Po
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Umwelt | Extreme Trockenheit

Der Po ohne Wasser

Nach Monaten ohne Niederschläge droht Italiens größtem Fluss eine Katastrophe

Seit Tagen widmen Italiens Zeitungen dem wichtigsten Fluss des Landes besorgte Schlagzeilen. Denn nach drei Monaten ohne Niederschläge gleicht das Flussbett des Po einer Wüstenlandschaft mit teilweise malerisch anmutenden Sandbänken. "Il gigante senza aqua", klagt die Tageszeitung La Stampa: "Il fiume malato alle prese con la peggiore crisi da 30 anni. Per la prima volta potrebbe non bastare ad agricoltura, energia ed industria." Carlo Alberto Favarelli, Kapitän des Motorschiffs Beatrice, sieht seine Zukunft ohnedies gefährdet: "Il Po sta malissimo. Mai visto niente di simile in vita mia. E`da 105 giorni che non piove. In 70 anni il Po cosí secco non l´ho mai visto." Die Pegel am Flussufer, die den Wasserstand messen sollen, stecken im trockenen Sand. Der einzige noch arbeitende Fischer Enrico Orsi sieht in seinem Beruf keine Zukunft: "Di barbi e pescegatto ce ne sono sempre meno."

Auch die Bauern, die ihre Felder mit dem Wasser aus Italiens grösstem Fluss beregnen, werden von Zukunftssorgen geplagt. In Piemont fehlt das Wasser für die Reisfelder, die in diesen Tagen geflutet werden sollten. Das Desaster ist nicht allein auf den Klimawechsel zurückzuführen.

 

Denn dem Fluss werden jährlich weit über 10 Milliarden Kubikmeter Wasser für Industrie, Landwirtschaft und Energieerzeugung entnommen. Die kritische Situation des grössten italienischen Flusses ist Folge einer gefährlichen Mischung verschiedener Faktoren: keine Niederschläge seit 100 Tagen, zu geringe Schneefälle in den Alpen, um das gewohnte Schmelzwasser zu garantieren und scheinbar unaufhaltsam steigende Temperaturen sorgen für eine gefährliche Situation. Die an mehreren Orten am Flussufer gemessenen Pegelstände sind die tiefsten seit einem halben Jahrhundert. Viele Maisfelder sind nach zwei Monaten ohne Niederschläge bereits vertrocknet.

Seit 1972 wurde kein so niedriger Wasserstand gemessen, ein Drittel der Ernte ist vom Ausfall bedroht. Die der Beregnung dienenden Pumpen stehen weitgehend still - so etwa in der Provinz Reggio Emilia, wo eine der wichtigsten Pumpanlagen des Consorzio di Bonifica dell Emilia centrale abgeschaltet werden musste, die der Beregnung von 220.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen dient. Was in den landwirtschaftlichen Betrieben grösste Besorgnis auslöst, sorgt bei den Archäologen für Euphorie: immer wieder tauchen aus dem Schlamm Relikte früherer Jahrhunderte - etwa die Reste der berühmten Seeschlacht zwischen den Republiken Venedig und Mailand von 1427 in Sommo con Porto mit insgesamt 70.000 Kämpfern oder jener von Casalmaggiore, die 1448 nahe der Insel Fossa Caprara zwischen den Flotten der Repubblica Ambrosiana und jener der Republik Venedig geschlagen wurden.  Und bei Chivasso trat ein gut erhaltenes römisches Schiff aus der Zeit um 100 nach Christus zutage.

Dramatische Bilanz des Corriere zur emergenza siccità:   "Dal Lago di Como al Po mancano tre miliardi di metri cubi di acqua". 

Siccità: il fiume Po in secca come la scorsa estate, -2,66 metri al Ponte  della Becca

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Josef Fulterer Mi., 30.03.2022 - 03:27

Der ausgetrocknete Po zeigt die Grenzen auf, für die es keine technische Lösung mehr gibt.
Außer man versucht wie in Russland, die spärlich auftretenden Wolken durch Verstreuung von Silberjodid oder Zementstaub mittels Flugzeuge zum Abregnen zu bringen.
Der reichliche Sahara-Staub in den vergangenen Wochen über Europa, der normaler Weise diese Wirkung hat, konnte nichts ausrichten.
Ob sich das zu einem der gefürchteten Kipppunkte für die Klimaerwärmung weiter entwickeln wird?

Mi., 30.03.2022 - 03:27 Permalink