Politik | Korruption

Mehr Schutz für Aufdecker

Wer Missstände in der Landesverwaltung aufdeckt, kann trotz Whistleblower-Gesetzgebung nicht auf den Schutz seiner Identität vertrauen. Das soll sich nun ändern.
Whistleblower
Foto: ofcs.report

Normalerweise sind Landtagsabgeordnete brüskiert, wenn ihnen in Anfragen Informationen oder ein Aktenzugang verwehrt werden. Für den 5-Stelle-Abgeordneten Paul Köllensperger gab es jedoch eine Ausnahme von dieser Regel. Im Mai dieses Jahres wollte er in einer Landtagsanfrage wissen, wie viele Eingaben und Mitteilungen es bislang über die Ende 2015 eingerichteten Whistleblower-Sektion auf der Homepage des Generalsekretariates des Landes gegeben hat. Ein Instrument zur Korruptionsbekämpfung, bei dem sich Köllenspergers Bewegung auch auf nationaler Ebene stark einbringt – vor allem mit einem Anfang 2016 durchgebrachten Gesetzesentwurf, der den Enthüllern oder Hinweisgebern besonderen Schutz gewährt.

So wie der weltweit wohl bekannteste Whistleblower Edward Snowden mit seinen Enthüllungen Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten gab, können Landesbedienstete mittlerweile auch in Südtirol ihre Kenntnis über unerlaubte Handlungen oder Praktiken innerhalb der Verwaltung melden. Damit gemeint sind „insbesondere Korruption und andere Straftaten, die sich gegen die öffentliche Verwaltung richten, Sachverhalte, die einen Vermögensschaden für die öffentliche Verwaltung bedingen sowie Verstöße gegen den Verhaltenskodex oder andere disziplinarrechtliche Bestimmungen“, wie auf der Webseite der Generaldirekttion präzisiert wird. Allzu viele Snowdens gibt es unter den heimischen Landesangestellten jedoch nicht, verrät die Antwort, die Köllensperger im Juli erhielt. Gerade einmal 6 Mitteilungen und 5 Meldungen sind in den eineinhalb Jahren eingetrudelt. Und: letztere wurden allesamt nach einer Untersuchung archiviert.

Köllensperger wurde in der Antwort des Landeshauptmanns auch verraten, in welchen Bereichen die Meldungen gemacht wurden. Da ging es um Anfragen im Grundbuchamt, Wettbewerbe in der Abteilung für italienische Aus- und Weiterbildung, die Aktivitäten der Kommissionen, die über die Filmförderung bestimmen, die Auftragsvergabe im Umfeld der deutschsprachigen Berufsbildung und schließlich um die Ranglisten und Wettbewerbe in der Personalabteilung. Als der M5S-Abgeordnete dann jedoch nachfragte, ob er die entsprechenden Eingaben auch ausgehändigt bekommt, wurde ihm dies verneint – ganz zu Köllenspergers Wohlgefallen. „Das war das erste Mal, dass ich mit einem nicht gewährten Aktenzugang einverstanden war“, meint der Landtagsabgeordnete. Schließlich muss die Identität von Whistleblowern auch laut den Vorgaben der staatlichen Anti-Korruptionsbehörde (ANAC) streng geschützt werden. Wer sonst riskiert ohne ausreichenden Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen, den eigenen Chef oder seine Chefin anzuschwärzen bzw. illegale Praktiken an seinem Arbeitsplatz preiszugeben?

Magere Ausbeute

Doch genau in diesem Punkt startete Südtirols Whistleblower-Ära auf äußerst wackligen Beinen. Oder als eine Art schlechter Witz, wie salto.bz bereits Anfang 2016 unter dem Titel „Snowden mit Steuernummer“ berichtete. Immerhin müssen Südtiroler Whistleblower gleichzeitig mit den angekreideten Missständen ihre vollständige Identität enthüllen – mit Namen, Steuernummer, Dienstsitz bis hin zur Kopie eines Ausweises. Selbst wenn man im Generalsekretariat Köllenspergers kleinen Test bestanden hat und die Akten nicht auch noch im Landtag verteilt - wen wundert es unter solchen Bedingungen, dass die Response auf die neue Möglichkeit äußerst mager ausfällt? Vor allem wenn man sie mit Erfahrungen in deutschen Bundesländern wie Niedersachsen vergleicht, wo das Landeskriminalamt über die digitale Plattform BKMS® System (Business Keeper Monitoring System) in zehn Jahren 2600 Fälle bearbeitet wurden, wie Köllensperger in einem aktuellen Beschlussantrag als Beispiel bringt.

