waren italienische Staatsbürger. Die einzige Bedingung der NS-Verwaltung, die an die billige Übernahme geknüpft war, lautete, "das Deutschtum“ in diesem gemischtsprachigen Teil Kärntens hochzuhalten.

    Anfang der 1950er-Jahre versuchten die Roifers eine Entschädigung zu bekommen. Die enteigneten Holzhändler hatten bis dahin keinen Groschen gesehen, weil das Geld auf einem Sperrkonto gelandet und wertlos geworden war. Unter dem Druck der Umstände begnügten sich die in Israel lebende Mathilde Roifer und ihre Kinder 1954 mit einer Abschlagszahlung. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Jahr 2000 hatte keinen Erfolg.

    Auch bei Ulrike Haider gibt es bei diesem Thema einen blinden Fleck. Das war "keine Arisierung“ sagt sie, und 1954 sei alles "gelöst“ worden.

    Noch am selben Tag als Jörg Haider im April 1986 den Schenkungsvertrag für das Bärental unterschrieben in der Hand hielt, kündigte er gegenüber der Austria Presseagentur an, dass er am Innsbrucker Parteitag gegen den amtierenden FPÖ-Obmann Norbert Steger antreten werde. Ein paar Monate später hatte er mithilfe rechtsnationaler Burschenschafter und anderer "Kellernazis“, wie Steger dieses Milieu in der FPÖ nannte, den liberalen Vizekanzler weggeputscht."

    Auch Südtiroler arisierten Juden also. Südtiroler waren Mittäter.  Ich kannte Willi Webhofer flüchtig.Er bereute nichts, so sagte man es mir. Wie andere alte Brunecker Nazis aus jener Zeit auch keine Reue zeigten.  

    Bleiben wir in Bruneck. Zwischen 1943 und 1945 war der amtierende NSDAP-Bürgermeister der Zahnarzt Ernst Lüfter. Dieser war ein fanatischer Nationalsozialist, wie man aus seinen Briefen, die im Stadtarchiv Bruneck zu finden sind, herauslesen kann. Seine rechte Hand war SOD-Mann Hans Ghedina, auch ein glühender Nationalsozialist, seines Zeichens Feuerwehrkommandant und in den 1950er Jahren Bürgermeister der Stadt Bruneck und Vize-Landesfeuerwehrverbandskommandant.

    SOD

     Der Südtiroler Ordnungsdienst (SOD) war eine polizeiähnliche Hilfstruppe, die sich 1943 aus der Arbeitsgemeinschaft der Optanten formierte. Nur drei Tage nach Einmarsch der Deutschen wurde der SOD durch General Erwin Rommel offiziell als „Selbstschutz“ anerkannt. Seine Mitglieder wurden mit italienischen Beutewaffen ausgerüstet. Sie hatten Anteil an der Entwaffnung und Gefangennahme der verbleibenden italienischen Truppen. Einige Kommandos der SOD suchten nach versprengten italienischen Soldaten, wobei es auch zu Morden kam. Mitglieder des SOD waren – entsprechend einer Anweisung von SS-Brigadeführer Karl Brunner – auch an der Verhaftung der in Meran verbliebenen Juden beteiligt. Dasselbe galt für Bozen, wo unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch schon am 9. September 1943 von den SOD-Mitgliedern Josef Clementi und Paul Knapp Mitglieder der Familie Carpi denunziert und verhaftet wurden.

    Der SOD war anfangs eine aus Zivilisten bestehende Truppe von Freiwilligen. Ab November 1943 war es den Wehrpflichtigen möglich, statt zur Wehrmacht oder SS, beim SOD den Kriegsdienst zu leisten. Die Mitgliederzahlen stiegen von 6.000 (Ende September 1943) bis auf 17.000 im Mai 1944.

