Chronik | Grundbuch

Die gesalzene Rechnung

Der Rechnungshof Trient fordert von 19 Beamten der Region fast 5,5 Millionen Euro zurück. Unter den Beschuldigten sind auch eine Handvoll Südtiroler Spitzenbeamte.
Informatik grundbuch
Foto: LPA/Oskar Verant
  • Vor zwei Wochen wurden die Vorhaltungen (Invito a dedurre) insgesamt 19 Personen zugestellt. Es handelt sich dabei um ehemalige und amtierende Spitzenbeamte und leitende Funktionäre der Region Trentino Südtirol und der beiden Länder Trient und Südtirol. Unter den Beschuldigten – für alle gilt die Unschuldsvermutung – finden sich auch der heutige Generaldirektor der Südtiroler Landesverwaltung, Alexander Steiner, der amtierende Generalsekretär des Region, Michael Mayr, der Abteilungsdirektor für Grundbuch und Kataster und langjährige Neumarkter Bürgermeister Alfred Vedovelli und der Amtsdirektor des Landes-Inspektorates für den Kataster, Paolo Russo

  • Generaldirektor des Landes Alexander Steiner:: Im Fokus des Rechnungshofes. Foto: LPA/Barbara Franzelin

    Die Vorhaltungen, die der Staatsanwalt am regionalen Rechnungshof Sektion Trient, Gianluca Albo, in dem 33 Seiten langen Schriftstück erhebt, sind für die Betroffenen finanziell schwerwiegend. Der Staatsanwalt wirft den 19 Beamten und Beamtinnen vor, einen Schaden von genau 5.471.771,64 Euro für die öffentliche Hand verursacht zu haben und er forderte diese Summe, gestaffelt je nach Verantwortung, jetzt zurück.
    Ähnlich wie bei der Rückforderung an Florian Zerzer & Co. rund um den Südtiroler Maskenskandal stützt sich die Staatsanwaltschaft auch in diesem Fall auf einen Ermittlungsbericht der Finanzwache. Im Zentrum der Vorhaltungen steht dabei die Digitalisierung und das Informatik-System der Grundbuch und Katasterämter in der Region Trentino Südtirol.

  • Die Vereinbarung

    Vorhaltung der Staatsanwaltschaft: Fehlende Verhältnismäßigkeit. Foto: Salto

    Das Kataster- und Grundbuchwesen wird über 30 Jahre lang von der Region verwaltet. Mit dem 1. Jänner 2004 geht dieser Bereich dann aber an die beiden Länder Südtirol und Trient über. Mit der Vorgabe eine regionalen Koordination. Dazu wird noch im selben Jahre ein Arbeitsgruppe von Spitzenbeamten der beiden Länder und der Region gebildet, die diese Zusammenarbeit koordinieren soll. Eine der Hauptaufgabe ist dabei in diesen Jahren vor allem die Informatisierung der Kataster- und Grundbuchsämter.
    Diese Aufgabe wird 2007 den beiden Inhouse-Gesellschaften der Länder übertragen: Der Südtiroler Informatik AG (SIAG) und der Trentino Network, heute Trentino Digitale (TD) S.P.A. Ein Jahr später erwirbt die Region dazu in beiden Gesellschaften auch eine konsistente Beteiligung. 
    Die beiden Unternehmen leisten ihre Arbeit durchaus zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber, wobei sich beide Landesgesellschaften – so wie bei solchen Aufträgen durchaus üblich – immer wieder auch auswärtiger, privater Zulieferfirmen bedienen.
    Am 5. Dezember 2016 erlässt der damalige Generalsekretär der Region Trentino-Südtirol. Alexander Steiner, ein Dekret, das eine Konvention und Rahmenabkommen zwischen der Region, den beiden Ländern und den beiden Inhouse-Gesellschaften SIAG und TD vorsieht. Mit diesem Abkommen übernehmen die beiden Gesellschaften drei Aufgaben: Die ordentliche Instandhaltung der Informatik-Systeme, die Entwicklung neuer Anwendungen und die Weiterentwicklung der Onlineplattform, sowie weitere professionelle Dienstleistungen. Im Vertrag wird auch hier festgehalten, dass sich die beiden Landesgesellschaften auswärtiger Dienstleister bedienen können. Dabei wird bei einem solchen Outsourcing den beiden Inhouse-Gesellschaften sogar eine Zusatzahlung von 10 Prozent zu den Preisen dieser auswärtigen Anbieter vertraglich zugesichert.
    Für den Rechnungshof nur ein Beweis mehr, wie fahrlässig man mit öffentlichen Geldern umgegangen ist.

