Politik | Sonderweg

Enscheidungsträger = Entscheidung tragen

Ganz Südtirol kommentiert in diesen Tagen den Kurs der Landesregierung, der fast schon einem Elchtest gleicht.
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Dem " Südtiroler Sonderweg" stand ich immer schon skeptisch gegenüber. Eine Pandemie bekämpfen, indem man sich auf das Lokale zurückzieht, schien uns widersinnig. Hätte man sich eingeordnet, in das größere Ganze (z.B. den hierzulande verhassten und verhämten italienischen Staat), dann hätte man heutzutage vielleicht nicht nur weniger Zorn in der Bevölkerung, sondern auch - vielleicht - weniger Infektionen und mehr Planbarkeit.

Der Sonderweg ist dem LH auf den Kopf gefallen, das ist fix. Die Rivalitäten innerhalb der SVP, das Nahverhältnis zu den Verbänden, die Machtansprüche einzelner Funktionäre und Regierungsmitglieder, das alles ist nun richtig aufgebrochen.

Angesichts der Lage nützt es nun nicht viel, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Was mich aber wundert und negativ erstaunt, ist das Wording in diesen Tagen. Man hat also beschlossen, die Bars und Gastbetriebe zu schließen. Eine überaus unbeliebte Entscheidung, vor allem angesichts der noch vor kurzem beschwichtigenden und beruhigenden Aussagen.

Schlimm ist die Begründung. Der LH sagt nicht: "Liebe Leute, wir haben schlechte Zahlen (heute: 562 Neuinfektionen!), wir kriegen die Situation nicht in den Griff. Da wir schon beschlossen haben, einen eigenen Weg zu gehen, müssen wir nun Verantwortung übernehmen und wieder zurückschrauben." Ich hätte mir so einen Diskurs erwartet. Indessen gibt es Ausflüchte, Schwäche, Verantwortungsabschiebung. „Wir kriegen sonst keine Beiträge.“ „Der Staat…!“  „Die EU…!“ Oder, noch schlimmer: „Hätten wir epper weniger testen sollen, um bessere Zahlen zu präsentieren?“

Diese Argumentationen sind nicht einer Regierung von erwachsenen Männern würdig. Sie klingen nach einem vorpubertierenden Jugendlichen, der weiß, dass er Schimpfe kriegt und schon einmal ebenso präventiv wie fadenscheinig verteidigt.

Unwürdig ist das, der derzeitigen Situation, den Einschränkungen, der Angst und der Existenzprobleme gegenüber. Auf die Entscheidungsträger*innen draufhauen, zumal in diesen schwierigen Zeiten, ist mieser politischer Stil und wir versuchen das zu vermeiden. Aber, appunto, es geht darum Entscheidungen zu tragen. Hinter dem zu stehen, was man macht, ist der halbe Konsens. Ohne wird’s nicht gehen.

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Herta Abram Fr., 29.01.2021 - 10:56

Danke Frau Foppa! ..."Aber, appunto, es geht darum Entscheidungen zu tragen. Hinter dem zu stehen, was man macht, ist der halbe Konsens. Ohne wird’s nicht gehen."
Oder sind wir Menschen - als Art, möglicherweise einfach nicht intelligent, solidarisch und weitsichtig genug, zukunftswegweisende Krisen zu managen.

Fr., 29.01.2021 - 10:56 Permalink
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△rtim post So., 31.01.2021 - 12:39

"Wir Grüne sind dem Südtiroler Sonderweg immer schon skeptisch gegenüber gestanden." Damit ist die Position der Grünen auch schon zusammengefasst und deckt sich mit der Position von Urzì & Co.: Es werden nicht die individuellen Entscheidungen der Landesregierung kritisiert, die durchaus Kritik bedürfen. Sei es, weil Entscheidungen aufgrund fragwürdiger Interpretation der wissenschaftlichen Daten getroffen werden oder sei es weil Entscheidungen ohne wissenschaftliche Grundlage auf Druck von Verbänden getroffen werden. Dadurch ließe sich konstruktive Oppositionsarbeit betreiben (aber damit lässt sich halt schlechter populistische Stimmung bei den eigenen Anhängern machen). Nein, nicht diese werden kritisiert, sondern lediglich die "Frechheit" die sich die Landesregierung heraus nimmt, die ihr gegebenen Befugnisse der Autonomie zu nutzen. Die Grünen vertreten damit nur dieselbe autonomiefeindliche Haltung wie die Postfaschisten & Co., die jede autonome Entscheidung der Landesregierung nur deshalb kritisieren, weil sie von der nationalen Vorgabe in Rom abweicht. Siamo in Italia! Ebenso wie STF & Co. jede Entscheidung der Landesregierung kritisieren, die sich mit den Vorgaben der römischen Regierung deckt. Süd-Tirol ist nicht Italien! Anstatt sich konstruktiv damit auseinander zu setzen, welche Maßnahmen der besonderen Situation Südtirols gerecht werden, wird seitens der gesamten Opposition lediglich Bashing betrieben. Ich wüsste im letzten Jahr keinen sinnvollen Vorschlag der Opposition, auf welcher Datengrundlage etwa welche Lebensbereiche eingeschränkt werden sollen oder eben nicht."
Ich fürchte Peppi Mair hat mit seinen Ausführungen oben recht.
Was haben die Bozner Grünen konkret bislang getan, damit Brüssel und Rom massiv die Impfdosen für das epidemiologisch dunkelrote Südtirol erhöht, die letzthin sogar über 57% gekürzt wurden?

Vernunftgeleitete und pragmatische Positionen haben es schwer. Ebenso der Zusammenhalt hierzulande. Selbst in diesen Zeiten. Mit bösartigen Unterstellungen und Zuschreibungen als Teil der ideologischen Inszenierung und Selbstvermarktung punktet man offensichtlich besser. Leider.

So., 31.01.2021 - 12:39 Permalink