Wirtschaft | Interview

„Es ist auch ein kulturelles Problem“

CGIL/AGB Generalsekretär Alfred Ebner über die Sonntagsöffnungszeiten.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Fabio Petrini

Salto.bz.: Herr Ebner, welche Auswirkungen hätten Öffnungszeiten am Sonntag für die Südtiroler Gesellschaft?

Alfred Ebner:  Ich möchte erstmal auf etwas zurückkommen. Vor ungefähr 20 Jahren hat man in Südtirol über eine Öffnung Samstagnachmittag diskutiert und jetzt sind wir bei einer Liberalisierung der Öffnungszeiten am Sonntag angekommen. Wenn man das so ohne weiteres hinnimmt, dann kommt das sicher mittel- oder längerfristig zu einer Gesellschaft nach amerikanischem Muster. Also 24 Stunden am Tag offen und der einzig freie Tag bleibt der 25. Dezember. Wünschen wir uns eine solche Gesellschaft? Wenn dem so ist, dann kann man natürlich entsprechende Entscheidungen treffen. Oder wollen wir eine Gesellschaft, nach dem österreichischen Muster, bei denen es noch Ruhezeiten- und Tage gibt. In einer Welt, die sich ohnehin schon sehr schnell bewegt, braucht es auch Momente um zur Ruhe zu kommen, sich familiären Dingen zu widmen und soziale Kontakte besser zu pflegen. Oder um sich für politische, gewerkschaftliche, sportliche oder kulturelle Tätigkeiten zu engagieren. Dafür haben wir hier in Südtirol den Samstag und Sonntag. Die Sonntagsöffnungszeiten hätten auf diesem Gebiet sicher auch Auswirkungen. Wenn der Handel dies generell durchbringt, dann verändern sich auch viele andere Dienste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Verkehrsbetriebe dann einen Samstag- und Sonntag-Turnus einhalten, oder die Banken geschlossen bleiben können. Also hätte es auch längerfristige Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und daher braucht es Überlegungen, was man effektiv will.  

Im Artikel der Südtiroler Wirtschaftszeitung vom 4. August bringt Christian Pfeiffer die Frage auf, ob sich Konsumentenwünsche durch gesetzliche Regelungen künstlich unterdrücken lassen? Außerdem betont er in Bezug auf Südtirol als Tourismusland: „ Damit sich die einen unterhalten bzw. Dienste in Anspruch nehmen können, müssen die anderen arbeiten. Punkt.“  Was sagen sie dazu?

Ganz sicherlich hängt es auch vom Kunden ab. Wenn niemand am Sonntag einkaufen würde, dann erledigt sich das Problem von selbst. Andererseits glaube ich schon, dass man bei wichtigen Dienstleistungen unterscheiden muss, also bei Leistungen, die die Person betreffen. Niemand würde vorschlagen ein Krankenhaus sonntags zu schließen, oder den Verkehr abzustellen. Es gibt wichtige Dienstleistungen, die man aufrechterhalten muss. Dann gibt es bestimmte Dienste, die in einem Tourismusland berücksichtigt werden müssen und darüber diskutiert eigentlich niemand. Man kann in Tourismuszentren während der Saison nicht die Geschäfte schließen. Ob man aber generell um einzukaufen eine Sonntagsöffnung braucht, darüber lässt sich diskutieren. Ich glaube nicht, dass dies eine wichtige Leistung sozialer Natur ist oder, dass laut Verfassung die Geschäfte am Sonntag offen sein müssen, damit man einkaufen kann. Dabei gebe ich zu bedenken, dass es  häufig gar nicht ums Einkaufen geht. Es ist traurig, dass Einkaufen für Familien Freizeitgestaltung ist. Es sollte sinnvollere Dinge geben, und die gibt es auch, um die Sonntage zu verbringen. Es gibt auch andere wirtschaftliche Überlegungen, die Südtirol betreffen.

Welche?

