Chronik | Seilbahn-Unglück

“Eine schwerwiegende Straftat”

Die Leitner AG will sich nach dem Seilbahnunglück am Lago Maggiore als Zivilklägerin vor Gericht einlassen. Anton Seeber verurteilt die Manipulation der Notbremse.
Funivia Stresa-Mottarone
Foto: Vigili del fuoco

Die Leitner AG wird sich nach dem Seilbahnunglück am Lago Maggiore als Zivilklägerin vor Gericht einlassen. Das teilt das Unternehmen am Donnerstag Nachmittag mit.

Am Sonntag (23. Mai) riss das Zugseil der Seilbahn Stresa-Mottarone im Piemont. Eine Kabine mit 15 Personen an Bord stürzte aus einer Höhe von 54 Metern ab, 14 der Insassen kamen ums Leben. Die Staatsanwaltschaft leitete umgehend Ermittlungen ein. In der Nacht auf Mittwoch gestanden Mitarbeiter der Seilbahngesellschaft, mit einer Klammer zwischen den Bremsbacken die Notbremse der Kabine bewusst deaktiviert zu haben. Diese soll im Notfall – etwa wenn das Zugseil reißt – verhindern, dass eine Kabine zu Tal rast. Die Bremse habe regelmäßig Störungen verursacht – sie zu reparieren hätte bedeutet, die Seilbahn für längere Zeit außer Betrieb zu setzen.

Das Sterzinger Seilbahn-Unternehmen Leitner AG kontrolliert und wartet die Anlage von Stresa-Mottarone regelmäßig. Ein Ingenieur, der freiberuflich für die Leitner tätig ist, wurde nach dem Seilbahnunglück festgesetzt. Der 51-Jährige, der in Turin lebt, ist der technische Leiter der Anlage.

“Leitner steht den Ermittlungsbehörden zur Aufklärung dieser Tragödie zur Verfügung”, hieß es umgehend aus Sterzing. Jetzt teilt die Leitner AG mit, dass sie sich als Nebenklägerin einbringen wird und einen eventuellen Schadensersatz auf jeden Fall den Familien der Opfer spenden will.

 

Die Mitteilung im Wortlaut

 

Sterzing, 27. Mai 2021 – Im Gerichtsverfahren betreffend das tragische Seilbahnunglück des vergangenen Sonntags wird sich die Leitner AG als Nebenklägerin einbringen. Ein eventueller Schadensersatz wird jedenfalls den Familien der Opfer gespendet.
“Die Manipulation der Sicherheitssysteme, die zum tragischen Tod von 14 Menschen geführt hat, ist eine schwerwiegende Straftat”, so Anton Seeber, Vorstandsvorsitzender der Leitner AG. “Die Verwendung der sogenannten Klammer zur mechanischen Verriegelung der Tragseilbremsen ist ausschließlich bei ganz speziellen Wartungsarbeiten erlaubt und bei Personentransporten sowie im Normalbetrieb ausdrücklich verboten. Seit über 75 Jahren transportieren die Seilbahnen unseres Unternehmens täglich Millionen von Menschen auf der ganzen Welt”, so Seeber, “dabei steht die Sicherheit immer an erster Stelle, und bei jedem unserer Einsätze und jeder unserer Anlagen. Statistiken belegen, dass Seilbahnen zu den sichersten Transportmitteln zählen. Um die Reputation unseres Unternehmens, unserer Mitarbeiter und der gesamten Branche zu wahren, haben wir daher beschlossen, im Rahmen dieses Verfahrens uns als Nebenkläger einbringen. Ein eventueller zu erzielender Schadensersatz wird jedenfalls den Familien der Opfer dieser Tragödie zukommen”.
Die umfangreiche Dokumentation über die Instandhaltungsarbeiten von Leitner an der Seilbahn Stresa-Mottarone, bestätigt, dass unsere Arbeiten stets mit Sorgfalt und mit Bedacht auf die Sicherheit ausgeführt wurden. Die Leitner AG betont in diesem Zusammenhang, dass man zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit ist, um den Unfallhergang dieser Tragödie zu rekonstruieren und rasch aufzuklären.
Die Leitner AG hat sämtliche Anfragen des Betreibers der Bahn stets zeitnah bearbeitet. In Hinblick auf diverse Falschinformationen dazu folgende Ausführungen:
Am 30.04.2021 führte eine von Leitner beauftragte spezialisierte Firma (mit Ergebnismitteilung an Leitner am 03.05.2021) eine Überprüfung der Hydraulikzentrale der Fahrzeugbremsen durch. Diese Überprüfung ergab keine Auffälligkeiten. Im Zuge dessen wurden auch die Druckspeicher der Hydraulikzentrale der Tragseilbremsen geladen. Seitdem gab es keine weitere Anfrage diesbezüglich an die Leitner AG und es wurden dem Unternehmen auch keine weiteren Probleme mit dem Bremssystem bekannt gemacht.
Wie rasch Leitner auf spontane Wartungseinsätze reagierte, zeigt auch die Serviceanfrage vom Betreiber am Samstag, 22. Mai 2021: An diesem Morgen hatte der Betreiber um einen Serviceeinsatz durch Leitner angefragt. Eine Abnutzung an einem Rollengummi einer Seilrolle auf einer Stütze wurde gemeldet. Dieser Einsatz, der nicht in Zusammenhang mit den Fahrbetriebsmitteln steht und nicht mit der Tragseilbremse zu tun hatte, bestand darin, eine der vielen Seilrollen der Stützen auszutauschen. Obwohl diese Anfrage nicht dringend war, wurde der Einsatz noch am selben Tag erledigt.

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Hartmuth Staffler Do., 27.05.2021 - 22:10

"... und einen eventuellen Schandersatz auf jeden Fall den Familien der Opfer spenden will." Natürlich wäre es für die Firma eine Schande, wenn sie irgendeine Verantwortung hätte, was ich aber nicht glaube. Was ein Schandersatz sein soll, ist mir aber nicht ganz klar.

Do., 27.05.2021 - 22:10 Permalink