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„Rufschädigende Kampagne“

Die Betreiber des Phantomradios „Radio Südtirol“ ziehen vor das Verwaltungsgericht und bekommen dabei ordentlich auf die Nase. 150.000 Euro müssen sie jetzt zurückzahlen.
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Foto: upi
(*) Es dürfte die größte Schmach für einen Anwalt sein.
Wenn das Gericht im seinem Urteil zum Schluss kommt, dass eine Klage so nicht zulässig ist, weil sie formal unzureichend und nicht begründet ist.
Zu diesem vernichtenden Schluss kommt das Bozner Verwaltungsgericht im Urteil 183/2023.
Betroffen sind Roberto Continisio, ein Rechtsanwalt aus Neapel, aber noch mehr der eigentliche Kläger: Die Betreiber des Radiosenders „Radio Südtirol“ (nicht zu verwechseln mit Radio Südtirol 1).
Dabei ist dieser Rekurs nur der bisher letzte Akt einer unglaublichen Geschichte, die aus dem Handbuch des Barons von Münchhausen stammen könnte.
 

Das Phantomradio

 
Im Zentrum dieser Geschichte steht Siegfried Torggler und seine “Radio Südtirol GmbH” .
Der heute 57-jährige Siegfried Torggler stammt aus einer Radiofamilie. Vater Gabriel Torggler ist Inhaber der gleichnamigen renommierten Tanzschule in Bozen und geht 1977 mit dem Radiosender “Südtiroler Rundfunk“ auf Sendung. 1997 gründete sein Sohn Siegfried Torggler dann „Radio Südtirol/Hitradio Südtirol“. Jahrelang nutzen beide Torggler-Sender dieselben Umsetzer und Frequenzen. Heute sind beide Radios kaum mehr in Südtirol zu hören. Die Frequenzen wurden zum Teil an andere Sender verkauft. Hitradio Südtirol existiert mehr oder weniger nur mehr als Webradio.
 
 
 
Siegfried Torggler selbst hat eine bewegte Vergangenheit. Immer wieder steht der Unternehmer vor Gericht. Weil er in einen Konkursfall verwickelt ist, gehört die in Burgstall beheimatete „Radio Südtirol GmbH“ inzwischen offiziell nicht mehr ihm. Das Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 10.329 Euro gehört zur 40 Prozent seiner Tochter Sigrid Torggler und zu 2 Prozent seiner Partnerin Anila Kupa, einer gebürtigen Albanerin. Kupa fungiert auch als Alleinverwalterin. Haupteigentümer des Radios ist mit 58 Prozent die „Südtiroler Pressedienst GmbH“. Das 2013 gegründete Unternehmen mit dem wohlklingenden Namen hat ein Gesellschaftskapital von einem Euro. Auch diese Firma gehört Anila Kupa. Auffallend: Das Unternehmen ist laut offizielle Handelskammer-Auszug bis heute „inaktiv“.
Aus den Akten der Handelskammer geht aber auch hervor, dass die Radio Südtirol GmbH im Jahr 2015 die letzte Bilanz im Unternehmensregister hinterlegt hat.
Obwohl das Unternehmen, seit 8 Jahren keine offizielle Bilanz hinterlegt, hat Torgglers-Radio in den vergangenen Jahre mehrere Hunderttausend Euro an Medienförderung vom Land Südtirol zugesprochen bekommen.
 

Der Präzedenzfall

 
Am 13. Juni 2017 hat das Kassationsgericht zwei Urteile des Landesgerichts Bozen und des Oberlandesgerichts Bozen bestätigt, mit denen Siegfried Torggler und Anila Kupa verurteilt wurden. Torggler wegen unerlaubter Ausübung des Journalistenberufes und Kupa, weil sie nicht in das gesetzliche vorgeschrieben Register der presserechtlich Verantwortlichen eingetragen ist. Beide habe bis heute nicht die gesetzlichen Voraussetzungen dafür.
In der Medienförderung des Landes zählen aber vor allem die Personalkosten. 2017 sucht die Radio Südtirol Gmbh beim Land - wie jedes Jahr - um die Medienförderung an. Das Unternehmen gibt dabei die Lohnkosten für die beiden „Journalisten“ Siegfried Torggler und Anila Kupa von 160.245 Euro an. Das Radio erhält über das Mediengesetz daraufhin einen Beitrag von 53.543,33 Euro.
Spätestens nach dem Kassationsurteil ist aber klar, dass beide keine Journalisten sind. Deshalb stuft der für die Kontrolle zuständige Landesbeirat für Kommunikationswesen den Antrag als „irrtümlich“ ein. Am 7.12.2017 verfügt die Direktorin der Abteilung Wirtschaft Manuela Defant per Deket den Widerruf und die Rückzahlung des Beitrages.
 
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Ausschnitt aus dem Dekret des Widerrufdekret des Landes (2017): Ob das Land diese 140.000 Euro je wiedersehen wird, ist mehr als fraglich.
 
 
Sicher ist: Diese Interpretation des Landesbeirates und des Amtes ist mehr als nur wohlwollend. Denn man könnte die unlautere Vorgangsweise auch durchaus als versuchten Betrug werten.
Doch man fasst das Duo Torggler/Kupa, eher mit Samthandschuhen an. Deshalb sucht Radio Südtirol so als wäre nichts gewesen, auch in den Jahren danach um die lokale Medienförderung an.
Und weil weder der für die Medienförderung zuständige Kommunikationsbeirat des Landes, noch die Finanzabteilung des Landes anscheinend genauere Kontrollen durchführen, bekommen die Radiobetreiber weiterhin ordentlich öffentliches Geld. 
Im November 2020 zahlt das Land der Radio Südtirol GmbH einen Beitrag von insgesamt 51.534,26 Euro aus und im November 2022 sind es sogar 92.324,62 Euro. Nur einmal archiviert der Landesbeirat für Kommunikationswesen wegen Unregelmäßigkeiten ein Beitragsgesuch.
 

