Kultur | Salto Weekend

Eine runde Sache

Am Freitag Abend hat man in der Kulturbackstube Innsbruck 20 Jahre BPS und damit den ältesten Slam Österreichs gefeiert. Ein Rückblick mit Gründer und MC Markus Köhle.
Markus Köhle: Der Schriftsteller und Vollblutmoderator trägt in Österreich seit geraumer Zeit den Spitznamen Papa Släm
Foto: Martin Fritz
Herr Köhle, es gibt das Vorurteil, dass Tiroler wenig offen für Neues sind. Wie war vor zwanzig Jahren, im Bierstindl, die Reaktion auf das Format Poetry Slam, das ja neu war in Österreich?
 
Markus Köhle: Tatsächlich war es so, dass es als Begriff schon in den 90ern kurz durch die Städte Österreichs gewandert ist. Um 1997 hat es im Provinztheater in der Jahnstraße, einem kleinen Theater, einen Poetry Slam gegeben, der im Grunde aber eine offene Bühne war. Es gab Clowns und Feuer-Jonglage und alles, was in 10 Minuten möglich war. Das hat, meiner Meinung nach, das Format tot gespielt. Ich habe es dann wiederbelebt mit den Regeln, die es seit ungefähr 25 Jahren gibt, da ich in Hamburg auf einem Slam war und das mitgenommen habe.
Weil ich im Bierstindl schon fleißiger Mitarbeiter war, habe ich dem Chef, Robert Renk, vermitteln können, dass es gut wäre, einmal im Monat im Studio etwas neues probieren zu können. So neu war es für ihn dann nicht, da er meinte „Hatten wir das nicht schon?“, aber da habe ich gesagt: „Das geht anders, das geht besser.“ Da war von Publikumsseite die Skepsis nicht so groß. Publikum gab es von Anfang an, Teilnehmer:innen eher weniger, aber das hat sich aufgebaut.
 
Jede Burgtheater-Inszenierung greift auf populärkulturelle Einflüsse zurück, etwa durch die Musikbeiträge, die sie einladen.
 
Gab es von anderer Seite mehr Skepsis?
 
Die Skepsis innerhalb der Literaturszene gibt es immer noch: Die Berührungsängste sind eher in der Szene als mit dem Publikum; Weil Poetry Slam ein publikumszugewandtes Format ist, wo das Publikum mehr mitzureden hat als bei einer klassischen Lesung, was auch immer eine klassische Lesung sein soll. Die Skepsis hatte und hat eher der einem verwandte Kreis.
 
Könnte das mit der Trennung zwischen Pop- und Hochkultur zu tun haben? Das man seine Arbeit durch eine Abgrenzung von Popkultur legitimieren möchte?
 
Ist das überhaupt noch möglich und ist das noch so klar getrennt? In der Hochkultur ist doch hoffentlich schon so viel Populär-Kultur drin, dass das nicht mehr geht. Jede Burgtheater-Inszenierung greift auf populärkulturelle Einflüsse zurück, etwa durch die Musikbeiträge, die sie einladen. Das hat sich schon vermischt, das wird nur in den Köpfen nicht so klar gesehen.
 
 
Was hat sich in den 20 Jahren BPS am Format geändert, wenn etwas?
 
Am Format an sich hat sich eigentlich nichts geändert: Es war von Anfang an so, dass bei diesem Slam alle mitmachen können. In den letzten beiden Jahren war das etwas schwieriger, weil wir mit Anmeldungen arbeiten mussten. Wir machen es jetzt wieder so, dass man bis zu einer halben Stunde vor Beginn sich anmelden kann und dass, wenn nicht exorbitant viele kommen, auch alle dran kommen. Auch die Zeit behalte ich bei fünf Minuten bei.
Ganz zu Beginn habe ich hauptsächlich aus dramaturgischen Gründen mit Applaus abstimmen lassen, da man so das Publikum animieren konnte. Mittlerweile gibt es die Jurytafeln, die auch eine schöne Art sind das Publikum einzubinden. Strenger wird die Auslegung der Regeln halt immer, wenn es um Meisterschaften oder begehrte Titel geht.
 
