Gesellschaft | Interview

Der Fragensteller

Der neue Dekan der Fakultät für Design und Künste Nitzan Cohen über die Rolle von Designern in der Gestaltung einer nachhaltigeren Gesellschaft.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Cohen, Nitzan
Foto: Uni.bz

salto.bz: Herr Cohen, Sie wurden kürzlich zum neuen Dekan der Fakultät für Design und Künste gewählt. Was bedeutet das für Sie und welche Möglichkeiten eröffnet Ihnen diese neue Position?

Nitzan Cohen: Für mich bedeutet das zunächst einmal mehr Arbeit (lacht). Aber ich arbeite mit Freude daran, denn ich sehe viel Potential in der Fakultät, das bisher schon gut genutzt wurde, aber es gibt natürlich immer noch mehr. Gerade ändert sich einiges an der Universität durch neue Studiengänge, Umstrukturierung usw. und das bietet natürlich interessante Möglichkeiten.

Design- und Kunst ist nicht ein klassisch akademisches Fach, aus diesem Grund stellt sich immer wieder die Frage: Wofür ist Design eigentlich gut? Und da, glaube ich, gibt es noch großen Erklärungsbedarf, den es an uns liegt zu füllen und zu vermitteln, was wir eigentlich machen und leisten. Nicht nur in der Universität, aber auch in einer Gesellschaft.

 

Sie sagen, ich zitiere: 'The designer in our modern consumer-based society is sometimes mistakenly seen as the one who has to feed the system.” Welche Aufgabe hat denn ein Designer für die Gesellschaft?

Unsere Rolle als Designer, aber auch Künstler, ist es das, was existiert, erst mal zu hinterfragen. Nicht im negativen Sinn, aber um einen kritischen Diskurs zu entfalten und die Dinge dadurch voran zu bringen, zu verbessern. Der ideale Designer ist für mich der ultimative Fragensteller, und nicht einer, der wie ein Automat einfach Aufträge ausführt.  Es ist daher wichtig, dass Designer ein Bewusstsein darüber entwickeln, was sie gerade machen oder herstellen und welche Konsequenzen das Produkt auch haben kann.

Design wird häufig auch mit purer Ästhetik verwechselt. Natürlich ist die Ästhetik wichtig und Teil unserer Arbeit, aber es sollte erst zum Schluss kommen. Es geht mehr darum, was Ästhetik haben sollte und warum. Ganz nach dem Prinzip „Form follows Function“.

 

Sie sprechen sich also für nützliches, bewusstes Design aus. Das widerspiegelt sich auch in Ihrem Forschungsschwerpunkt zu nachhaltigem Design, Bio-Materialien und dem Umgang zwischen Verbraucher und Produzent. Themen also, die in unserer Gesellschaft immer mehr diskutiert werden. Glauben Sie, unsere Art zu konsumieren befindet sich im Umbruch?

Ich hoffe mal, dass sich was ändert. Ich glaube wir tun schon etwas, wie zum Beispiel die „Fridays for Future“- Proteste zeigen, aber wir tun noch nicht genug. Ich finde diese Klimabewegung zwar super, aber ich habe das Gefühl, viele sehen es nur als einen Trend, tun aber nicht wirklich was dagegen. Ich glaube, wir behandeln diese Themen einfach noch nicht mit der nötigen Dringlichkeit. Man spricht immer von diesen symbolischen „Fünf Minuten vor Zwölf“, aber eigentlich sind wir schon Drei Minuten danach! Trotzdem ist noch nicht alles verloren.

 

Wie wirkt sich das auf das Berufsfeld Design und seine Aufgaben aus?

Wo Design eine große Rolle spielen kann und soll ist die Aufklärung der Gesellschaft, also der Konsumenten, darüber, was ihr Konsum für Auswirkungen hat. Es gibt keinen „Gutmach-Rabatt“, nach dem Motto: „Ich handle hier gut, also kann ich in dem anderen Bereich tun was ich will.“ Die Leute müssen sich bewusst sein, dass jede ihrer Handlungen Konsequenzen hat. Wenn ich ein Kleidungsstück um 9 Euro kaufe, dann muss ich mir bewusst sein, dass dieses Stück Bekleidung nicht unter sozial gerechten Standards hergestellt wurde.

 

Wie wollen sie diese Prinzipien der Nachhaltigkeit und des fairen Handels als neuer Dekan in die Fakultät einfließen lassen bzw. umsetzen?

Wir wollen jetzt kein Aktivistenprogramm ins Leben rufen. Unsere Fakultät hat die primäre Aufgabe Designer und Künstler von Morgen auszubilden. Ich sehe es aber als einen ganz wichtigen Nebeneffekt, wenn wir durch unsere Arbeit ein Bewusstsein schaffen können und den Nachwuchs in die Lage versetzen zu können, ihre Aufgabe in dieser Hinsicht auch gut zu erfüllen. Aus diesem Grunde bieten wir verschiedene Studienprogramme an, die in Richtung Nachhaltigkeit gehen, und führen auch Debatten darüber.

Was mir auch wichtig wäre, ist, die bestehenden Netzwerke auszubauen und durch neue Partnerschaften Brücken zu schlagen zwischen der Universität, Organisationen und Unternehmen. Denn Nachhaltigkeit ist für mich nicht nur im physischen Sinne, sondern auch im sozialen Sinne durch gute zwischenmenschliche Kontakte. Investitionen in Kultur ist das Nachhaltigste, was eine Gesellschaft machen kann.

 

Wie weit schätzen Sie die Fakultät für Design und Künste der Uni Bozen in dieser Hinsicht ein? Wo liegen noch Schwächen und Bereiche, die Sie gerne verbessern würden?

Ich glaube die Fakultät macht schon ganz gute Arbeit in der Lehre, um diesen Zielen gerecht zu werden. Aber natürlich ist es nie perfekt, und kann immer besser werden. Und mit besser meine ich auch die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen. Und das tun wir auch durch einen ständigen Diskurs, durch Anpassung unserer Programme usw. Wir sind gerade dabei, über eine Erweiterung des Master-Angebotes zu diskutieren, sowohl in anderen Bereichen als auch vertieft in Richtung PhD-Möglichkeiten. Wir wollen uns in den kommenden Jahren also in der Lehre weiterentwickeln, sodass Studierende bei uns das gesamte akademische Lehrangebot erhalten können. Auch die Tatsache, dass es mittlerweile mehr englischsprachige Studiengänge auf Masterebene gibt, zeigt seine Wirkung: Für das kommende Studienjahr haben wir jetzt schon eine viel breitere Anfrage aus der ganzen Welt erhalten. Dadurch können wir einen größeren Bezug zum internationalen Diskurs nehmen.