Umwelt | Schnals

Der Ötzi-Gipfel

Auf der Grawand im Schnalstal eröffnet eine neue Aussichtsplattform. Die Heimatpfleger hinterfragen die Sinnhaftigkeit und den Namen der Konstruktion.
Ausblick Grawand
Foto: commons.wikimedia.org/ЭЯMДИИФ БIFFI

“Am Gipfelkreuz stehen und den atemberaubenden Rundblick auf die Bergwelt genießen, wie Ötzi es schon vor 5.300 Jahren getan hat.” So bewirbt die Schnalstaler Gletscherbahnen AG ihr neuestes Projekt. Hoch oben über dem Schnalstal, auf 3.251 Metern Meereshöhe, hat der Seilbahn- und Skigebietbetreiber auf der Grawand – ein Berg der Ötztaler Alpen – eine Aussichtsplattform errichten lassen.

Voraussichtlich am 18. Juli wird die Konstruktion am Gipfelkreuz der Grawandspitze eröffnet. Entworfen und errichtet wurde die Stahlkonstruktion von Südtiroler Technikern und Unternehmen und wird über eine Treppe in zehn Minuten von der Bergstation der Seilbahn erreichbar sein, erklärt die Schnalstaler Gletscherbahnen AG auf ihrer Webseite:

“Oben angekommen entdeckt man das glitzernde Schneefeld des Similaun (3.606 m), an dessen Fuße am 19. September 1991 die älteste und berühmteste Gletscher-Mumie der Welt entdeckt wurde: Ötzi. Zudem erhascht man einen Blick auf den Hochjochferner und die Wasserscheide, die gleichsam die Staatsgrenze zwischen Österreich und Italien bildet: einmal fließt das Wasser von hier oben ins Schwarze Meer, einmal in die Adria. Auch der Pfad der Transhumanz ist von der Plattform aus zu sehen. Diese Jahrhunderte alte Tradition zählt seid kurzem zum immateriellen Welterbe der UNESCO.”

 

Getauft hat man die Aussichtsplattform auf den Namen “Iceman Ötzi Peak” (zu deutsch etwa: “Eismann-Ötzi-Gipfel”).

Bei den Heimatpflegern des Landes blickt man nun entsetzt ins Schnalstal. “Viele der Aussichtsplattformen im ganzen Land sind schon an und für sich auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu hinterfragen, zumal diese gewollte Inszenierung der Berge mit allerlei Kunstbauten in der Regel das landschaftliche Erscheinungsbild mindert”, schicken Claudia Plaikner, Obfrau, und Johannes Ortner, Vorstandsmitglied des Heimatpflegeverbandes in einer Stellungnahme voraus. “In Bezug auf die Nützlichkeit fragt man sich beim Beispiel in Schnals zudem: Wo bitte ist der Unterschied zwischen der Aussicht vom Grawand-Spitz und der neu errichteten Plattform mit dem – natürlich – englischen Namen ‘Iceman Ötzi Peak’? Und damit sind wir beim Bergnamen: Der eingebürgerte und sich am örtlichen Erscheinungsbild orientierende Bergname ‘Grawand’ (graue Wand) wird durch diese neue englische Bezeichnung für die Plattform in das Abseits gedrängt.”
Bergnamen seien “identitätsstiftende Sprachzeichen”, wie der Tiroler Sprachwissenschaftler Gerhard Rampl 2014 feststellte, “und sollen als solche erhalten bleiben”, mahnen Plaikner und Ortner,

Beim Heimatpflegeverband fragt man sich: “Wem gehören unsere Berggipfel – den Geschäftemachern oder uns allen? Dürfen Berge Ware sein? Und ebnet man mit dieser Benennung nicht den Weg für weitere sprachliche ‘Updates’?”