  • Keine Verhältnismäßigkeit

    Regionaler Rechnungshof: Jahrelang vergeblich auf die Unregelmäßigkeiten hingewiesen. Foto: Salto.bz

    Den Fokus der Vorhaltungen legt die Staatsanwalt am Rechnungshof aber auf einen anderen Vorgang. Es ist empfehlenswert, dass öffentliche Verwaltungen Dienstleistungsverträge an ihre Inhouse-Gesellschaften vergeben. Laut den gesetzlichen Vorgaben müssen die Verwaltungen aber auch in diesem Fall die Verhältnismäßigkeit (congruità) der Preise und Zahlungen an diese Unternehmen prüfen. Indem man etwa diese Preise mit jenem am freien Markt oder mit den Vorgaben der staatlichen Vergabeagentur CONSIP vergleicht.
    Genau das hat man in diesem Fall aber laut Vorhaltungen des Rechnungshofes fast acht Jahre lang unterlassen. Wobei erschwerend hinzukommt, dass die Kontrollsektion des Rechnungshofes in ihrem Bericht zum Haushalt der Region mehrmals offen auf die Verletzung dieser gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen hat. Auch aus den internen Protokollen der Arbeitsgruppe, die die Finanzwache sichergestellt hat, geht eindeutig hervor, dass man sich durchaus bewusst war, dass diese Beauftragung an die beiden Landesgesellschaften so nicht rechtens war. In der Vorhaltung der Staatsanwalt werden ein halbes Dutzend Aussagen von einzelnen Mitgliedern zitiert, die in diese Richtung gehen.

  • Die Verschleierungstaktik

    Generaldirektor der Region Michael Mayr: Vorwurf der versuchten Verschleierung. Foto: Region Trentini-Südtirol

    Die Staatsanwaltschaft wirft den 19 Mitgliedern der Arbeitsgruppe aber auch eine klare Verschleierungstaktik (escamotage) vor. Dieser harte Vorwurf gründet zum einen darin, dass man die Jahresprogramme und auch Preise - nicht wie vorgesehen - am Anfang des Jahres festgelegt hat, sondern am Ende des Jahres abgesegnet hat. 
    Zudem musste man reagieren, nachdem der Rechnungshof in seinen Jahresberichten vier Jahre lang auf die nicht überprüfte Verhältnismäßigkeit dieses Auftrages hingewiesen hat. Dabei hat man aber einen Trick angewandt. Die Arbeitsgruppe legte einen Bericht der „Assinter“ vor, der zum Schluss kommt, dass die angewandten Tarife der beiden Landesgesellschaften marktgerecht seien. Dabei weiß man von vorneherein, dass dieser Bericht eine Augenauswischerei ist. Denn die Assinter ist eine Vereinigung der öffentlichen Informatikunternehmen und sowohl die SIAG als auch die TD sind Mitglieder der Assinter. Dass dieser Bericht nicht neutral ist und damit nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, geht selbst aus den Protokollen der Arbeitsgruppe hervor.

  • Trotz dieser klaren Bedenken wurde der Rahmenvertrag aber mehrmals verlängert. Weil der Druck zu groß wurde, besserte man 2019 aber nach. Indem man die Tarife und die Zahlungen an die beiden Unternehmen etwas nach unten korrigiert hat.
    In ihrem Abschlussbericht vom 3. November 2023 weist die Finanzwache aber nach, dass die angewandten Preise immer noch deutlich über dem Marktniveau liegen. Laut den Ermittlungen um bis zum 2,5fachen. Die Ermittler haben für jedes Jahr von 2016 bis 2023 die Mehrkosten genau berechnet. Dabei kommt ein Betrag heraus, der deutlich über der 10-Millionen-Euro-Grenze liegt.

  • Die Rückforderungen

    Weil aber es aber eine fünfjährige Verjährungsfrist gibt, werden in der Vorhaltung aber nur die Jahre 2019 bis 2023 angeführt. Der Rechnungshof hat hier Mehrkosten von insgesamt 5.471,771,64 Euro ermittelt. Diese Kosten fordert der Staatsanwalt jetzt von den 19 Mitglieder der Arbeitsgruppe zurück.
    Wobei man die finanziellen Forderung individuell nach Verantwortung gestaffelt hat. Paolo Amoretti, Leiter der Abteilung IV in der Region, soll 1.558.210,24 Euro zurückzahlen und die Vizegeneralsekretärin der Region, Antonella Chiusole 1.247.900,62 Euro.
    Alexander Steiner von 2015 bis Anfang 2019 Generalsekretär der Region wird mit 527.542,41 Euro zur Kasse gebeten. Paolo Russo, Inspektor für das Kataster im Land Südtirol soll 346.188,76 Euro zurückzahlen. Auch vom Direktor der Abteilung, Grundbuch und Kataster des Landes Südtirol, Alfred Vedovelli, fordert die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof 300.163,51 Euro zurück. Der Nachfolger von Alexander Steiner im Generalsekretariat der Region, Michael Mayr, soll 207.984,14 Euro zurückzahlen. 

