Gesellschaft | Corona

Römische Watschn

Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass Teile der Südtiroler Coronabestimmungen verfassungswidrig sind. Wirte dürfen die Gäste nicht nach dem Green Pass fragen.
Green Pass
Foto: upi
  • Noch ist es ein Schneeball, der aber schon bald zu einer Lawine werden könnte.
    Denn das Verfassungsgericht hat sich jetzt zum ersten Mal mit den Südtiroler Sonderbestimmungen befasst, die Landeshauptmann Arno Kompatscher zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie erlassen hat. 
    Am heutigen Donnerstag wurde das Urteil hinterlegt. Es ist ein Watschn für die Südtiroler Gesetzgebung. Denn die Verfassungsrichter sind zum Schluss gekommen, dass die angefochtenen Bestimmungen klar verfassungswidrig sind.
    Obwohl es in diesem Verfahren nur um einen Teilaspekt der Südtiroler Verordnung geht, kann man diese Entscheidung aber durchaus als Präzedenzfall für andere Rekurse sehen. Zu befürchten ist, dass dies nicht die einzige Entscheidung des italienischen Höchstgerichtes   bleiben könnte, mit der man die Südtiroler Verordnungen demontiert.

  • Meraner Pizzeria

    Landesgericht Bozen: Zivilrichter hat das Verfassungsgericht angerufen. Foto: Seehauserfoto

    Den Schneeball ins Rollen brachte dabei der Betreiber einer Meraner Pizzeria. Am 26. November 2021 wird der Wirt von der Meraner Finanzwache bestraft, weil er seine Kunden nicht nach dem Green Pass gefragt hat. Das Land stellt dem Pizzeria-Betreiber am 17. Jänner 2022 deshalb eine Strafe von 400 Euro aus. Zudem verfügt man die Schließung der Pizzeria für zehn Tage.
    Dagegen wehrt sich der Gastronom und zieht gegen die Strafen vor das Bozner Landesgericht. Sein Anwalt Luca Crisafulli wirft im Verfahren die Frage der Verfassungswidrigkeit der Südtiroler Bestimmungen auf und der zuständige Zivilrichter ruft am 12. Mai 2023 das Verfassungsgericht an. 
    Am 21. Februar 2024 befasst sich das Verfassungsgericht mit dem Fall. Am heutigen Donnerstag wurde das Urteil hinterlegt. In dem Urteil 50/2024 kommt der Richtersenat zum Schluss, dass dieser Passus des Südtiroler Landesregierung gegen die Verfassung verstößt.

  • Südtiroler Irrweg

    Im Urteil heißt es:

    „Nel caso di specie, la disciplina sostanziale è quella delle misure di contrasto alla pandemia e, in particolare, dell’utilizzo della certificazione verde, disciplina, questa, che è già stata ricondotta espressamente alla competenza esclusiva statale in materia di profilassi internazionale. ..[…].. Il legislatore provinciale, dunque, nel disciplinare le conseguenze sanzionatorie della violazione dell’obbligo di controllo del green pass, ha invaso la competenza legislativa esclusiva dello Stato in materia di profilassi internazionale.“

    Vor diesem Hintergrund erklärt das Verfassungsgericht die Artikel 36 und 37 des Landesgesetzes Nr. 4 vom 8. Mai 2020 „Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-COV-2 in der Phase der Wiederaufnahme der Tätigkeiten“ für verfassungswidrig. 

  • Urteil des Verfassungsgerichtes: Nicht Kompetenz des Landes. Foto: SALTO
  • Artikel 36 lautet:

    Die Nichtbeachtung der in diesem Gesetz festgelegten Maßnahmen wird gemäß den Bestimmungen laut Artikel 4 des Gesetzesdekrets vom 25. März 2020, Nr. 19, bestraft.

    In Artikel 37 hingegen heißt es:

    Die Aussetzung der Tätigkeiten laut Absatz 19 wird für 10 Tage vom Landeshauptmann verfügt. Diese Aussetzung wird auch bei Nichteinhaltung der Maßnahmen laut Anlage A verfügt.“

    Das Verfassungsgericht hat die beiden Bestimmungen aufgehoben. Das heißt auch die Strafen werden annulliert.

     

    "Bricht jetzt der sogenannte „Südtiroler Weg“  zusammen?"

     

    Die große Frage lautet jetzt aber: Ist das nur der Anfang? 
    Denn es behängen noch eine ganze Reihe von Rekursen am Bozner Landesgericht gegen Strafen wegen Covid-19-Maßnahmen. In einigen Fällen wurde dabei ebenfalls das Verfassungsgericht angerufen wurde. Kommt das Höchstgericht auch dort zur selben Entscheidung, dass es nicht Aufgabe des Landes ist, sogenannte Coronasünder zu bestrafen, dann bricht der sogenannte „Südtiroler Weg“  wie ein Kartenhaus ins sich zusammen.

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Stereo Typ Do., 28.03.2024 - 14:03

Tja, auch die Journalisten hätten damals ja so einige Bestimmungen und Maßnahmen hinterfragen können, anstatt den Politikern nach dem Mund zu reden. Jetzt, nachdem alles vorbei ist, kommt das große Aufdecken.

Do., 28.03.2024 - 14:03 Permalink
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Manfred Klotz Fr., 29.03.2024 - 06:34

Antwort auf von Gerold FIEDLER

Nein, so wie Sie das darstellen ist es nicht. Auch der Aspekt der Verfassungswidrigkeit hat verschiedene Nuancen. Es ist weit weniger problematisch wenn es, wie eben hier, um eine Kompetenzüberschreitung geht, also um einen verwaltungstechnischen Fehler, als wenn es um einen Eingriff in Grund- oder Menschenrechte geht, die im Grundgesetz festgeschrieben sind. Verfassungswidrig bleibt also nicht verfassungswidrig in dem Sinn, dass alle Übertretungen gleich gewichtet sind.
Bevor es zu Jubel unter den Maßnahmengegner kommt, ist festzuhalten, dass die Maßnahme als solche (also der Green Pass), mit diesem Urteil, indirekt als verfassungskonform erklärt wird, denn beanstandet wird eben nicht die Maßnahme, sondern die Frage der Kontrollpflicht und des fehlenden Verweises auf das Staatsgesetz (das die gleichen Maßnahmen anordnete), das laut Richterkollegium aber das einzig gültige Gesetz in diesem Zusammenhang ist.

Fr., 29.03.2024 - 06:34 Permalink
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Hanspeter Holzer Do., 28.03.2024 - 16:19

"Wirte dürfen die Gäste nicht nach dem Green Pass fragen."
Soso. Interessantes Fazit. Zu der Zeit kam man in Italien auch außerhalb von Südtirol kaum in ein Lokal, ohne dass man seinen Green Pass scannen ließ.
Laut dem, wie ich das Urteil lese, geht es hier eher um die Kompetenz, zusätzliche Maßnahmen und/oder Sanktionen zu erlassen.
Also der übliche Steit darüber, was eine Provinz sich gegenüber dem Zentralstaat erlauben darf. Seit vielen Jahren die Standardvorgangsweise im Sinne des Zentralismus - vor allem gegenüber Südtirol... ;-)

Do., 28.03.2024 - 16:19 Permalink