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Die Esel von Asinara

Die Insel Asinara war viele Jahre Verbannungsinsel für Gefangene. Heute kommen die rund 80.000 Tagesbesucher vor allem wegen der besonderen weißen Esel. Aber nicht nur.
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Foto: Foto: Salto.bz

Bis Mitte der 1990er Jahre wurden in Asinara, im Nordwesten Sardiniens, an verschiedenen Standorten der Insel Verbrecher festgehalten und eingesperrt. 300 aufgelassene Sicherheits-Bauwerke erinnern an die über hundert Jahre Gefangeneninsel. Die Militärarchitektur ist immer noch spürbar, auch wenn sich die Tiere und Pflanzen die Insel zurückerobern. Allen voran: Weiße Esel.

Wann und wie die weißen Esel die Insel besiedelten ist nicht geklärt: „Sie haben dunkelblaue Augen, die sehr lichtempfindlich sind.“ erzählt Pierpaolo Congiatu, Leiter des Naturparkgebietes:Im Sommer leiden die Esel sehr und suchen sich schattige Plätze.“
Die Gruppe der weißen Esel, die sich aus rund 150 Exemplaren zusammensetzt, besetzt den südlichen Teil der Insel. Rund 250 graue kleine sardische Esel wohnen hingegen im Norden der Insel, wo es etwas wilder ist. Neben Tieren wird Asinara lediglich vom ehemaligen Gefängniswärter Gianmaria Deriu bewohnt. Er sagt: „Ich fühle mich wie einer der letzten Zeitzeugen dieses Ortes. Ich liebe diese Insel und ich finde, dass ich hierher gehöre. Wegzugehen schaffe ich nicht.“

Der Historiker Luca Gorgolini hat vor wenigen Jahren im Buch Kriegsgefangenschaft auf Asinara: Österreichisch-ungarische Soldaten des Ersten Weltkriegs in italienischem Gewahrsam eine umfassende Dokumentation der Ereignisse in Asinara vor 100 Jahren vorgelegt.
Während des 1. Weltkrieges berichteten auch lokale Zeitungen immer wieder von der Insel, etwa die Bozner Nachrichten im Juli 1918:

„Die Insel Asinara selbst ist jedoch weiter in ihrer Bestimmung zur Internierung österreichisch-ungarischer Kriegsgefangenen verblieben. Die sanitären Zustände auf Asinara sind skandalös. Jeden Sommer werden zahlreiche Malariafälle konstatiert.“

Bereits im Oktober 1915 kamen knapp 5000 Angehörige der k.u.k.-Armee nach einer Odysee in Kriegsgefangenschaft und später ums Leben. Sie wurden in Asinara, meist in Massengräbern, begraben. Auch viele Soldaten aus dem Tiroler Raum.

Ende August 2017 machte eine Schützen-Abordnung aus Südtirol um Fritz Tiefenthaler und Elmar Thaler einen Lokalaugenschein auf der Insel und besuchte das Ossarium, die österreichisch-ungarische Gedenkstätte, welche 1936 im Auftrag der damaligen österreichischen Regierung erbaut wurde, sowie die Kapelle von Cala Reale, die von den k.u.k. Kriegsgefangenen errichtet worden war.
Nach der Rückkehr von der Insel in die Berge wurden große Pläne zur Aufwertung der Erinnerung an den 1. Weltkrieg geschmiedet. „Ziel ist es nun, gemeinsam Vorschläge zur Restaurierung dieser Gedenkorte auszuarbeiten,“ hieß es in einer Aussendung Anfang September 2017, „um das Ossarium und die Kapelle im Gedenkjahr 100 Jahre Ende des Ersten Weltkriegs zu renovieren. Auf den genannten Lagerplätzen sollen nach den Vorstellungen der Delegation Gedenksteine an die damaligen Ereignisse erinnern.“

An welchem Punkt der Planung befindet sich die "außergewöhnliche Aktion" nun, Ende August 2018? 
„Das Projekt gliedert sich in zwei Teile. Zum einen möchte das Österreichische Schwarze Kreuz das Ossarium wieder in Stand setzen, wir möchten uns hingegen der Instandhaltung und der Außengestaltung der Cappella Austroungarica widmen” antwortet Elmar Thaler auf Nachfrage von salto.bz, und führt weiter aus: „Falls realisierbar, ist auch angedacht an den Stellen der einzelnen Lager ein Zeichen der Erinnerung zu errichten.“ 
„Si, una delegazione tirolese ha tentato lo scorso anno una strada per il recupero di alcuni monumenti della prima guerra mondiale, Ma per ora senza risultato.”
kommentiert der Verantwortliche der Insel Pierpaolo Congiatu den Tatbestand genau ein Jahr nach dem Lokalaugenschein.

Ob und wann die alten österreichisch-ungarischen Erinnerungsdenkmäler auf Asinara in neuem Glanz erscheinen werden? War das angepeilte Jahr 2018 gutgemeinte Effekthascherei? 
Bis zur Umsetzung möglicher Renovierungsarbeiten auf der Esel-Insel, soll die kriegerische Erinnerungskultur auf Asinara inzwischen von der nachfolgenden, heiteren Kriegsgeschichte, wachgehalten werden. Sie handelt nicht von weißen Eseln mit blauen Augen, sondern von zwei Soldaten, die sich im Sommer 1916 auf Asinara als Ehemänner derselben Frau gegenüberstehen. Die skurrile Meldung schaffte es in viele Zeitungen im damaligen Pressewald:

„Unter den Kriegsgefangenen Österreichern in Asinara befinden sich zwei Soldaten, die in dem seltenen Verhältnisse stehen, dass beide Ehemänner einer und derselben Frau sind. Der erste, gleich zu Kriegsbeginn eingerückte Ehemann geriet im August 1914 schwer verwundet in serbische Gefangenschaft, wurde jedoch wiederhergestellt. Die Gattin hatte aber die amtliche Verständigung erhalten, dass ihr Mann gefallen sei und vermählte sich zum zweiten Mal. Bei der folgenden Musterung wurde auch der Ehemann Nummer zwei als geeignet befunden und rückte ein. Er kam an die Südostfront und geriet ebenfalls in serbische Gefangenschaft. Nach dem Rückzug der Serben an die Adria wurden die beiden Ehemänner, die bis dahin einander nicht kannten, auf die Insel Asinara gebracht, wo sie in das gleiche Quartier kamen. Eines Tages erhielt der Ehemann Nummer zwei von seiner Gattin ein Liebesgabenpaket und die Fotografie seiner Familie. Das Bild machte unter den Kriegsgefangenen die Runde und kam so schließlich auch in die Hände des Ehemannes Nummer eins. Nach einem lebhaften Wortwechsel versöhnten sich die beiden "Verwandten" und verzehrten gemeinsam die Liebesgaben der gemeinsamen Gattin.“
Ein Happy End in bitteren Kriegszeiten.