    Die AdO

    Nachdem im September 1943 die deutsche Wehrmacht Südtirol besetzt und am 10. September 1943 die Operationszone Alpenvorland errichtet hatte, wurde die AdO im Oktober in Deutsche Volksgruppe Südtirol umbenannt. Peter Hofer wurde zum „Volksgruppenführer“ befördert. Einige Mitglieder der AdO schlossen sich zum Südtiroler Ordnungsdienst zusammen und waren im September 1943 und in den folgenden Jahren unter anderem maßgeblich an der Deportation der Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Meran ins KZ (Durchgangslager Bozen) beteiligt; Der Brunecker Bürgermeister Lüfter wie auch der kommissarische Bürgermeister von Brixen, Hans Stanek, übermittelte dem Kreisleiter der AdO Wolfgang Seifert am 20. September 1943 „ein Verzeichnis jener Personen, welche aufgrund der italienischen Gesetze als der jüdischen Rasse angehörig zu betrachten sind“. AdO-Mitglieder versuchten auch flüchtige italienische Soldaten und Dissidenten zu verhaften und überfielen Dableiber, obwohl Kommissar Franz Hofer dies „offiziell“ verboten hatte. Nach dem Tod Peter Hofers durch eine Fliegerbombe im Dezember 1943 wurde Karl Tinzl, der ab 1941 als Beamter für die AdO im deutschen Umsiedlungsapparat arbeitete, als Präfekt der Provinz Bozen zu seinem Nachfolger in der Operationszone Alpenvorland ernannt und war damit einer der höchsten Beamten der Operationszone Alpenvorland und politisch nur dem obersten Kommissar, Reichsstatthalter und Gauleiter Franz Hofer, unterstellt.

    Karl Tinzl. Einer der Gründungsmitglieder der SVP. Das muss man sich erst auf der Zunge zergehen lassen: 

    Tinzl agierte bis 1945 im Sinne des NS-Regimes. Der Südtiroler Ordnungsdienst operierte weiterhin. Im Gegensatz zu anderen Präfekten wurde er wegen seiner Tätigkeit nie vor Gericht gestellt.

    Nach dem Kriege wurde er Gründungsmitglied der SVP und wurde 1953 ins römische Abgeordnetenhaus gewählt, 1958 in  den Senat, und ab 1954 war er Obmann der SVP. 

    Auch Hans Stanek konnte nach dem Kriege seine politische Karriere fortführen: von 1957 bis 1965 war er Landessekretär der SVP und saß von 1960 bis 1964 im Landtag. 

    Ernst Lüfter wurde in Bruneck Gründer der Kronplatz Seilbahn AG. Eine Gedenktafel bei der Talstation in Reischach erinnert an ihn als großem Seilbahnpionier. 

    Hat sich die Südtiroler Volkspartei jemals von diesen Nazis distanziert? Ich weiß es nicht. Ich glaube es auch nicht. 

    Dann gab es noch viele andere Nazis, welche nach dem Kriege in Ehren lebten und mit Ehrenbekundungen ausgezeichnet wurden - Der Nationalsozialismus blieb unter dem Teppich. Einer davon war Karl Nicolussi-Leck. 

    Nicolussi-Leck war am Aufbau der nationalsozialistischen Organisation Völkischer Kampfring Südtirols wesentlich beteiligt. Er wurde dort bald zu einem der führenden und aktivsten Köpfe und gab damals seinen Beruf als „politischer Führer und Organisationsleiter der NS-Bewegung in Südtirol“ an. Er erhielt auch eine entsprechende ideologische Ausbildung im Dritten Reich etwa an der NS-Ordensburg Krössinsee. 

