Gesellschaft | Schlerngebiet

Machtwort der Jugend

Unbeirrt geht der Feldzug für den Erhalt des Jugend- und Kulturvereins Allesclub weiter. Rückendeckung kommt von Landesrat Philipp Achammer.
Chuck Converse
Foto: Pixabay

Wenn sogar der langjährige Feuerwehrkommandant mit bebender Stimme meint, es beinahe zu bereuen, “knapp 50 Jahre Freiwilligendienst in dieser Gemeinde geleistet zu haben”, muss wirklich etwas im Argen liegen. Schließlich geht es an diesem Abend in Seis nicht um die Freiwillige Feuerwehr. Sondern um einen anderen Freiwilligenverein, der trotz jahrelang funktionierender ehrenamtlicher Tätigkeit offenbar noch immer um Anerkennung und um einen Platz ringt. Nicht in der Bevölkerung. Sondern in den Köpfen einiger.
Der Eindruck, dass die Politik nicht mit offenen Karten spielt, hat die jungen Menschen im Schlerngebiet mobil machen lassen. In Scharen sind sie vergangene Woche zu einer Bürgerversammlung der SVP-Ortsgruppe Seis gekommen. Dort nimmt die für die Jugend zuständige Gemeindereferentin zur “Umorientierung der Jugendarbeit” im Schlerngebiet Stellung. Gegen die stemmt sich die Jugend.
Und der ehemalige Seiser Feuerwehrkommandant ist nicht der einzige, dem der Kragen platzt.

 

Offen, aber zu

 

Auf den Tag genau einen Monat ist es nun her, dass die vier Jugendtreffs in Kastelruth, Seis, Völs und Völser Aicha geschlossen haben. Weil die Gemeinden Kastelruth und Völs am Schlern den Konzessionsvertrag mit dem Jugend- und Kulturverein Allesclub, der alle vier Räumlichkeiten führt, nicht verlängert hat. Man will die Führung in die Hände verbandlich und kirchlich organisierter Jugendarbeit, konkret, des Jugenddienstes Bozen Land übergeben. Was im Schlerngebiet und darüber hinaus für große Aufregung, Protest, aber vor allem Unverständnis gesorgt hat.

 

Drei hauptamtliche Jugendarbeiter arbeiten für den Verein Allesclub in den vier Jugendtreffs nach den Prinzipien der Offenen Jugendarbeit. “Wir vermitteln grundlegende Werte wie Akzeptanz, Solidarität, Respekt und Empathie. Wir fördern Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Eigenverantwortung und stärken sie in ihrer Individualität”, heißt es im Leitbild des Allesclub.
Den wahren Grund, warum dem Verein die Führung der Jugendtreffs aus den Händen gerissen werden soll, weiß niemand so recht. Auch eine Bürgerversammlung in Völs Anfang Mai konnte Spekulationen nicht aus der Welt räumen.

 

Im Hexenkessel

 

Mehrmals war die Kastelruther Jugendreferentin, auf deren Kappe der angedachte und viel kritisierte Führungswechsel maßgeblich geht, auf Facebook aufgefordert worden, die Karten auf den Tisch zu legen. Vergeblich.
Groß ist die Anspannung im Saal als Christina Pallanch am Donnerstag das Wort ergreift und eine mehrminütige Stellungnahme verliest. Sie wirft dem Verein Allesclub “mangelhafte Führung” vor, spricht von “Kommunikationsproblemen” und “schwerwiegendem Vertrauensverlust”, von “buchhalterischen Problemen” bei den Abrechnungen, lässt anklingen, dass der Verein Gelder unterschlagen haben könnte.
Außerdem seien die Vorgaben der Gemeinde bezüglich Öffnungszeiten “nicht erfüllt” worden, die Zusammenarbeit mit der Mittelschule funktioniere nicht. Alles in allem bestünden “große Zweifel”, auf die sie selbst aufmerksam geworden sei, die aber auch von Eltern, Lehrern und Jugendlichen an sie herangetragen worden seien, sagt Pallanch.