Der Rekurs

 
Siegfried Torggler ist seit Jahren nicht mehr in Italien. Er arbeitet inzwischen in Österreich als Techniker für Elektroinstallationen. Dennoch geht die Masche von Radio Südtirol weiter, als wäre nichts geschehen. Auch im Jahr 2022 sucht das Unternehmen um die Medienförderung an. Eine der Voraussetzungen für Gewährung der Beiträge an Radiosender ist die Ausstrahlung von mindestens 20 Minuten Nachrichten über Südtirol am Tag.
Der Landesbeirat für Kommunikationswesen beauftragt inzwischen ein Privatunternehmen mit den Stichproben-Kontrollen. Dabei kommt zu Tage, dass Hitradio Südtirol diese Bedingung nicht erfüllt. Am 14. Juni 2022 wird die Gewährung des Beitrages vom Amt für Handel deshalb offiziell abgelehnt.
 
 
 
Nach detaillierten Artikeln auf Salto.bz und in der Tageszeitung über das Phantomradio reagiert endlich auch das für die Beitragsvergabe zuständige Amt für Handel und Dienstleistung. Am 13. Jänner 2023 werden die Radiobetreiber aufgefordert weitere Dokumente und Belege für die Beiträge der Jahre 2020 (für das Jahr 2019) und 2022 (für das Jahr 2021) nachzureichen. Dieser Aufforderung kommen Siegfried Torggler & Co aber nicht nach. Deshalb widerruft Abteilungsdirektorin Manuela Defant am 2. März 2023 per Dekret die gewährten und ausbezahlten Beiträge der beiden Jahre. Das Land fordert damit 143.858,88 Euro von den Radiobetreibern zurück.
Doch Torggler & Co ziehen gegen diesen Widerruf der Beiträge vor das Bozner Verwaltungsgericht. Zudem reichen sie eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft Bozen ein.
Laut dem Schriftsatz von Anwalt Roberto Continisio hätte das Land „dopo una diffamatoria campagna stampa“ verspätet die Beiträge annulliert. Dieser Widerruf sei nach Ansicht der Kläger nach drei Jahren nicht mehr möglich.
Anwalt Continisio wirft dem zuständigen Landesamt unzählige rechtliche Fehler vor. So heißt es im Rekurs.
 
„Dunque un primo dato giuridico è certo: non si possono dopo 3 anni revocare i contributi che abbiano superato la griglia istruttoria. Per essere ancora più chiari non si possono chiedere dopo 3 anni integrazioni ai documenti depositati.“
 
Zudem wirft der Anwalt dem zuständigen Landesamt vor, jetzt Daten und Informationen vom Radiobesitzer zu verlangen, die unten den Datenschutz fallen. Im Rekurs verlangen die Kläger die Annullierung der beiden Dekrete.
Doch dazu wird es nicht so schnell kommen.
Denn das Verwaltungsgericht hat vergangene Woche den Rekurs als „augenscheinlich unzulässig“ (manifestamente inammissibile) erklärt. Der Grund: Die Klage sei formal völlig unzureichend begründet, weil sie keine spezifischen Gründe anführt, die der Landesverwaltung angelastet werden können. Der Rekurs sei kein ordentlicher Schriftsatz, sondern ein allgemeines Lamento. 
Die Rekurssteller werden verurteilt, dem Land auch die Verfahrensspesen von 3.000 Euro zurückzuzahlen.
Doch die große Frage wird sein, ob das Land die 143.000 Euro jemals wiedersehen wird.
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Profil für Benutzer Josef Ruffa
Josef Ruffa Di., 30.05.2023 - 17:25

"Und weil weder der für die Medienförderung zuständige Kommunikationsbeirat des Landes, noch die Finanzabteilung des Landes anscheinend genauere Kontrollen durchführen,"

Interessante Feststellung.

Di., 30.05.2023 - 17:25 Permalink
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Profil für Benutzer Norman Udo
Norman Udo Mi., 31.05.2023 - 11:19

Endlich ein wenig Gerechtigkeit. Gabriel Torggler ist am 18. März 2023 verstorben. Seinen Radiosender "Südtiroler Rundfunk" betreibt jetzt seine Ehegattin. Dreist ist, dass z.B. auf der Webseite von https://radio-suedtirol.eu einfach ein Bild vom ORF eingebaut wurde. Hat dieses Phantomradio keine eigenen Bilder vom Studio? Ebenso wurden auf der Webseite https://hitradiosuedtirol.com Fotos von Prominenten und anderen Radiostationen veröffentlicht. Laut dieser Webseite soll Frau Merkel Studiogast gewesen sein. Eine glatte Lüge! Das Originalfoto stammt nämlich von SWR2 siehe: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/angela-merkel-spricht-ue…

Mi., 31.05.2023 - 11:19 Permalink
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Salto User
Jasmin Di., 20.02.2024 - 15:25

Antwort auf von Norman Udo

Schon schade, dass ein verbitterter Mann glücklich ist, dass ein Vater einer Familie verstorben ist und sich noch herausreden will. So wie er sich freut, dass andere Familien eine geliebte Familie verliert, sollte man ihn wünschen, dass ein paar Auslän deiner Familie was antun sollen.

Di., 20.02.2024 - 15:25 Permalink