Das alle mitmachen können heißt mit einer auch, dass man Slams organisiert hat, welche in Gebärdensprache simultanübersetzt wurden. Behält man das bei und wie ist der Aufwand?
 
Das konnten wir ein paar mal machen, weil es Unterstützung gab, zum einen von den Übersetzer:innen, die das aktiv wollten und zum anderen aus finanzieller Sicht, da es natürlich ein großer Aufwand ist. Es ist auch mit Vorbereitungsarbeit verbunden, da vorher schon bereit gestellt werden muss, was am Abend passiert. Insofern geht da der Gedanke verloren, dass alles erst am Abend stattfindet, aber es ist eine schöne Sache, die Österreich-weit immer mal wieder statt findet. Man könnte versuchen, dass es regelmäßig, über Österreich verteilt einen auch in Gebärdensprache übersetzten Poetry Slam gibt, aber aktuell ist es so, dass sich die Szene und jeder Slam neu aufbauen muss. Wir dürfen aktuell immer noch 100 Leute in die Bäckerei lassen, was es für uns existenziell bedrohlicher macht.
 
Es gab natürlich Abende, da waren es extrem viele Leute und das kann und soll man heute so nicht mehr machen.
 
Der BPS ist regelmäßig ausverkauft. Wieviele Leute passten vor der Pandemie in die Bäckerei?
 
Prä-Covid nahm man das nicht so genau und man wusste zum Teil nicht wie viele Leute im Saal waren. Das kann man sich zum Teil gar nicht mehr vorstellen. Es gab natürlich Abende, da waren es extrem viele Leute und das kann und soll man heute so nicht mehr machen. Aktuell dürfen wir halt nur 150 Personen einlassen und früher waren es 250 plus. Die Bäckerei ist auch mit 150 stimmungstechnisch toll und ich finde ohnehin, dass das Format Slam für Locations mit 200, 250 Leuten ideal ist. Größer find ich gar nicht unbedingt besser, ist auch mal schön, im Haus der Musik, hin und wieder. An sich ist es mit 200 Leuten ideal in Kontakt zu treten, für die Moderation und auch die Slammer:innen. Ich weiß nicht, ob es wieder Zeiten gibt, wo wir 100 Leute mehr einlassen dürfen.
 
 
Aber wünschen würden Sie es sich?
 
Ja, es macht dann schon vieles leichter. Aktuell sind wir beim Einladen von Gästen eingeschränkt.  Es ist wichtig auch mal wieder vorwiegend die lokale Szene zu fördern, aber 100 Leute mehr ist eine einfache Rechnung: Man kann jemanden einladen - Zugkosten, Hotelzimmer und eine kleine Gage zahlen - das fällt halt so etwas weg. Ganz weglassen wollen wir es nicht, aber es wird dann mehr selbstausbeuterisch und nicht fair vergütet.
 
Da war Slam schon sehr weit und muss jetzt im Grunde wieder neu anfangen.
 
Die Slam-Szene lebt stark von der Leidenschaft der Auftretenden. Fängt sie das Budget auf?
 
Das Schöne ist - um damit zu beginnen - dass das Befürchtete, also das nichts nachkommt,  nicht eingetreten ist. Es sind wieder Neue und Junge am Start, die sich freuen, auf die Bühne zu kommen, was großartig ist. Die Mischung aus Halb-Profis, leidenschaftlich Neuen und Routinierten ist das Schöne. Die Neuen, die Leidenschaft auf die Bühne bringen, sollen natürlich auch alsbald bezahlt werden können. Da war Slam schon sehr weit und muss jetzt im Grunde wieder neu anfangen. Es sei dazu gesagt, der BPS kommt ohne offizielle Förderungen aus. Das war immer mein Grundgedanke und Ziel, dass ich für diese Veranstaltung nicht um öffentliche Gelder ansuchen möchte.
 
Im Kultursektor ist man oft froh um Förderung, wie kommt die Entscheidung nicht ansuchen zu wollen?
 
