Kultur | Ausstellung

Junge Einflüsse

Bei der Eröffnung von „FLUX: Sammlung II“ war der Blick nach vorne gerichtet: Auf das kommende Wochenende und Jahr. Im Ausstellungsteil sah man neue Blicke auf den Fluss.
"Lungo il fiume" di Amedeo Sartori
Foto: Amedeo Sartori - Courtesy Lungomare
Dass alles fließt, wusste schon Heraklit. In der Galerie Lungomare hat man die alte Weisheit ein wenig auch zur Vorgehensweise für den auf die Jahre 2022 und ’23 angelegten Themenschwerpunkt angewendet: Jungen, unverbrauchten Perspektiven hat man im Vergleich mit der halb-künstlerischen, halb-historischen Schau von Teil 1 den Vorrang gegeben. Die bereits dagewesenen Projekte (Corrent, Thalheimer, Waiz, Unterfrauner) nehmen sich zurück, machen Platz frei. Etwa für Luca Weste, der mit seiner gleichnamigen Foto-Reportage dem „Maradona“ genannten Lebenskünstler, der unter der Autobahnbrücke, im urban verwahrlosten Raum einen rosa DIY-Raum geschaffen hat. Die Bilder von Maradona und seiner flussnahen Umgebung werden ergänzt durch verschriftlichte O-Töne, welche auch ein Stück weit den Lebens- (und Weltenweg) des Berbers und mittlerweile Wahlbozners, nachzeichnen. Weste hatte sich mit seinem Projekt bei der Ersteröffnung der Fluxausstellung, Ende Mai vorgestellt und so Eingang in das Projekt gefunden.
 
 
Weniger prominent die Sujets von Amedeo Sartori, der dem Fluxteam im April zufällig - am Fluss - begegnet war. Seine Tätigkeit, die sich seit April des vergangenen Jahres auf das Flussufer der Trientstraße, sowie die gegenüberliegende Seite, am Zusammenfluss von Talfer und Eisack konzentriert und die unter dem Projektnamen „Lungo il fiume“ andauert. Eine Auswahl seiner mehr als 300 „sguardi“ ist zu sehen (Eine der Aufnahmen im Titelbild). Sie zeigen hauptsächlich der Kamera abgewandte, in ein Innenleben oder den Fluss vertiefte Menschen, das Interesse des Fotografen liegt auf (zwischenmenschlichen) Beziehungen, die nur im ungewussten Schnappschuss erkennbar werden, nicht in einer Inszenierung.
Anna Michelotti, die dritte, welche sich über das Medium Fotografie dem Fluss annähert tut dies mit Schwarzweiß-Aufnahmen im Format Fotobuch mit „Overflow“. Der Ort Fluss wird dabei zum Nicht-Ort: erkennbare Landschaftsmarker sind fast gänzlich abwesend, die Bildtiefe ist gering und ein Bildrauschen liegt über den größtenteils Nachts aufgenommenen Einblicken in eine Jugendszene am Fluss. Der Fluss wird dabei auch funktional, für Feiern, Abende und Momente des Rückzugs zu einem Parallel-Ort, der Jugendlichen erlaubt, auf Distanz zu gehen. Dabei wird nicht schöngezeichnet, zu Bildern der Freude gesellen sich auch jene von Müll und Schnapsleichen. Eine, auch ästhetisch, spannende Position.
 
 
Elisa Capellari bietet einen halb-fotografischen Beitrag an, der mit Matteo Jamunno (aka YOMER, Covid-bedingt abwesend) literarisch ergänzt wird. Hier geht es - in Bildern mit Notizen auf einer Plakatwand, aber auch in einer für Kopfhörer eingesprochenen Tonspur - um die Menschen, welche in direkter Beziehung zum Fluss stehen. Es sind Kajakfahrer, Fischer, Gärtner, Tai Chi Gruppen. Dabei kommt in der Tonspur, vielleicht auch dadurch, dass Fotografien den Raum bestimmen, mehr von diesen Begegnungen zum Ausdruck, ein besseres Kennenlernen. Wenngleich die Aussagen der Interviewten mit einer literarischen Überhöhung des Flusses tauschen, sind diese dadurch, dass sie weniger akademisch sind, gern gehört. Die Positionen gemeinsam revolutionieren sicher nicht den Blick auf das städtische Flussgefüge, doch man hat das Gefühl, persönlichen Positionen gegenüberzustehen, die einen klaren Zugang zum Fluss suchen und finden.
Weiters sind die Video-Dokumentation von Sööt/Zeyringers „Semiotik der Flussufer“, neben historischem Kontextmaterial und Vorstellungen laufender und abgeschlossener Projekte auf vertikalen Bannern exponiert.
 
 
Wie geht es nach „FLUX: Sammlung II“ weiter? Mit einer Pause des „aktiven“ Programms ab Montag, zuvor ist in Zusammenarbeit mit dem belgisch-amerikanischem Kollektiv Futurefarmers, das weiter an den Möglichkeiten für zwei permanente Kunstinstallationen an den Flussufern von Eisack und Talfer forscht: „A Meander - (Com)positions with river“. Informationen zum heterogenen Konzert- und Performance-Programm gibt es hier. Im kommenden Jahr soll auch das Projekt „Fiumicina“, welches Ende Juli zwischen Rombrücke und Fahrradbrücke Twenty aktiv wurde, Fortsetzung finden, genau wie die Aktivität von Futurefarmers. Im Print sind zwei Ausgaben einer FLUX-Zeitung geplant, welche auch aus dem Archiv der bereits (auszugsweise) präsentiert worden waren. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Etsch, den Eisack und die Talfer hinab.