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Gesellschaft | Pollo der Woche

Doktor ohne Nerven

Der Leiter des Psychiatrischen Dienstes Bozen Andreas Conca ist ein Vertreter jener besonderen Spezies, die zuerst den Stein wirft und dann die Hand versteckt.
Andreas Pietro Maria Conca hat nicht nur einen langen Namen, sondern einen noch längeren Titel: „Direktor des psychiatrischen Dienstes und Koordinator des landesweiten Dienstes für Kinder- u. Jugendpsychiatrie u.- psychoterapie im Gesundheitsbezirk Bozen“. Zudem ist er Vorsitzender der italienischen Gesellschaft für Psychiatrie (SIP) und Lehrbeauftragter an den Universitäten Innsbruck, Brixen, Bozen. Eines der Fachgebiete des Psychiaters und Psychotherapeuten ist die Elektrostimulation, in etwa das was man im Volksmund als Elektroschock versteht.
In seiner amtlichen Funktion wacht Andreas Conca über die mentale Gesundheit eines großen Teils der Südtirolerinnen und Südtiroler. Schaut man sich allerdings an, was der Bozner Primar die vorvergangene Woche aufgeführt hat, dann kann einem durchaus mulmig werden.
 
Der Meraner Alpha Beta Verlag hat vor einiger Zeit das Buch “…E tu slegalo subito” von Giovanna Del Giudice herausgegeben. Die in Triest tätige Psychiaterin ist eine Vertreterin der sogenannten „Demokratischen Psychiatrie“ von Franco Basaglia. Del Giudices Buch ist dann auch ein Plädoyer gegen die psychiatrische Verwahrung, die physische Ruhigstellung und die Isolierung von Patienten.
Auf Initiative des Bibliothekar der Gemeindebibliothek Salurn, Claudio Tommasini, sollte das Buch von der Autorin am vorvergangenen Mittwoch Abend im Psychiatrischen Rehabilitationszentrum Gelmini in Salurn vorgestellt werden. Der dortige Konferenzsaal wird öfters für öffentliche Veranstaltungen vergeben. Der Gemeindebedienstete Tommasini holte alle Genehmigungen ein und druckte Plakate und Flugzettel.
Doch zwei Stunden vor der Veranstaltung erhielt der rührige Bibliothekar überraschend einen Anruf von Andreas Conca. Das Rehabilitationszentrum Gelmini wird verwaltungsmäßig zwar vom Sozial- und Gesundheitssprengel Überetsch/Unterland betreut, untersteht aber fachlich dem Direktor des psychiatrischen Dienstes am Krankenhaus Bozen. In dieser Funktion verbot Conca im allerletzten Moment die Buchvorstellung im Gelmini-Haus. Der Grund: Der Abend könnte die Patienten verstören. Claudio Tommasini gelang es die Vorstellung kurzerhand ins Salurner Jugendzentrum zu verlegen.
"Dass ein Primar Kritik nicht mit Argumenten begegnet, sondern kurzerhand mit einem Verbot, sagt viel über sein Weltbild aus."
Es ist an und für sich bereits ein Skandal, dass ein Universitätsprofessor und Primar die Vorstellung eines Buches verbietet. Noch bedenklicher aber ist, was hinter diesem Machtwort Concas steht.
Seit Jahren stehen sich in der Psychiatrie mehrere Denkschulen gegenüber. Mit Ausnahme des Meraner Hauses Basaglia, hat sich in Südtirol inzwischen jene Denkschule durchgesetzt, der Andreas Conca angehört. Das heißt: Medikamentierung und wenn nötig physische Ruhigstellung. Es ist genau das Gegenteil dessen, was Buchautorin Giovanna Del Giudice fordert.
Es liegt mir fern mich in eine akademischen Fachdiskussion einzumischen, von der ich nichts verstehe. Dass jemand aber einem Andersdenkenden verbietet, seine Meinung vorzustellen, das macht mir Angst. Dass ein Primar (fachlicher) Kritik nicht mit Argumenten begegnet, sondern kurzerhand mit einem Verbot, sagt viel über sein Weltbild aus. Oder will man uns wirklich glaubhaft machen, dass durch diese Buchvorstellung die mentale Volksgesundheit in Gefahr geraten wäre?
 