  • Abteilungsdirektor Alfred Vedovelli: Forderung von 300.000 Euro. Foto: SALTO

    Dazu kommen noch eine Reihe von Trentiner Beamte, ebenfalls Mitglieder der Arbeitsgruppe. Es sind Robert Revolti (297.605,05 Euro), Sabrina Poli (271.219,65 Euro), Alberto Ravelli (187.420,59 Euro), Cristiana Pretto (158.768,17 Euro), Luca Comper (89.620,91 Euro), Iole Manica (53.660, 60 Euro), Michele Fantini (50.611,33 Euro), Licia Ravelli und Diego Castelli (jeweils 48.583,71 Euro), Franco Beber (30,047,78 Euro), Flavio Margonari (20.563,55 Euro), Roberto Sartori und Fabrizio Russo (jeweils 13.547,88 Euro).
    Das sind die Vorhaltungen der Staatsanwaltschaft am Rechnungshof. Die Beschuldigten haben jetzt 60 Tage Zeit, um ihre Gegenäußerungen zu machen. Am Ende dürfte die Suppe nicht so heiß gegessen werden, wie sie jetzt angerichtet ist.
    Zu einem Verfahren wird es aber mit größter Wahrscheinlichkeit kommen. Vor der rechtsprechenden Sektion des regionalen Rechnungshofes wird sich dann zeigen, ob die Anschuldigungen und Forderungen der Staatsanwaltschaft standhalten oder nicht.

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Josef Fulterer Fr., 29.12.2023 - 06:18

Mit der Disziplinierung der Spitzenbeamten, die allerdings Zeit-näher erfolgen sollte, "werden diese samt den ebenfalls unter die Räder geratenen Politikern, zu einem sorgfältigeren Umgang mit den öffentlichen Mitteln erzogen."

Fr., 29.12.2023 - 06:18 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 29.12.2023 - 07:33

Dumme Frage eines Ignoranten, wer genehmigt diese Gelder, oder kann z. B. ein Alexander Steiner einfach mal so einige Millionen überweisen? Und eine vielleicht noch dümmere Frage, wo geht das Geld hin in dieser Inhouse-Gesellschaft? Wenn diese Gewinne macht, kommt ein Teil des Geldes doch wieder zurück, oder?

Fr., 29.12.2023 - 07:33 Permalink
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rotaderga Fr., 29.12.2023 - 10:04

Antwort auf von Manfred Gasser

Laut "Definition des Stammtisches" sind Inhouse Gesellschaften Konglomerate ohne eigenes Fundament und Dach welche durch das Kondominium - sprich alle- getragen werden. Bevor Gewinne abfallen, erhalten diese Gesellschaften einen neuen Namen, werden von größeren privaten Kapitalgesellschaften zu Spottpreisen ersteigert und öfters gewinnbringend wiederveräußert , und finden ihren Steuersitz in Luxembourg oder Nordirrland. Öfters fließen auch noch jährliche öffentliche Aufträge und Beiträge mit ein. Auch die Gehälter der Geschäftsträger passen sich dabei nach oben an. Vielleicht ist damit ihre Frage beantworte, Herr Manfred Gasser. Wünsche gute und fromme Zeiten.

Fr., 29.12.2023 - 10:04 Permalink
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Gianguido Piani Fr., 29.12.2023 - 10:31

Wer sind die externen Unternehmen? Welche Software bzw. Dienstleistungen wurden angeboten, zu welchem Preis? Einmalzahlungen oder Lizenz-Verträge mit Abo? Viele Salto-Leser haben IT-Erfahrung und können schnell beurteilen, ob alles sauber gelaufen oder etwas verdächtigt ist.
Wo befindet sich das Grundbuch zurzeit? Auf eigenen Rechnern der Provinz oder irgendwo im Cloud?

Fr., 29.12.2023 - 10:31 Permalink
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Otmar Pattis Fr., 29.12.2023 - 13:07

Zurecht oder zu Unrecht? Jedenfalls haben derartige Forderungen zur Folge, dass unsere Beamten, zum großen Nachteil der Bürger, aus Eigenschutz noch vorsichtiger und zurückhaltender werden als bisher und in Zukunft dann gar nichts mehr weitergeht.

Fr., 29.12.2023 - 13:07 Permalink
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pérvasion Fr., 29.12.2023 - 13:18

Unpopular opinion: Dem Rechnungshof müssen (nach dem Vorbild anderer Länder) Grenzen gesetzt werden. Wenn es Unregelmäßigkeiten und Betrug gegeben hat, soll das vor einem ordentlichen Gericht verhandelt und festgestellt werden.

Fr., 29.12.2023 - 13:18 Permalink
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Josef Fulterer Do., 18.01.2024 - 07:06

Bei den Betriebs-eigenen Rechenzentren besteht die erhebliche Gefahr, dass eifrig im Sandkasten mit sehr spärlichen Ergebnissen gespielt + dazu sehr reichlich Technik eingesetzt wird, die listige Anbieter den unbedarften Sandkastren-Spielern unter jubeln -d ü r f e n.
Die überforderten Politiker + leitenden Angestellte (auch in Privatbetrieben) sehen dem kostspieligen Treiben hilflos zu.

Do., 18.01.2024 - 07:06 Permalink