Gesellschaft | Cannabis

Erleichterung durch Land

Die Landesregierung hat am Dienstag die Verschreibung und die Abgabe von medizinischem Cannabis geregelt. Der Gesundheitsdienst übernimmt die Kosten.
marijuana
Foto: upi
Bisher wurde rund 100 Personen im Jahr medizinisches Cannabis verschrieben“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag nach der Sitzung der Landesregierung, „sie mussten zur Gänze selbst für ihr Medikament aufkommen". Weil die Cannabis-Medikamente aber sehr teuer sind, kommen viel Patienten schnell an ihre finanzielle Grenzen.
Damit soll jetzt Schluss sein. Die Landesregierung hat am Montag nicht nur per Beschluss die Verschreibung und die Abgabe von medizinischem Cannabis geregelt, sondern auch festgelegt, dass die öffentliche Hand die Kosten für diese Therapie übernimmt. So wie es bei anderen Medikamenten gang und gäbe ist.
Südtirols Hausärzte können in Zukunft Cannabis verschreiben, wenn Diagnose und Therapieplan aus einem der Fachzentren in den Krankenhäusern und in den territorialen Einrichtungen des Südtiroler Sanitätsbetriebes kommen. Die Landesregierung legte folgte Bereiche dafür fest: Abteilung für Neurologie, Abteilung für Infektionskrankheiten, Abteilung für Onkologie, Abteilung für Innere Medizin, Abteilung für Augenheilkunde, Dienst für Palliativbetreuung, Ambulatorium für die Schmerztherapie, Dienst für Komplementärmedizin.
Medizinisches Cannabis lindert Schmerzen, steigert den Appetit und entspannt die Muskeln. Multiple Sklerose, Magersucht und das Tourette-Syndrom sind deshalb nur einige Krankheitsbilder, bei denen der öffentliche Gesundheitsdienst in Zukunft die Kosten für diesen Wirkstoff übernimmt. Weitere sind Krebserkrankungen, Glaukom, HIV und die klassische Schmerztherapie. Mit Ausnahme der Schmerztherapie wird für die Zubereitung von Cannabis eine Kostenbeteiligung von einem Euro pro Rezept vorgesehen.
 
Die Apotheker müssen das Medikament, das neben der klassischen Pulverform auch als Öl oder in Kapseln verabreicht wird, für jeden Patienten einzeln dosieren. Abgegeben wird der Wirkstoff über die Apotheken, mit Ausnahme der HIV-Patienten und derer, die außerhalb Südtirols wohnen. Sie beziehen ihr Medikament direkt über die Krankenhausapotheken. Der Arzt muss zudem bei jeder Verschreibung die Patientendaten erheben. Neben Alter und Geschlecht werden auch Dosierung, Behandlungsbedarf und etwaige Behandlungsergebnisse anonymisiert an das oberste Gesundheitsinstitut übermittelt. Genauso mitzuteilen sind vermutete Nebenwirkungen.
In Südtirol wird der Bedarf für das Jahr 2018 auf rund zehn Kilogramm geschätzt, ein Kilo davon wird im chemisch-pharmazeutischen Betrieb der Streitkräfte in Florenz hergestellt, der Rest in erster Linie aus Holland und aus Kanada importiert. Die Kosten zu Lasten des Landesgesundheitsdienstes werden auf insgesamt ungefähr 250.000 Euro geschätzt. Grundlage des Beschlusses ist das staatliche Gesetz vom 16. Oktober 2017, das die Kostenübernahme für medizinisches Cannabis vorsieht. Die Kostenübernahme für das Tourette-Syndrom hat die Landesregierung ergänzt.
 

Angst und Lob

 
Schmerzen zu lindern ist seit jeher ein Anliegen der Medizin und zeichnet jede humane Gesellschaft aus, schließlich haben die Patienten das Recht, nicht unnötig leiden zu müssen, wenn dies vermeidbar ist“, erklärte Martha Stocker. Die Gesundheitslandesrätin hat aber anscheinend Angst im Wahljahr angegriffen zu werden. Nur so kann man Stockers Verweis verstehen.
Die SVP-Politikerin erklärte, dass es wichtig sei, dass ein Therapieplan auf höchstens sechs Monate ausgelegt werden und dass eine Verschreibung nie mehr als den Monatsbedarf abdecken dürfe. So könnte ein Missbrauch verhindert werden. „Immerhin ist und bleibt Cannabis eine Droge“, fügt sich die Landesrätin bemüßigt hinzuzufügen.
 
Ganz anders Peter Grünfelder. „Der Beschluss stellt einen ersten wichtigen Meilenstein in der medizinischen Versorgung für Patienten mit einem Cannabis-Therapieplan dar“, zeigt sich der Präsident des „Cannabis Social Club Bozen“ (CSC Bozen) erfreut. Als Patientenvertretung hatte sich der Cannabis Social Club Bozen an Martha Stocker gewandt, worauf eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Ärzten und Patientenvertreter des CSC Bozen und Mitarbeitern des Gesundheitsessorts eingesetzt wurde. Das Ergebnis wurde am Montag in der Landesregierung beschlossen.
Bisher konnten nur die allerwenigsten Patienten das Medikament kostenlos beziehen“, erklärt Präsident Grünfelder, „jetzt ermöglicht der Beschluss der Landesregierung einer bedeutend größeren Anzahl von Patienten den Zugang zu diesem natürlichen Heilmittel, wie es für andere Medikamente selbstverständlich ist.