Gesellschaft | Kinderbetreuung

Ein immer lauterer stiller Schrei

Heuer gibt es keinen vom Land organisierten Sommerkindergarten. Aus der Opposition kommt Kritik, während bei vielen Eltern die Verzweiflung wächst.
Kindergartenkinder
Foto: Pixabay

1.200 Kinder in 23 Gemeinden stehen nach der gestrigen Entscheidung vor verschlossenen Türen. Denn das Land wird heuer keinen Sommerkindergarten organisieren. Was mit den bereits eingeschriebenen Drei- bis Fünfjährigen – 1.200 an der Zahl – passieren wird, ist offen. Der Vorschlag von Landesrat Achammer: Das Kindergartenpersonal, das sich üblicherweise im Sommerkindergarten tätig war, soll private Trägerorganisationen unterstützen – freiwillig, wie Achammer betont.

Doch in der Opposition glaubt man nicht, dass es eine Sommerbetreuung für alle geben wird, wie vonseiten der zuständigen Landesräte versprochen worden war.
Für Maria Elisabeth Rieder (Team K) kam die Nachricht nicht überraschend: “Es hat bereits seit Tagen gebrodelt und Gerüchte gegeben – nach der Absage der Sommerprojekte der Bildungsdirektion für Grund- und Mittelschule war der Rückzug aus dem Sommerkindergarten zu erwarten.”
Rieder spricht von einem “Schlag ins Gesicht für weitere 1.200 Kinder und ihre Eltern”. “Was ist mit dem Versprechen, dass niemand im Regen stehen gelassen wird?”, fragt sie sich. Es sei kaum zu erwarten, dass die Sommerbetreuung zustande kommt.

 

“Bei dieser großen Unsicherheit bleibt vielen Familien nichts anderes übrig als sich selbst, im eigenen Familiennetzwerk, mit Babysittern oder mit befreundeten Familien zu organisieren”, befürchtet Rieder. In einem Beschlussantrag, der übernächste Woche im Landtag behandelt wird, schlägt Team K vor, “all diesen Familien eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Denn durch die Absage einiger Projekte und den zu erwartenden Rückzug vieler angemeldeter KInder, wegen dieser unsicheren Organisation, werden vermutlich auch Gelder frei”.

“Ich weiß, dass Anbieter und Gemeinden unermüdlich daran arbeiten, ein Angebot auf die Beine zu stellen, auch wenn es durch die – schon wieder – veränderten Bedingungen eine Herkulesaufgabe ist”, fährt Maria Elisabeth Rieder fort. “Den mündlichen Unterstützungszusagen der Landesregierung müssen endlich Taten folgen.”

Das sehen längst auch immer mehr Eltern im Land so. Mit Petitionen, Schreiben an die Politik und stetigem Nachhaken in den sozialen Netzwerken versuchen viele, ihren Anliegen, Bedürfnissen und dem steigenden Frust Ausdruck zu verleihen. Zuletzt wandte sich eine Gruppe Eltern aus Meran mit einem offenen Brief an den Landeshauptmann und die Landesräte:

“Die Politik (und sogar offizielle VertreterInnen von Familieninteressen) vertraut darauf, dass Eltern allein zurecht kommen. Und irgendwie – so die Hoffnung der zuständigen PolitikerInnen – wird diese Rechnung auch aufgehen, weil Eltern immer für ihre Kinder da sind. Nachsatz: Bis zum Zusammenbruch. Und darunter leiden Arbeit und Kinder. (…) Wir sind müde, weil wir gezwungen sind die Last des Systems zu tragen, ohne überhaupt gefragt worden zu sein. Unsere Stimme mag zwar leiser sein, als die von Unternehmer- oder Wirtschaftslobbys. Sie ist ernst zu nehmen. Es ist ein stiller Schrei, von jenen, die alles geben. (…) Wir wünschen uns, dass unsere Anliegen ernst genommen werden. Wir wünschen uns auch mehr Entscheidungsmacht und finanzielle Unterstützung. Mögen Sie nun unverzüglich dazu übergehen, ganzheitliche, familienzentrierte Sachpolitik zu betreiben, die das Wohl und die Gesundheit der Familien in den Mittelpunkt stellt.”

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Elisabeth Hammer Do., 28.05.2020 - 20:04

Ganz ehrlich - das Thema, das hinter all diesen Entscheidungen offensichtlich steht, ist: Frauen, zurück an den Herd! Eine ordentliche Betreuung für die Kinder von berufstätigen Eltern zu organisieren ist ein hochpolitisches Thema. Wenn man an einer Gesellschaft interessiert ist, in der Mann und Frau gleichberechtigt am Erwerbsleben teilnehmen können, dann ist Kinderbetreuung nicht die letzte Aufgabe, um die sich die Politik kümmert, sondern eine der ersten. Kinderbetreuung zu garantieren ist für uns als Gesamtgesellschaft wichtig. Welche Antwort gibt die Politik, wenn vielleicht die ein oder andere Krankenschwester, Altenpflegerin, Mitarbeiterin in einem Betrieb nach reiflicher Überlegung und angesichts des Chaos, welches im Herbst mit der Wiederaufnahme des Schulbetriebs droht, ihre Erwerbsarbeit an den Nägel hängt. Wer arbeitet dann im Krankenhaus? Wer im Altersheim? Kinderbetreuungsfragen gehen uns alle an, auch wenn man keine kleinen Kinder mehr hat. Ich bin zutiefst verwundert, dass der Aufschrei in der Gesellschaft nicht lauter ist. Und ein großes Kompliment an alle Mütter, die bisher den Spagat zwischen Erwerbsarbeit, Familie, Lernberater, Streitschlichter, Aufmunterer, Organisator etc. etc. etc. so halbwegs hinbekommen haben!

Do., 28.05.2020 - 20:04 Permalink