Das war von Anfang an der Motor für mich, eine Szene in Gang bringen zu wollen, die vollkommen unabhängig funktioniert. Am Anfang war es auch ein freiwillige Spenden als Eintritt und die Spenden hat der Sieger oder die Siegerin des Abends bekommen. Das einzige was ich damals aufgewandt habe, für mich, war die Zeit des Abends. So konnte das Format entstehen. Mittlerweile hat sich geändert, dass Eintritt zu zahlen normal ist.
Durch die Pandemie haben wir einen Vorverkauf, das hatten wir sonst auch nie. Da sind die Leute bereit einen höheren Preis zu zahlen, weil der Platz garantiert ist. Es hat auch Vorteile. Ich werde das in meiner Ära nicht mehr anstreben, für die Veranstaltung Fördergelder zu beantragen. Wenn sich demnächst der Verein gründet, der die Szene in Innsbruck in die Hand nehmen will, habe ich nichts dagegen. Wenn es punktuell etwa einen Ö-Slam (Österreichische Meisterschaft) in Innsbruck gab, dann hat man natürlich versucht Unterstützung zu erhalten.
 
An sich brauchen wir auch nicht Werbung zu machen, aber ich fände es schön auch wieder flyern zu gehen
 
Sie sprechen von Ihrer Ära, ist ein Ende für Sie beim BPS in Sicht?
 
Ein Ende nicht, aber das Team hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert und vielleicht werde ich in Zukunft nur mehr drei mal im Jahr den BPS moderieren und auch andere das übernehmen. Ende möchte ich nicht, aber ich möchte auch, dass sich mehrere da engagieren. Aus vielerlei Gründen: Ich lebe ja nicht in Innsbruck. An sich brauchen wir auch nicht Werbung zu machen, aber ich fände es schön auch wieder flyern zu gehen, in Kreisen wo man neues Publikum vermutet. Wenns so bleibt, dass die Veranstaltung auf 150 reglementier ist, dann kann man ja auch über andere Orte nachdenken, wie es ja auch im Brux noch einen Slam gibt.
 
Ihr traditioneller Dalli-Dalli-Luftsprung bleibt also erhalten?
 
Der ist ohnehin besser, wenn ich ihn nicht monatlich machen muss. Ich muss mich ja fast schon aufwärmen.
 
 
Da Halloween vor der Tür steht und ich Sie nicht zwingen möchte, zwischen Lieblingsmomenten zu wählen, gab es Horror-Geschichten beim BPS?
 
Sowohl im Publikum, als auch auf der Bühne genügen ein, zwei laute Menschen, damit alles kaputt ist. Das war einmal jemand im Publikum, der bei einem Beitrag von einem Flüchtling, der erstmals in deutscher Sprache vorgetragen hat, reingeschrien und ihm alles kaputt gemacht hat. Es ist danach der Abend auch vorbei. Das kann man stimmungstechnisch gar nicht mehr aufbringen. Es war möglich die Person aus dem Publikum rauszukomplimentieren. Das ist auch schwierig: Ich muss auf der Bühne sein und sehen, dass nicht alles zerfällt und hoffen, dass sich einige Leute mit Zivilcourage mobilisieren und einschreiten.
Einmal anders: Alkoholüberkonsum von einem Auftretenden, was früher gar nicht unüblich war, aber wenn es dann ungut wird, ist es fürchterlich. Früher sind schon mehrere betrunken auf die Bühne gekommen, aber harmlos. Wenn aber einer, durch Schnaps oder Gspritzten am Mikro Blödsinn verzapft, ist es sehr schnell unangenehm. Es ist aber trotzdem schwierig: Der Mensch steht im Rampenlicht und das verbal zu lösen, wenn jemand nicht mehr argumentativ zu erreichen ist, ist schwer und führt auch dazu, dass der Abend kaputt ist.
Es ist aber in 20 Jahren echt verschwindend und nicht der Rede wert, weil die schönen Momente überwiegen. Das ist die Freude an der Szene, dass es in 20 Jahre, 10 mal im Jahr, also über den Daumen 200 Veranstaltungen nie etwas gröberes gab. Diese Einzelfälle darf man gern vergessen.