Kultur | SALTO afternoon

Eine halbrunde Sache

Das Museo Egizio di Torino hat mit etwa 40.000 Stücken die größte Sammlung ägyptischer Artefakte außerhalb Kairos. 18 Stücke in Bozen bilden eine interessante Schau.
Mostra antichi egizi
Foto:  Daniele Fiorentino/TreviLab
  • „Antichi Egizi: i maestri dell’arte“ ist die erste Ausstellung einer Reihe, welche das TreviLab in Zusammenarbeit mit den größten Institutionen Italiens zu einem Abschnitt der Kunstgeschichte oder einem speziellen Kulturkreis umsetzen möchte. Kuratiert und die Auswahl der Ausstellungsstücke getroffen hat Christian Greco, der Direktor des bekannten Turiner Museums, der auch im unteren Stock, wo ein Nachbau der Statue von Ramses II. seit Beginn des Sommers auf die Eröffnung wartet, ein Einführungsvideo eingesprochen hat. Er legt darin ein für die Ausstellung grundlegendes Verständnis für einen „Kunst“-Begriff aus, der im alten Ägypten weit weg von unserer heutigen Vorstellung ist.

    Autorschaft spielte, mit wenigen, prominenten Ausnahmen, wie jener des Baumeisters Imhotep, kaum eine Rolle. In der Ausstellung selbst werden wir über einen halbkreisförmigen Parkur durch die Jahrhunderte (von etwa 3000 vor, bis ca. um Christi Geburt) geführt, entweder über Texttafeln oder über einen Audio-Guide (zu welchem man mittels QR-Code am Smartphone gelangt. Bringen Sie ggf. Kopfhörer mit). In beiden Fällen ist der Inhalt von Text und Audio fast identisch, beide Informationsquellen werden in italienischer und deutscher Sprache angeboten. Einzuplanen ist für eine Tour mit Audio-Guide an den 12 Stationen (einige mit Objektgruppen) etwa eine halbe Stunde. In eineinhalb bis zwei Minuten pro Ausstellungsstück informiert man über angewandte Techniken, kulturelle Bedeutsamkeit und verwendete Materialien (in dieser Hinsicht ist die getroffene Auswahl besonders divers).

  • Antichi egizi, TreviLab: Ein Schiff auf dem Nil und Standarten, welche vermutlich aus Tierhaut gefertigt waren stellt die Verzierung dieser etwa 5000 Jahre alte Vase dar. Foto: Daniele Fiorentino/TreviLab
  • Vom Tonkrug aus vorschriftlicher Zeit, um ca. 3000 vor Christus, welcher uns eine Szene auf dem Nil bildhaft überliefert, bis zur aus Kartonage gefertigten Grabmaske, welche etwa 3000 Jahre später entstanden ist, treffen wir auf viel Potential für Kopfkino. Es entsteht ein breites - wenngleich natürlich nicht deckendes - Bild. Dass alle Figuren dabei nahe einer Wand stehen, macht ihre Ansicht von der Rückseite schwieriger - Ausstellungsfläche hätte es genug gegeben, damit einige Werke einen Schritt nach vorne machen hätten können. Bei der (Halb)kreis-Form der Ausstellungsgestaltung hat man an das Zeitverständnis der alten Ägypter gedacht, welches - geprägt vor allem durch die Sonne und die Nilschwemme - ein zyklisches gewesen ist.

    Im Ausstellungsraum selbst wird die Schau durch zwei Videos ergänzt, eines, das den handwerklichen Prozess der Papyrus-Herstellung zeigt und eines, das moderne, nicht invasive Scan-Techniken am Beispiel des Sarges des Butehamun visualisiert und sich einer seltsam fremden Science-Fiction-Ästhetik bedient. Als einziges Video mit (recht lautem) Ton ist so im ganzen Ausstellungsraum Hans Zimmers „Mountains“ aus dem Soundtrack zum Weltraumfilm Interstellar zu hören. Das schlägt sich mit der ansonsten ruhigen Ausstellung, könnte aber problemlos leiser gestellt werden.

  • Antichi egizi, TreviLab: Auch ein Objekt aus Holz - aus welchem ist nicht endgültig festzustellen - ist in der Ausstellung vertreten. Sie wurden paarweise als Grabbeilagen, welche an Pilgerfahrten im Leben des Verstorbenen erinnern sollten gefunden. Bemerkenswert bei diesem und anderen Stücken ist sicher die Konservierung von Farbe. Foto: Daniele Fiorentino/TreviLab
  • Was sich nicht so leicht abstellen lässt, ist das Gefühl, dass hier bewusst ein Thema ausgespart wird. Klar, die Partnerschaft mit großen italienischen Museen dient diesen gleichzeitig als kleines Aushängeschild in Bozen, da will man unbequemen Fragen lieber aus dem Weg gehen. Das Museo delle Antichità Egizie di Torino war 2022 mit 898.500 Besuchern das 5. stärkste in Italien in dieser Hinsicht, Zahlen welche jene vor der Pandemie - 2019 waren es 831.000 - noch übertreffen. Wenngleich es auch Möglichkeiten zu vergünstigtem oder kostenfreiem Eintritt und laufende Spesen gibt, so liegt bei einem Vollpreis für den Eintritt von 18 Euro die Vermutung nahe, dass ein Museum dieser Größe auch als Wirtschaftsfaktor gesehen werden kann. Das Interesse am Halten der eigenen Sammlung ist daher groß. Der italienische Ägyptologe Christian Greco hätte der Frage nach dem Eigentumsrecht aus heutiger Sicht und der Frage möglicher Restitutionen gerade hier, im Kleinen, vielleicht freier begegnen können, als im eigenen Museum in Turin. Die Chance verstreicht ungenutzt.

  • Antichi egizi, TreviLab: Die letzen Stücke der Ausstellung richten einen Fingerzeig auf die Vermischung der „ägyptischen“ Kultur mit griechischer und römischer. So entstehen Mischgöttinen wie diese Foto: Daniele Fiorentino/TreviLab
  • Ernesto Schiaparelli, Direktor des Museums zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wird an einigen Stellen in Zusammenhang mit der Provenienz der Objekte genannt. Da ist dann nur ein Satz, dem nichts mehr hinzugefügt wird. Etwa zu den Abkommen für Ausgrabungen in jener Zeit (man teilte Funde zu gleichen Teilen mit den ägyptischen Behörden), muss man sich selbst informieren. Für zukünftige Ausstellungen darf man auf mehr Mut zur Diskussion hoffen: Das fegt den Staub aus den Museen und hält diese im Bewusstsein der Menschen lebendig und zeitgemäß.

  • „Antichi Egizi: i maestri dell’arte“ kann im Bozner TreviLab von Montag bis Freitag, jeweils zwischen 9 und 18 Uhr bei freiem Eintritt besucht werden. Die Ausstellung läuft noch bis zum 10. Dezember.

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Profil für Benutzer Andrea Terrigno
Andrea Terrigno Do., 28.09.2023 - 16:02

ahia.
in italietta é impossibile avviare un discorso pacato con gruppi agroalimentari il cui unico interesse è quello di espandere e competere a livello globale, a costo di investire somme astronomiche in campagne e iniziative pubblicitarie per evitare che l'immensa macchina rallenti.
basti pensare alla conversione verso forme agricolturali non intensive/non industrializzate.
il libro ancora non l'ho letto, ma mi pare che come al solito, quando si vanno a scoprire certi altarini dell'indottrinamento di massa e a toccare interessi di colossi finanziari (altro che economia reale), si finisce reietti e §pu##anati.

Do., 28.09.2023 - 16:02 Permalink