    Im Januar 1940 meldete sich Nicolussi-Leck freiwillig im Deutschen Reich bei der Waffen-SS (Mitglieds-Nr. 423.876). Er wurde dem motorisierten SS-Infanterie-Regiment „Deutschland“ zugeteilt, mit dem er ab April 1941 am Balkanfeldzug teilnahm. Ab Juni 1941 wurde er an der Ostfront eingesetzt. Von November 1941 bis März 1942 besuchte er die SS-Junkerschule Bad Tölz. Danach kämpfte er als Untersturmführer in der 5. SS-Panzer-Division „Wiking“ in der Ukraine. Diese Division war an zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Juden beteiligt! 1944 wurde Nicolussi-Leck wurde zum SS-Hauptsturmführer befördert.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg verhalf Nicolussi-Leck ehemaligen Nationalsozialisten und SS-Angehörigen zur Flucht über die Rattenlinien nach Übersee. Wie viele seiner SS-Kameraden ging auch er dann mit einem Reisedokument des Roten Kreuzes unter falschen Angaben nach Argentinien. Politisch betätigte sich Nicolussi kaum mehr, engagierte sich hingegen bald in der Landwirtschaft, vor allem beim Bau von Bewässerungsanlagen. Dazu gründete er in Buenos Aires das Unternehmen „Aspersion, Nicolussi & Cia“, eine damals sehr erfolgreiche Firma, aus deren Verkaufserlös an Mannesmann er später seine Villa in Hochfrangart erwerben konnte. In Lecks Firma kamen auch flüchtige NS-Täter – wie etwa SS-Brigadeführer Hans Fischböck – unter. Ein enger Geschäftspartner von Leck war Horst Carlos Fuldner, einer der wichtigsten Fluchthelfer im Dienste des argentinischen Diktators Juan Perón. 

    In den 1950er Jahren kehrte Nikolussi-Leck wieder nach Südtirol zurück. Mit Hilfe von Mannesmann gründete er hier wieder erfolgreich Firmen für landwirtschaftliche Maschinen und Beregnungsanlagen. Bei Nicolussi-Leck liefen bald viele Verbindungen aus Spanien, Italien, Deutschland und Argentinien zusammen. Seine engsten Geschäftspartner waren meist alte Kameraden aus der NS-Bewegung oder der SS, beispielsweise der bekennende Altnazi Paul Maria Hafner, dem er eine Stelle bei Mannesmann in Spanien verschaffte. Diese Netzwerke aus Weltanschauung, Freundschaften und Geschäftsinteressen funktionierten noch bis in die 1980er Jahre hinein.

    Daneben widmete sich Leck auch seiner Leidenschaft der Kunst. Im Laufe vieler Jahre hat Nicolussi-Leck seine Villa in Frangart (Hochfrangart) und den zugehörigen Weinberg mit moderner Kunst ausgestaltet. Nicolussi-Leck gehörte zu den Gründern des „Südtiroler Bildungszentrums“, des Museums für moderne und zeitgenössische Kunst Museion und der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“ und war Verwaltungsrat der Kellerei Schreckbichl. Er starb in allen Ehren 2008, wovon die vielen Trauerbekundungen im Jahre 2008 zeugen.  Erst nach seinem Tode kam die seine NS-Zeit ans Licht der Öffentlichkeit.  

    Die Tageszeitung Alto Adige schrieb in einem Artikel  von 2018 über die Präsentation des Buches "Mörderische Heimat" von Joachim Innerhofer und Sabine Mayr, Edition Raetia:

