Gesellschaft | Migration

Arbeiten in der Grauzone

Mit Methoden des visuellen Journalismus eröffnen die Designstudentinnen Erika Angerer und Corinna Canali einen neuen Blick auf ausländische Haushalts- und Pflegekräfte. Ab Dienstag sind ihre Arbeiten in der Meraner Migrantinnenberatung Moca zu sehen.
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Erika Angerer, der Titel Eurer Arbeit über Migrantinnen als Haushaltarbeiterinnen spricht von einem Blick hinter die Kulissen. Was war dahinter zu entdecken?

Erika Angerer: Sehr viel. Denn ein Großteil dieser Arbeit spielt sich immer noch in einer Grauzone ab, über die wenig bekannt ist. Das betrifft auch den Fakt, dass viele Pflegekräfte immer noch illegal beschäftigt werden. Außerdem ist Haus- und Pflegearbeit generell ein Bereich, der in der Gesellschaft wenig Sichtbarkeit hat. Es gibt aber auch noch andere unbekannte Bereiche, die wir unserer Recherche entdeckt haben. So sind die Migrantinnen, die in Südtirol als Pflegkräfte arbeiten zum Großteil sehr gut ausgebildet, ein Drittel hat einen akademischen Titel. Das wird im Opferdiskurs, in dem Migrantinnen gerne dargestellt werden, allzu oft übersehen.

Ihr zeigt auf, dass die Frauen im Schnitt zwischen 35 und 55 Jahre alt sind, ein Kind haben und zehn Jahre in Südtirol bleiben. Deuten nicht allein diese Daten auf schwierige Situationen hin?

Ja, es gibt viele Probleme hinter diesen Geschichten. Familien, die zerbrechen, familiäre Entfremdungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Viele der Frauen, die hier auf fremde Kinder aufpassen oder alte Menschen pflegen, haben zu Hause selbst Kinder, die von ihren Schwestern oder Müttern großgezogen werden, oder pflegebedürftige Elternteile. Das war auch einer der Punkte, der uns bei der Arbeit am meisten berührt hat. Was aber auch zu sehen ist: Die Arbeit hier stellt für viele der Frauen eine Art emanzipatorischen Ausbruch dar. Das heißt, sie übernehmen in ihrem Herkunftsland die traditionelle Männerrolle des Brotverdieners. Das Paradoxe daran ist, dass sie in den Zielländern wieder in ein patriarchales System einsteigen, also die traditionelle Frauenrolle übernehmen. Denn auch in Südtirol ist es so, dass die Versorgung von Familie und Haushalt nach wie vor hauptsächlich der Frau zugeschrieben wird.

Mit dem Unterschied, dass sie immer mehr Südtirolerinnen an Migrantinnen abgeben können.

Genau. Trotzdem sind die Frauen meist auch hier zumindest für die Organisation und Regelung der Haus- und Pflegearbeit verantwortlich. Das heißt, gerade in diesem Bereich wird sichtbar, dass die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern nach wie vor Thema ist, weil bestimmte Strukturen sich immer wieder reproduzieren.

Die Infografik sowie das Video sind im Rahmen des Seminars „Visual Journalism“ an der Designfakultät der Universität Bozen entstanden. Wie schwierig war es, ein solch komplexes Thema so kompakt dazuzustellen?

Es war nicht einfach. Wir haben sehr lange diskutiert, was wirklich relevant ist und was wir aussagen wollen. Und natürlich waren wir uns auch der Gefahr bewusst, dass wir am Ende eine falsche Richtung vorgeben könnten, also einen vielleicht verfälschten, weil einseitigen Blick. Immerhin sind wir keine Expertinnen, sondern haben uns nur rund ein Semester mit dem Thema auseinandergesetzt. Doch wir haben auch fachliche Unterstützung bei verschiedenen Organisationen geholt. Und wir hoffen, nun durch die Ausstellung der Arbeiten auch von den Migrantinnen selbst Rückmeldungen zu bekommen.

Das Video von Erika Angerer und Corinna Canali ist am Dienstag, den 30. April zwischen 14 und 17 Uhr im Rahmen der Aktionstage politische Bildung in der Caritas-Beratungsstelle in Moca in Meran zu sehen. Die Fotos der Arbeiten werden dort dauerhaft ausgestellt.