Politik | Polemik

„Angriff auf das freie Mandat“

Eine Anfrage des Freiheitlichen Abgeordneten Pius Leitner veranlasst den obersten Beamten zu rechtlichen Schritten. Die Südtiroler Tageszeitung wird für ihre Berichterstattung darüber gleich mitverklagt.

Auf den ersten Blick scheint es das übliche Frage-und-Antwort-Spiel zu sein, das Teil der parlamentarischen Arbeit ist – wenn auch der Titel in freiheitlicher Prosa aufpeppt wird. „Antikorruptionsbeauftragter des Landes: wird der Bock zum Gärtner gemacht?“, schrieb der Freiheitliche Landtagsabgeordnete Pius Leitner am 19. März in einer Landtagsanfrage. Gegenstand ist die Ernennung von Generaldirektor der Südtiroler Landesverwaltung Hermann Berger zum Antikorruptionsbeauftragten des Landes. Eine Funktion, die vom staatlichen Gesetz Nr. 190 / 2012 eingeführt wurde – und die beim Freiheitlichen Leitner fünf konkrete Fragen an die Landesregierung aufwerfen. So wird unter anderem gefragt, nach welchen Kriterien Berger mit dieser Aufgabe betraut worden sei, welche Aufgabe er zu erfüllen habe oder ob es dafür eine zusätzliche Entlohnung gäbe.

„Für mich entstand einfach optisch der Eindruck, ob man hier nicht den zu Kontrollierenden zum Kontrolleur macht“, erklärt Pius Leitner gegenüber salto.bz.

Doch noch bevor ihm Landeshauptmann Luis Durnwalder nur zwei Tage später eine sachliche Antwort zukommen lässt, flatterte den Freiheitlichen ein Brief vom Anwalt Hermann Bergers ins Büro. Darin wurden sie dazu aufgefordert,  innerhalb von 24 Stunden die entsprechende Anfrage von der Homepage der Freiheitlichen  zu nehmen, um den angeblichen materiellen und immateriellen Schaden für den Generaldirektor der Provinz zu begrenzen. Zusätzlich wurden laut Leitner zivilrechtliche und strafrechtliche Schritte gegen die Freiheitlichen angekündigt.

Doch nicht nur das Parteibüro des Antragstellers erhielt einen Brief. Auch die Neue Südtiroler Tageszeitung erhielt Post von Bergers Anwald: Da sie die entsprechende Pressemitteilung Leitners veröffentlicht hatte, fordert Berger nun über 30.000 Euro Schadenersatz. 

Generaldirektor Hermann Berger war gestern für salto.bz. nicht erreichbar. Pius Leiter, der zu der Angelegenheit eine Presskonferenz einberufen hatte, stößt sich gleich an zweierlei. So beklagt Leitner einerseits die Vermischung seiner Position als Landtagsabgeordneter mit der seiner Partei: „Der alleinige Urheber dieser Anfrage bin ich, und es ist nicht einzusehen, wieso die Partei dafür rechtlich belangt wird.“ Andererseits fühle er sich in der Ausübung seines Mandats eingegrenzt. „Ich habe eine ganz gewöhnliche Anfrage gestellt, und in keinster Weise die Person Hermann Berger in Frage gestellt, sondern nur die Tatsache, dass die Landesregierung den höchsten Landesbeamten mit der Kontrolle der Landesverwaltung in Sachen Korruption beauftragt hat.“

Die entsprechende Anfrage wurde dennoch von der Homepage der Partei genommen. Sicher ist sicher.

 

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Alfonse Zanardi Mi., 27.03.2013 - 17:55

Nicht gerade eine optimale Vorstellungsrunde für einen Antikorruptionsbeauftragten, politische Parteien und Medien mit geharnischten Anwaltsschreiben einzudecken ...

Mi., 27.03.2013 - 17:55 Permalink
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laurin B. Mi., 27.03.2013 - 18:04

Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen (Ludwig Wittgenstein)
und dazu gehört in unserem Land immer mehr, worüber man schweigen muss und worüber nicht gesprochen und geschrieben werden darf auch nicht von Pius Leitner und von der Neuen Südtiroler Tageszeitung. Sie haben bis jetzt selbst beharrlich darüber geschwiegen.