    "Un’ altra tappa significativa della valorizzazione della Memoria della comunità ebraica sudtirolese si è svolta il 29 ottobre presso il Museo della Shoah a Roma, dove, è stato presentato il libro “Quando la Patria uccide” di Sabine Mayr e Joachim Innerhofer alla presenza del presidente della Fondazione Museo della Shoah Mario Venezia, del rabbino capo di Roma Riccardo Di Segni e di Furio Colombo. La serata è stata introdotta dal giornalista, scrittore e blogger Toni Jop che pur provenendo da Roma, vive ormai da tanti anni a Merano, e ha visto protagonisti, oltre agli autori del libro, i testimoni Cesare Finzi, Bruno Laufer, la figlia di Aziadè Gabay, Silvia Cevidali. Anche l’ attuale Landeshauptmann Arno Kompatscher e il sindaco Renzo Caramaschi avevano condiviso durante la presentazione del libro avvenuta presso il Centro Trevi “l’ operazione verità” contenuta nel libro. Toni Jop ha sottolineato come riguardo alla tragica storia della comunità ebraica di Merano ci si sia trovati in un passato anche recente di fronte ad un muro fatto di imbarazzi, omertà e rimozioni sui quali è giusto fare piena luce. Oltre 30 anni fa, ha ricordato Jop, aveva scritto una serie di articoli dedicata alla caccia di nazisti, partendo dal caso Waldheim. Era diventato amico di Simon Wiesenthal, aveva lavorato con lui a Vienna per mesi. In questo contesto aveva chiesto un’ intervista al Landeshaptmann Luis Durnwalder su quello che era accaduto in Sudtirolo durante l’ occupazione nazista e nel periodo seguito alla liberazione con particolare riferimento alla questione della persecuzione degli ebrei. Dopo mesi l’ufficio di stampa di Durnwalder nel 1995, pur essendo in corso le celebrazioni del 40° anniversario della Liberazione organizzate dalla stessa Provincia, rispose, che il Presidente preferiva non parlare di ciò che non aveva visto direttamente con i propri occhi. Eppure, ha sottolineato Jop, è necessario scavare perchè «In quel Sudtirolo bello, caldo, gioviale, morbido come una pantofola, luminoso come una stella, un personaggio come Mengele é riuscito per anni a nascondersi, vivendo, non sopravvivendo. Ci stava. Ci ha abitato. Io so in quale case sudtirolesi, case assurdamente molto per bene, Mengele ha passato delle ottime serate mangiando gulasch e bevendo birra, per anni. C’ è bisogno di complicità complessive e a tutti i livelli per nascondere un personaggio di quel peso specifico. Le radici di tali atteggiamenti sono ben descritte in questo libro». Jop ha anche ricordato il caso del Presidente del Museo d’ Arte Contemporanea di Bolzano, Karl Nicolussi-Leck, del suo passato nazista e della sua collaborazione con la rete di protezione internazionale che aveva garantito la fuga di molti gerarchi nazisti ancora negli anni ’50. Solo in occasione della sua morta avvenuta nel 2006 le sue responsabilità emersero con chiarezza. Cesare Finzi, già primario cardiologo nato a Ferrara nel 1930, ha poi,parlato dei suoi ricordi: il padre commerciante, la famiglia integrata, I parenti di Mantova emigrati prima a Innsbruck e nel 1933 a Bolzano, il giorno in cui gli ebrei fu vietato di frequentare la scuola pubblica a causa delle leggi razziali. Finzi ha ricordato come sia riuscito a sfuggire con alcuni parenti ai rastrellamenti dei nazisti grazie alla solidarietà di singoli cittadini, ma non dimentica il tragico destino toccato agli zii e ai cugini di Bolzano tra l’autunno del ’43 e la primavera del ’44, Alberto Carpi di diciassette anni, Germana Carpi, splendida sedicenne, e la sorellina Olimpia, anche lei deportata e uccisa ad Auschwitz, tra le prime e più giovani vittime della Shoah: «Non aveva nemmeno quattro anni questa grande nemica del Terzo Reich». Da anni Cesare Finzi è impegnato a incontrare studenti nelle scuole con la speranza che la sua testimonianza possa servire da antidoto contro i fanatismi. Nel gennaio 2019 ritornerà a Bolzano per incontri a diverse scuole superiori e medie. Bruno Laufer, figlio del commerciante Oskar Laufer, nato nel 1937 a Vienna, ha raccontato di come la famiglia nel 1938 fuggì da Vienna a Merano e nell’agosto del 1938 venne inclusa nel censimento degli ebrei soggiornanti in Italia. Nel luglio del 1939 la famiglia dovette abbandonare anche la Provincia di Bolzano e Bruno Laufer sopravisse nascosto da contadini italiani."