Was aber dem Fass wirklich den Boden ausschlägt, ist die Tatsache, dass der Leiter der Südtiroler Psychiatrie Bozen zuerst den Stein wirft und dann die Hand versteckt.
Denn Andreas Conca wollte und will zu den Vorfälle nicht Stellung nehmen. Anscheinend hält es der Leiter der Bozner Psychiatrie nicht für nötig, einen solchen eklatanten Eingriff in die demokratische Diskussionskultur gegenüber den Medien zu begründen.
Auch der Sanitätsbetrieb schweigt. Dafür muss die zuständige Landesrätin Martha Stocker einspringen. Und es kommt noch zur Steigerung: Stockers sagt zu Salto.bz: „Andreas Conca hat mir gesagt, er habe überhaupt nichts verboten“.
Also alles nur ein Erfindung eines kleinen Salurner Gemeindebibliothekars und missliebiger Medien?
Weit gefehlt. Was Martha Stocker anscheinend nicht weiß: Andreas Conca hat am Tag nach der Buchvorstellung seinen Schritt schriftlich bei mehreren öffentlichen Institutionen bestätigt und begründet. Ein Verbot, von dem er jetzt anscheinend nichts mehr wissen will.
„Dass einer, der führend für die geistige Gesundheit in diesem Land zuständig ist, eine solche Engstirnigkeit und antidemokratische Haltung an den Tag legt, ist mehr als bedenklich.“
Ärzte tun sich allgemein schwer mit Kritik umzugehen. Dass aber einer, der führend für die geistige Gesundheit in diesem Land zuständig ist, eine solche Engstirnigkeit und antidemokratische Haltung an den Tag legt, ist mehr als bedenklich.
Nimmt man dieses Verhalten als Gradmesser für die Zustände in der Südtiroler Psychiatrie, dann Gute Nacht.
Es lebe die Zwangsjacke!
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Martin B. So., 30.10.2016 - 00:33

Habe gerade erst anderswo wieder über die mäandernden Trends und mangelnden Konsensströmungen im Fachbereich der Psychatrie gelesen. Die Denkschule der psychiatrischen Verwahrung, die physische Ruhigstellung und die Isolierung von Patienten scheint primär komod und sekundär repressiv unterdrückend zu sein. Abschreckend wenn diese Prinzipien auch außerhalb des Psychiatrischen Dienstes angewendet werden. Erinnert mich deprimierend an Einer flog über das Kuckucksnest .

So., 30.10.2016 - 00:33 Permalink
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G G Mo., 31.10.2016 - 17:24

DANKE für diesen Artikel!

Ein mir bekannter Südtiroler Psychiater hat selbst mal unter vier Augen gesagt, dass es ein bekanntes Phänomen: Psychiater haben damit zu kämpfen, dass sie mit ihrer Sparte in der Hierarchie der Mediziner niemals den Grad an Ansehen erreichen können wie etwa ein renommierter Herzchirurg. Das hat einfach mit Ego und Narzissmus zu tun und führt gern zu solchen Ausrutschern.

Habe mir in den vergangenen Jahren immer häufiger gedacht, dass die Verbreitung der Ansicht, dass psychische Störungen eine Krankheit sind, nicht nur dazu dient, die Toleranz dafür zu stärken. Immer weniger sind wir bereit, solche Phänomene auch als Spiegel unserer aktuellen Kulturentwicklung wahrzunehmen und sie als wertvolle Hinweise auf Schattenaspekte und Fehlentwicklungen zu erkennen.
Stempel drauf "Krankheit", der Mensch bekommt im Gegenzug dafür ja Mitleid und finanzielle Versorgung und die Berufssparte von Psychiatern gewinnt an Bedeutung und Wert, je mehr Menschen zu ihren Patienten werden.

„In einer verrückten Welt muss man verrückt sein, um normal sein zu können.“ Zukunftsforscher Robert Jungk

Mo., 31.10.2016 - 17:24 Permalink
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Christian Peintner So., 13.11.2016 - 13:01

Ja die Vorgangsweise mag falsch gewesen sein. Aber in diesem Thema gibt es 2 Seiten, die sich genau gegenüber stehen. Die Basaglia-Schule mag menschlicher fuer die Betroffenen sein, aber grausamer für die Angehörigen, weil sie die Früherkennung und -Behandlung verhindert, und dramatischere Krankheitsverlaeufe verursacht. Oft steht am Ende der Suizid.

So., 13.11.2016 - 13:01 Permalink