 

Schon während die Referentin spricht, beginnt es im Saal zu rumoren. Als sie geendet hat, hält es viele nicht mehr auf den Stühlen. Zu Wort melden sich – erstmals – auch Vorstandsmitglieder des Vereins und die Jugendarbeiter selbst. Aufs Schärfste weisen sie die Vorwürfe zurück. Eltern und Lehrpersonen, die sich äußern, sind ebenfalls empört. Über die “kursierenden Unwahrheiten”. Darüber, dass die Arbeit des Vereins “derart durch den Dreck gezogen” werde. Und darüber, dass über die Köpfe der Jugendlichen und Ehrenamtlichen hinweg entschieden werden soll, alles umzukrempeln. “So geht man nicht mit jungen Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen, um”, bringt es einer auf den Punkt.
Die zahlreichen Wortmeldungen zeigen: Das Vorgehen der Lokalpolitik hat viele vor den Kopf gestoßen – und die jungen Leute sind bereit, sich lautstark zu wehren.

Auch, weil den Gemeindeverwaltungen in Kastelruth und Völs inzwischen von höchster Stelle nahegelegt wurde, die Führung der Jugendtreffs weiterhin dem Verein Allesclub anzuvertrauen. Nicht nur das n.e.t.z. – auch Landesrat Philipp Achammer höchstpersönlich plädiert dafür, dass die Jugendarbeit am Schlerngebiet in den Händen des Allesclub bleibt. Das macht Achammer in einem Schreiben deutlich, das er kürzlich an die beiden Bürgermeister und die Jugendreferenten richtete.

 

Rechnung nicht ohne die Jugend

 

Der Landesrat war als Vermittler in der Geschichte eingeschaltet worden, gemeinsam mit seinem Amtsdirektor beim Amt für Jugendarbeit, Klaus Nothdurfter. “Nach den diversen geführten Gesprächen”, schreibt Achammer, halte er es “für sinnvoll, dass wir dem Verein ‘Allesclub’ weiterhin Verantwortung für die Führung der Jugendräume übertragen”. Außerdem schlägt der Landesrat vor, ein Vereinbarungsprotokoll zu erstellen, in dem der Verein, die Gemeinden und das Land gemeinsam “Veränderungen, Verbesserungen, Konzepte und Pläne für die Zukunft” definieren sollen. “Ehrlich und zielführend” sollen die aufgetretenen Probleme und Schwierigkeiten angegangen werden, fordert Achammer. Er betont eindrücklich:

“Liebe Bürgermeister, unsere Aufgabe ist es, den jungen Menschen Verantwortung zu geben und sie in der Umsetzung konkret, wertschätzend und wohlwollend begleiten. Ich ersuche euch deshalb, dem Allesclub (...) und allen beteiligten Jugendlichen die Chance zu geben und zu zeigen, dass er im Lichte der aufbauenden Arbeit der letzten 10 Jahre die Probleme der Gegenwart bewältigen kann (...) und dass er imstande ist, die Offene Jugendarbeit am Hochplateau in eine gute Zukunft zu entwickeln.”

Dieses Schreiben wird am Donnerstag Abend in Seis angesprochen – weil die harten Worte der Jugendreferentin im Licht der versöhnlichen Linie des Landesrates, die auch Verein und n.e.t.z. teilen, umso unverständlicher erscheinen.
Den erlösenden Satz spricht schließlich der Kastelruther Bürgermeister. Er bedanke sich für die zahlreichen Wortmeldungen, über die es sicherlich nachzudenken gelte, meint Andreas Colli. Und zwar weil: “Noch ist nichts definitiv entschieden.”
Auch die anwesenden Gemeinderäte scheinen die jungen Menschen mit ihrem Engagement beeindruckt, manchen gar überrascht zu haben. “Ein Schritt zurück ist nicht immer das Schlechteste”, schließt der Seiser SVP-Ortsobmann die Bürgerversammlung. Ein Abend voller Spannung, aber ebenso viel Hoffnung geht zu Ende. Eine Botschaft bleibt hängen: Das Bewusstsein für Verantwortung und Gerechtigkeit haben Politik und Erwachsene nicht für sich gepachtet – ganz im Gegenteil.
Jugendliche samt Jugendarbeiter im Schlerngebiet jedenfalls haben vorerst nur einen dringenden Wunsch: “Es ist langsam an der Zeit, dass wir wieder aufsperren.”