Mit dem Ende Mail eingereichtem Antrag, der noch in der September-Sitzung auf die Tagesordnung kommen könnte, will er die Südtiroler Landesregierung dazu verpflichten, die Identität der Whistleblower nicht mehr nur auf dem Papier, sondern auch tatsächlich zu schützen. Laut dem Vorschlag des M5S-Abgeordneten sollen deshalb unter anderem die geforderten Angaben zur eigenen Person nur mehr optional angegeben werden müssen und die Vorgaben der italienischen Anti-Korruptionsbehörde zum Schutz von Whistleblowern vollständig umgesetzt werden. Besonderes Augenmerk legt der Landtagsabgebgeordnete dabei auf eine ANAC-Entscheidung vom April 2015, die zur Wahrung der Vertraulichkeit der Meldungen über Missständen ein komplett digitalisiertes Verfahren mit Verschlüsselung nahelegt. Damit kann verhindert werden, dass Formulare zu den Hinweisgebern oder Unterlagen auf irgendwelchen Schreibtischen einsehbar sind. „Über solche digitale System kann dann auch genau geregelt werden, wer zu den Daten Zugang hat“, erklärt Paul Köllensperger. Die Entscheidung der ANAC sieht darüber hinaus vor, dass die digitale Plattform den Hinweisgebern ermöglicht, Einsicht zum Stand des Bearbeitungsverfahrens zu erhalten. Darüber hinaus soll mehr Bewusstsein für Whistleblowing geschaffen werden – indem die Landesbediensteten regelmäßig über Ausbildungskurse, Veranstaltungen oder beispielsweise Artikel in eventuellen hausinternen Medien über die Ziele und den Verfahrensablauf des Instruments informiert werden.

Einladung für Denunziaten? 

Auch wenn der Landtagsabgeordnete mit seinem Vorstoß vor allem einen besseren Schutz der Identität von Whistleblowern vorantreiben will, schlägt er darüber hinaus vor, auch völlig anonyme Eingaben zuzulassen. „Natürlich steigt damit auch die Gefahr von Denunziantentum – gleichzeitig könnte man damit das Aufdecken von Missständen und Straftaten sicher forcieren“, ist er überzeugt. Landesrätin Waltraud Deeg findet daran in jedem Fall wenig Gefallen. „Wenn man Meldungen erhält, ist es immer besser, sie möglichst gut in einen Zusammenhang einordnen zu können“, ermunterte sie die Landesbediensteten am Wochenende im Corriere dell’Alto Adige sich nicht zu verstecken, wenn sie Missstände melden möchten. „Wir behandeln alle Hinweise mit großer Sorgfalt und können auf diese Art effizienter vorgehen.“

Doch selbst wenn Paul Köllensperger mit seinem Beschlussantrag wenig Widerhall finden sollte: Südtirols hausbackene Whistleblower-Version wird um ein Update in Richtung besseren Schutz der Hinweisgeber nicht herumkommen. Dieser Meinung ist auch die Landesprüfstelle, die die Aktivitäten des  Verantwortlichen für die Vorbeugung von Korruption überprüfen muss. Der Schutz der Identität, der den Hinweisgebern auch vom nationalen Gesetz garantiert wird, ist mit dem Whistleblower-Instrument des Landes keineswegs gegeben, heißt es in einem aktuellen Bericht der Prüfstelle, der auch an die Antikorruptions-Behörde  ging. Um dies künftig erfüllen zu können, wird den Zuständigen auch empfohlen, eine dafür entwickelte Open-Source-Plattform der Anti-Korruptionsbehörde zu nutzen. Wer darauf brennt, mit hausinternen Schweinereien aufzuräumen, täte also gut daran, noch ein wenig abzuwarten – zumindest sofern sie oder er nicht als Südtiroler Edward Snowden enden und sich outen will.