     

    Dr. Mengele, der in Auschwitz Juden zu Tode quälte, lebte Jahrelang in Südtirol versteckt, bis er nach Argentinien weiterflüchten konnte. MENGELE! Ja schämt ihr euch denn nicht? Was ist das für ein Land? Verbrecher, MASSENMÖRDER, Haupttäter der Shoah, konnten sich hier problemlos verstecken und vor dem Nürnberger Prozess flüchten und die Südtiroler halfen brav mit! Dass es in Bozen ein KZ-Durchgangslager gab, wurde auch lange verschwiegen. Nein, Südtirol musste diese SCHANDE ja unter den Tisch kehren und die Opferrolle einnehmen, da wir ja so sehr unter dem italienischem Faschismus gelitten haben, und weil der Kampf für den Erhalt der Autonomie wichtiger war.  Damit wurde wohl alles vom Tische geworfen und unter den Teppich gewischt, was uns irgendwie anpatzen hätte können. Der Teppich wurde auch noch schön angenagelt, damit nichts aufkommt. Vergessen. Verheimlichen. Ja nicht drüber reden. Kaum ein Großvater erzählte seinen Kindern was über diese Zeit. Omertà nennen dies die Sizilianer. Schweigen. Entnazifizierung gab es hier keine. Auch in der Schule wurde dies zu meiner Zeit nicht thematisiert. Nur die Opferrolle. Die schon. 

     

  • Die Heuchelei der Tirolpatrioten.

    Und hier, genau hier und heute geht es weiter mit der Heuchelei. Wie war das nochmal mit dem geheuchelten Patriotenpickerl? 

    Ja ich kannte Neonazis. Und heutzutage sagen sie nicht "ich bin ein Nazi", nein sie sagen "ich bin ein Patriot", weil die es nicht immer offen sagen wollen, dass sie Nationalzozialisten sind. Aber sie sind es! Der Identitäre Anführer M.S. aus Wien bezeichnet sich als Patrioten, nicht als Nazi. Obwohl er ein Nazi ist. Er maskiert sich, und bei Aktionen der Identitären Bewegung ruft er die Mitglieder in seinen Videos auf, dass sich die Teilnehmer normal anziehen sollen, die Tattoos verdecken und nur die Fahnen der IB tragen sollen, um die normalen Patrioten nicht zu verschrecken. Denn die sollen sich anschließen. Sie heucheln, maskieren Nationalismus als normalen Patriotismus. 

      Und ich kenne mindestens einen dieser Nazis, der Mitglied der Süd-Tiroler Freiheit ist oder war,  und ich kann mich gut daran erinnern, wie dieser stolz seinen Parteiausweis herzeigte. Bei den anderen Nazis, quer durch die Bank, fehlen sie natürlich niemals - Die Aufkleber der Partei, wo "Süd-Tirol ist nicht Italien" draufsteht! Sie prangen auf ihren Geldbörsen oder Smartphonehüllen. Die verpflichtend unterschriebene Ehrenerklärung, um Mitglied der STF werden zu können, sich von Rechtsextremismus und Nationalsozialismus zu distanzieren, ist für sie nur ein notwendiges pro-forma-Übel. Kontrollieren tut's eh niemand, wie sie sich dann verhalten. Problematisch für die Partei wird das eh nur, wenn aus einfachen Mitgliedern Politiker werden. Das passiert aber selten, da sich die Neonazis an die Vorgaben der Identitären Bewegung, die ihnen nicht unbekannt ist, halten und sich metapolitisch betätigen.  Man erkennt aber auch hier die Heuchelei, die von Sven Knolls Partei ausgeht: Diese Ehrenerklärung stammt noch aus jenem Jahre, als die Union für Südtirol aufgrund diverser Naziskandale und anderer Streitigkeiten zwischen Andreas Pöder und Eva Klotz zerbrach: damals traf sich, nach Aussagen eines ex-Neonazis, der seine Strafe abgesessen hat, ein hoher Exponent der Union mit dem SKR tatsächlich. Es gab zudem tatsächlich auch weitere Unterwanderungen der Union für Südtirol durch Rechtsextreme - und nicht nur jene, worüber verschiedene Artikel der Tageszeitung damals berichteten, nein, auch durch Burschenschafter der schlagenden Verbindung Gothia Meran, ehemaligen Skinheads und sonstigen italienerhassenden, fremdenfeindlichen Geiferern. Und als jemand von den Funktionären dies anprangern wollte, weil er davon erfuhr oder dies beobachten konnte,  dies öffentlich kritisierte, da ihm dieser geheuchelte Patriotismus zu viel, zu falsch und zu gefährlich wurde,  wurde dieser von den Ertappten  denunziert, verleumdet und medial exekutiert, als Spitzel und Verräter verschrien. Niemand feierte ihn als Kämpfer gegen Nazis, als rechtschaffenem Demokraten und definitionsgemäßem Patrioten! Ein Bauernopfer musste her, welchen man den Säuen zum Fraße vorwarf, und stillhalten musste. Doch etwas scheint dies damals trotzdem bewirkt zu haben:

    Als dann Sven Knoll und seine Verwandten die STF gründeten, schien es, als ob diese Partei die Kurve gekratzt hätte: Anscheinend glaubhaft distanzierten sie sich öffentlich von Neonazis, indem sie auch nebst besagter Ehrenerklärung einen Aufkleber mit dem Schriftzug "Tirol-Patrioten sind keine Naziidioten" veröffentlichten. Bis zum Abgang der Eva Klotz blieb diese Linie auch so. Wie sehr diese Partei zu der Aussage auf diesem Pickerl heute steht, sieht man an der Wahlwerbung während der letzten Landtagswahlen.  "Volkskanzler" Kickl lässt grüßen. Und die Heuchelei. Aber das ist nicht alles: der Bruder eines hohen Schützenbundfunktionärs erzählte dem Verfasser dieses Artikels um 2011, dass er alles tun würde, um aus der Partei  eine riesige Bewegung zu formen und diese Partei als die der Schützen zu machen. Dieser Bruder eines Schützen war einst selber in den 1990er Jahren noch ein strammer Naziskin, distanzierte sich von seiner Vergangenheit, betonte aber weiterhin deutschnational gesinnt zu bleiben - was übersetzt genau das Gegenteil bedeutet - und sich deshalb nicht parteipolitisch betätigen zu wollen. Die STF wurde dann auch zur Schützenpartei, gemäßigt und nur auf die Selbstbestimmung  bedacht, solang die Eva dabei war und bis - ja bis - Corona kam und Jürgen Wirth-Anderlan vom verschwörungstheorethischem, Coronaleugnendem Nazi-Putinismusvirus angesteckt wurde, eine eigene Partei gründete und mit ihm ein großer Teil der Bevölkerung Europas, welche aufgehetzt durch russische Desinformationskampagnen rechtsextrem aufgestachelt und verhetzt wurde. Darunter auch viele Südtiroler. Zu diesem Thema, wie auch in Südtirol eine 5. Kolonne Putins durch Neonazis, Verschwörungsgläubigen und Impfgegnern entstand, folgt bald ein weiterer Artikel. 

     

     

     

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Salto User
nobody Mo., 26.02.2024 - 20:58

Sie haben vollkommen Recht, die deutschen, italienischen und alle anderen Aufgehetzten sind schlimm. Schauen wir in eine andere Richtung. Der Heimatpflegeverband erhält Besuch von der Digos, Polizisten prügeln Demonstranten, Bozen und Meran wird vom Militär kontrolliert.

Mo., 26.02.2024 - 20:58 Permalink
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△rtim post Di., 27.02.2024 - 09:20