Zum Beispiel wird die Notwendigkeit einer Nahversorgung immer betont. In Deutschland ist es schon der Fall, dass es im ländlichen Raum unterstützende Leistungen von Genossenschaften oder der öffentlichen Hand für die Bürger und Bürgerinnen braucht, weil in einem Umkreis von 50 Kilometern kein Geschäft mehr ist, in dem man Lebensmittel und die Dinge für den täglichen Bedarf besorgen kann. Besonders für ältere Personen ist dies ein Problem. In den Dörfern zum Beispiel wäre es dann für eine ältere Person, die nicht mobil ist und keine Verwandten hat die die Einkäufe erledigen, sehr schwierig in ihrem zu Hause zu bleiben. Die Nahversorgung ist sicherlich ein wichtiges Thema. Wenn ich am Sonntag offen halte, dann kann das für das Einkaufszentrum einen größeren Umsatz bedeuten. Aber grundsätzlich gilt: was ich am Sonntag kaufe, kaufe ich unter der Woche in meinem Geschäft in der Peripherie nicht. Und wenn das Land Südtirol hier bereits mit öffentlichen Geldern und Beiträgen investiert, um die Nahversorgung aufrecht zu erhalten, dann müsste die Politik auch einige Überlegungen anstellen, wie man dieses Netz an Nahversorgung in Südtirol so gut wie möglich aufrechterhält. Hier sind Sonntagsöffnungen sicher ein Problem. Die Konkurrenz für die kleinen Geschäfte sind nicht nur der Preis, sondern auch die Parkplätze, die Verkaufsflächen und die Öffnungszeiten. Für die Wirtschaft und die Handelsstruktur hat eine Sonntagsöffnung sicherlich Auswirkungen, das kann niemand abstreiten. Letztendlich hängt der Konsum immer damit zusammen, wie viel Geld ich in meiner Brieftasche habe. Die erweiterten Öffnungszeiten bewirken, dass die Kunden verstärkt ins Kaufhaus gehen. Da ich aber nur ausgeben kann, was ich effektiv in der Brieftasche habe  verschiebt sich nicht so sehr das Kaufverhalten, sondern man gibt das Geld, welches man sonst vielleicht beim eigenen Geschäft im Dorf ausgegeben hätte einfach wo anders aus. Ich glaube nicht, dass durch eine Sonntagsöffnung sich gesamtwirtschaftlich etwas ändert. Das Konsumverhalten anzukurbeln war ja damals die Grundidee der Regierung Montis, um das Bruttoinlandsprodukt bewegen zu können. Tatsache ist, dass wir eine sehr niedrige Inflation haben, was bedeutet, dass die Leute eher weniger ausgeben als früher.  

Wie stehen die Angestellten zur Thematik?

Wir haben sehr viele Rückmeldungen, besonders von Frauen, weil im Handel einfach viele Frauen beschäftigt sind. Diese haben Familie und wenn sie regelmäßig am Sonntag arbeiten, dann wirkt sich das auch nicht unbedingt positiv auf das Familienleben aus. Das gilt sicher auch für andere Bereiche. Es gibt sicherlich einige Angestellte, die am Anfang ihrer Karriere stehen und denen es gut geht, wenn sie am Sonntag etwas mehr verdienen. Aber grundsätzlich stehen die Angestellten nicht unbedingt positiv zu diesem  Thema. Es gibt viele die uns fragen, wie sie diese Sonntagsöffnung umgehen könnten. Und hier stehen wir voll hinter den Angestellten. Schaut man auf die Tourismusgemeinden, wo die Sonntagsöffnung bereits lange Tradition hat, sind die Auswirkungen natürlich geringer. Man muss aber auch bedenken, dass es dann auch wieder Zeiten gibt, wo die Saison am Ende ist und man wahrscheinlich einiges nachholen kann, denn es gibt auch Zeiten, in denen das Geschäft ruht. Besonders in Bozen und in den Kaufhäusern gibt es kaum positiven Rückmeldungen von Seiten der Bediensteten, besonders wenn die Öffnung zur Normalität wird.

Wie glauben sie, geht die Debatte weiter?

Ich finde es momentan ein kulturelles, als auch ein wirtschaftliches Problem ist. Der Grundsatz ist, solange wir immer fleißig am Sonntag einkaufen gehen, wird es natürlich sehr schwierig sein, einschneidende Maßnahmen durchzubringen, außer die Politik greift hier in Südtirol ein, was ja gerade die Diskussion ist. Es gibt auch innerhalb der Kaufleute sehr unterschiedliche Meinungen. Deswegen glaube ich, dass die Politik, sollte sie die Möglichkeit von Rom bekommen hier irgendwas zu ändern, dies dann auch tun wird. Natürlich wird die Konkurrenz durch die EU und das Staatsgesetz geregelt und nicht so sehr durch lokale Gesetze. Deshalb wird die Materie immer eher wackelig sein, aber möglich ist es schon.