Mi., 27.03.2013 - 18:04 Permalink
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Martin Federspieler Mi., 27.03.2013 - 19:54

Niemand hat ein freies Mandat andere Leute zu verunglimpfen, selbst nicht die "Freiheitlichen".
Die hemdsärmelige Wortwahl (ansonsten eher der Ofrau eigen) mag wohl bei vielen Leuten gut ankommen, man sollte aber dennoch etwas vorsichtiger sein, zumindest wenn man konkret über Personen spricht.
So ausgesprochen ist das ein direkter Vorwurf gegenüber dem Generaldirektor, dass er die Spitze eines korrupten Systems sei.
Wenn der Pius Fakten hat oder kennt, die seine Behauptung untermauern, so muss er nun raus damit.
Dem Berger ist es jedenfalls sein gutes Recht, sich gegen solche Verunglimpfungen zu verteidigen. Da braucht man nicht gleich so tun, als sei die Demokratie in Gefahr.

Mi., 27.03.2013 - 19:54 Permalink
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Klaus Egger Mi., 27.03.2013 - 20:40

Wo der Eine (Leitner) die provokanten Worte wählt, und dann einen auf unschuldig macht und fast schon die Redefreiheit verteidigt, schießt der andere (Berger) mit Rechts-Kanonen auf Spatzen. Mein Gott, wie frustriert muss es in dem Laden zugehen?

Mi., 27.03.2013 - 20:40 Permalink
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Michael Bockhorni Do., 28.03.2013 - 10:03

genau für diese Situationen gibt es ja, die (in verschiedenen Ländern und Regionen verschieden ausgeprägte) Immunität, damit die MandatarInnen in ihrer politischen Arbeit nicht ständig Gefahr laufen verklagt zu werden.

Do., 28.03.2013 - 10:03 Permalink
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Maximilian Ben… Do., 28.03.2013 - 11:19

Ich bin geradezu empört! Das ein Landesabgeordneter von einem Landesverwalter rechtlich eingeschüchtert wird, wenn er seine Pflicht erfüllt. Das hatten wir glaube ich noch nie. Über die Wortwahl lässt sich natürlich streiten. Aber nicht über die Rechte und Pflichten eines Abgeordneten. Für Verstösse gibt ja schliesslich ein Regelment im Landtag.

Do., 28.03.2013 - 11:19 Permalink
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Stra Wanzer Do., 28.03.2013 - 20:16

Antwort auf von Maximilian Ben…

Ist ja derzeit nicht der einzige kriegspfad des regenten.
auch die satire zum sel-skandal der beiden vinschger rapper wird schriftlich
beanstandet....
dabei fällt mir ein Text von Vic Chesnutt (Gott hab ihn selig) ein:

COWARD:

"The courage of the coward
Is greater than all others
A scaredy-cat'll scratch 'im
If you back 'im in a corner

But I ,I ,I, I am a coward
I, I, I am a coward

Courage born of despair and impotence
Submissive dogs can
Lash out in fear and be
Very, very dangerous

But I ,I ,I, I am a coward
I, I, I am a coward"

Do., 28.03.2013 - 20:16 Permalink
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Profil für Benutzer laurin B.
laurin B. Do., 28.03.2013 - 16:31

…..ist eindeutig zu kurz gegriffen, es geht nämlich um die freie Meinung und nicht nur um das freie Mandat, die nicht nur den „freien Mandataren“ zusteht, sondern allen Menschen aufgrund des Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Wenn die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, dann schweigen die freien Mandatare und die Medien genießen die Pressefreiheit und die Freiheit der Mandatare. Wenn die Pressefreiheit und die Freiheit der Mandatare eingeschränkt wird, dann spüren sie das erst auf der eigenen Haut. Hic Rhodos, hic salt....o!

Do., 28.03.2013 - 16:31 Permalink