Als "Anderer", wie gehen Sie damit um?
Epistemisch ist der konkrete Erkenntnisgewinn für mich: Es braucht Grundlagen. Da wird man der Lehrkraft des Autoren beipflichten (können).
Geschichte, insbesondere verflochtene Geschichte(n) ist/sind nicht so unterkomplex.
Dies schließt ein, dass wir uns dem Faktencheck, aber eben auch der Architektur von Komplexität widmen.
Worum geht es in der Debatte über moderne Faschisten? Wozu wird über Begrifflichkeiten debattiert, die dazu dienen, weitere Schubladen zu definieren, für Wurstfresser? Geht es darum, ob die Bratwurst mit Curry, Senf oder Tomatensauce serviert wird? Ist das ein Niveau auf das wir hinabsteigen möchten? Wenn einmal klar ist, dass Faschismus als Phänomen, nicht an der Oberfläche und an den sichtbaren Symptomen aufzuhalten ist, sondern auf ein strukturelles Problem hinweist, dann sind wir besser bedient, wenn wir die Konstruktion der Komplexität selbst ins Visier nehmen, die in den Faschismus führt.
Wir alle leben, weil im Hintergrund, in den Zentren der Macht, eine Debatte über die Architektur von Komplexität stattfindet. Es wird nichts mehr gefürchtet, als der Kontrollverlust der Eliten der Macht. Und dieser Kontrollverlust wird nicht von den Eliten selbst befürchtet, oh nein! Der Kontrollverlust wird von der Bevölkerung gefürchtet, die in paradoxer Weise, selbstgefällig den Faschismus wiederauferstehen lässt, um die Eliten zu fordern und zu zwingen etwas zu tun. Denn die Hauptsache ist es die Verantwortung anderen zu geben, um sie nicht selbst erfüllen zu müssen. Kritisch gesehen ist das ein Handeln nach dem Prinzip der Dummheit. Und dumm wären die Eliten, fielen sie darauf rein. Den Eliten sollte daran gelegen sein, den Ball zurückzuwerfen, was sie anscheinend tun. Die Zeit ist gekommen, an der die auf Erden manifeste Komplexität in Form von Fleisch und Blut und Hirn, die Verantwortung für das Selbst in Anspruch nimmt und nicht mehr irgendwelchen Helden (Eliten) in die Schuhe schiebt. So sehr diese Argumentation auf Unverständnis stößt, die Architektur von Komplexität setzt eine bewusste Wahl voraus.
Dummheit und Gewalt sind ein systemisches Tandem. Dummheit ist oftmals ein sich dumm stellender angeblich schlafender Hund. Die Architektur der Komplexität ist das beste Antidot für ein Gift, das von dem Tandem mittels der Epigenetik, ganze Generationen von Wirten für das egoistische Gen infiziert. Was die Anzahl der Wirte angeht, reduziert Gewalt diese auf die Menge, die der zeitlich begrenzten Möglichkeit, Komplexität zu bewältigen, entspricht (ach so!).
(Vgl.: Andreu Ginestet, 2021)

Di., 27.02.2024 - 09:20 Permalink
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richter a Di., 27.02.2024 - 09:45

#Gloeckelsturm
Hut ab! Meine Komplimente. Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Ihre Worte sprechen mir aus der Seele.
Habe noch Hoffnung auf eine freie , nicht xenophobe Gesellschaft

Di., 27.02.2024 - 09:45 Permalink
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Stefan S Di., 27.02.2024 - 20:02

Antwort auf von Leonhard Clara

Tolle russische Propaganda, wiki meint dazu...
"Die Haltung des Herausgebers und Chefredaktors Roger Köppel zu Putin und dem autokratischen Russland wirkt sich auch auf die Berichterstattung zum russischen Angriffskrieg auf Ukraine aus. Dass Putin-nahe Kriegsverbrecher zu Wort kommen und pro-russische Propaganda den Weg in die Zeitung findet, führt zu breitem öffentlichen Widerspruch und selbst bei den Abonnenten zu Irritationen"

Di., 27.02.2024 - 20:02 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 28.02.2024 - 08:23

"Auch Hans Stanek konnte nach dem Kriege seine politische Karriere fortführen: von 1957 bis 1965 war er Landessekretär der SVP und saß von 1960 bis 1964 im Landtag." Dazu muss man ergänzen, dass Stanek ab 1961 nicht im Landtag saß, sondern im Gefängnis, weil man ihm bei einer Hausdurchsuchung ein Flugblatt des BAS in Haus geschmuggelt hatte. Nach erwiesener Unschuld wurde er dann nach einigen Jahren im Gefängnis freigelassen.

Mi., 28.02.2024 - 08:23 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 28.02.2024 - 17:56

Antwort auf von richter a

Dass Hans Stanek als Bürgermeister von Brixen die Befugnis hatte, Menschen in das KZ zu schicken, verwundert mich zwar, aber auszuschließen ist es ja nicht. Allerdings ist darüber nie berichtet worden. Der Besuch einer italienischen Schule war ja kein Grund für eine solche Maßnahme. Irgendeinen, wenn auch absolut nichtigen Grund dürfte es wohl gegeben haben. Mich würden Details dieser Geschichte interessieren. Das Konzentrationslager Dachau gibt es zum Glück nicht mehr, aber für "Menschen aus außereuropäischen Ländern" will Italien ja Lager in Albanien bauen.

Mi., 28.02.2024 - 17:56 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 29.02.2024 - 18:11

Antwort auf von richter a

Mich würde eine Quelle über diese KZ-Einweisung interessieren, da ich mich für Nazi- und Faschismus-Verbrechen in Südtirol interessiere und dazu auch publiziere. Man kann aber nie alles wissen. Da ich keine Partei habe, können die Lager in Albanien, die ich für sehr bedenklich halte, auch nicht "im Sinne" meiner Partei" sein. Sie täuschen sich also ganz gewaltig und sollten in Zukunft etwas vorsichtiger mit Unterstellungen sein.

Do., 29.02.2024 - 18:11 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 29.02.2024 - 18:12

Antwort auf von richter a

Mich würde eine Quelle über diese KZ-Einweisung interessieren, da ich mich für Nazi- und Faschismus-Verbrechen in Südtirol interessiere und dazu auch publiziere. Man kann aber nie alles wissen. Da ich keine Partei habe, können die Lager in Albanien, die ich für sehr bedenklich halte, auch nicht "im Sinne" meiner Partei" sein. Sie täuschen sich also ganz gewaltig und sollten in Zukunft etwas vorsichtiger mit Unterstellungen sein.

Do., 29.02.2024 - 18:12 Permalink
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wartl Mi., 28.02.2024 - 18:47

Die "Begriffsvermischung" sehe ich eher als absichtliche "Begriffsverwischung", als Umdeutung positiv besetzter Begriffe bis zu ihrer faktischen Inhaltsleere zwecks Profitmaximierung (in Ö. am Beispiel "Neutralität" eindrucksvoll ersichtlich). Ein Neonazi wie M.S. will halt nicht als solcher bezeichnet werden.
Dass die (Neo)Braunen gegen die Eliten wettern, aber sich von ihnen aushalten lassen, wollen in Ö. die meisten Medien nicht zur Kenntnis nehmen. Bei den Rinnsteinblättern (deklarierte Huren für die Reichen) wundert das ohnehin nicht.

Mi., 28.02.2024 - 18:47 Permalink
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Luca Marcon Fr., 01.03.2024 - 23:40

Nello statuto di Süd-tiroler Freiheit pubblicato in G.U. anno 155 n. 251 (ed. 28 ottobre 2014) al capitolo 5 paragrafo 1 si legge:

(1) Die Ideale, auf denen die Bewegung insgesamt fußt, sind Freiheit, Demokratie, Patriotismus ( =Geschichts-, Traditions- undIdentitätsbewusstsein), christliche Werte, Rechtsempfinden, ehrliches und gleichberechtigtes Miteinander, Antifaschismus, Antirassismus, die Würde des Menschen sowie die Ablehnung jeglicher autoritärer Ideologien.
(1) Gli ideali su cui si basa il movimento nel suo complesso sono la libertà, la democrazia, il patriottismo ( =consapevolezza della propria storia, delle proprie tradizioni, della propria
identità), i valori cristiani, il senso della giustizia, la convivenza all'insegna dell'onestà e della parità dei diritti, l'antifascismo, l'antirazzismo, la dignità dell'uomo e il rifiuto di qualsiasi ideologia autoritaria.

A differenza di antifascismo e antirazzismo, i termini antinazismo o antinazionalsocialismo io non sono proprio riuscito a trovarli da nessuna parte.

https://www.parlamento.it/application/xmanager/projects/parlamento/atta…

Fr., 01.03.2024 - 23:40 Permalink