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„Für mich war er ein richtiger Kumpel"

Das Gedicht "Laas für Marijke" war Norbert C. Kasers Eintritt in die Literatur. Ein Gespräch mit Marijke. Über 50 Jahre nach der Entstehung des Gedichtes
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Foto: Projekt Klassentreffen Kaser

Sie haben mit Norbert C. Kaser 1967/68 in der Mittel­schule in Laas unterrichtet. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Marijke Zingerle: Ja, wir sind in Laas gelandet. Ich war 19 damals, gleich alt wie Norbert. Es herrschte eine Notlage an Lehrkräften, denn eigentlich waren für den Unterricht nur Lehrer mit einem Doktoratsstudium vorgesehen. Aber es gab zu wenige Lehrer im Land. Sogar der Pro­fessor in meiner Schule, der LBA, machte ziemlich Wer­bung. Und so dachte ich mir, lieber als oben am Berg eine fünfklassige Schule zu unter­richten, gehe ich nach Laas. Ich war mit Norbert im sel­ben Haus untergebracht, wir wohnten bei Olinda Stieger, im Haus von Karl Strimmer. Dort kamen auch noch ein paar weitere Lehrer unter, die ebenfalls in der Mittelschu­le unterrichtet haben. Am Abend ging es auch immer recht lustig zu in der Küche, es wurde Karten gespielt. Der Norbert war ein eifriger Kar­tenspieler.

Wie war Ihr Verhältnis zum Lehrer Kaser?
Es haben sich unter uns Lehrern bald kleine Gruppen gebildet. Der Norbert und ich, wir waren am Anfang meistens zusammen und sind durch die Gegend marschiert, durch das kleine Dorf, haben uns unterhalten und viel gelacht. Wir kamen ja beide aus einem städtischen Umfeld, er aus Bruneck, ich aus Meran. Und nun waren wir beide in diesem kleinen Dorf Laas gelandet. Wir sind in den ersten Wochen viel durch die Wiesen spaziert, auch immer wieder zum Kirchlein St. Sisinius. Das hat uns beiden gefallen. Norbert und ich haben uns wahnsinnig gut vertragen. Allerdings änderte sich die Situation im November 1967.

Inwiefern?
Für mich war er ein richtiger Kumpel, ein feiner, ein lustiger Mensch. Er war auch ein sehr zärtlicher Mensch, wenn er beispielsweise, als ich kalte Hände hatte, sie mir mit seinen Händen wärmte. Das war richtig nett. Ich lernte in dieser Zeit auch einen Geologen aus Deutschland kennen, der in Laas seiner Arbeit nachging. Er war viel älter als ich, hieß Alb­recht und wohnte in einem VW-Bus außerhalb des Dorfes. Ich habe ihn später auch geheiratet. Norbert hat auf diese Liebe recht sauer reagiert. Mit Anfang November hat Norbert resigniert. Als wir uns sahen, war er weiterhin nett und freundlich. Aber es war nicht mehr so wie vorher.

Und wann hat er Ihnen das Gedicht gegeben, mit welchem er später seinen Einstieg in die Literatur begründet?
Er hat mir das Gedicht nicht gegeben, er hat es mir direkt in mein Tagebuch geschrieben.

Wie kam es dazu?
Es war Ende Oktober 1967 und ich saß an einem Nachmittag am Balkon und korrigierte Hefte. Da kam auch Norbert dazu und wir genossen die angenehme Herbstsonne. Ich saß auf einem Stuhl und er setzte sich neben mich auf den Boden. Dann fragte er plötzlich, ob er etwas in mein Tagebuch hineinschreiben dürfe. Zunächst wollte ich das nicht, aber er hat es dann doch gemacht. Ich war sprachlos, er schrieb es in einem Guss.

Irgendwie habe ich bis heute das Gefühl, ich hätte damals anders reagieren müssen, auch wenn ich nicht wüsste wie.

Wie haben Sie auf das Gedicht reagiert?
Ich wusste bereits, dass er schreibt, aber ich kannte vorher nichts. Es hat mir schon irgendwie gefallen, dass er so aus dem Stegreif ein Gedicht in mein Tagebuch schreibt. Mehr aber nicht.

In Laas für Marijke sah Kaser seinen literarischen Anfang. Zugleich symbolisiert das Gedicht auch ein Ende ihrer freundschaftlichen Verbindung zu Kaser?
Auch wenn Norbert sehr zärtlich und nett war und vielleicht auch mehr von mir wollte - eine Beziehung, das war für mich indiskutabel. Im Spätherbst bemerkte er - auch wenn er es nicht wahrhaben wollte -, dass es in meinem Leben nun vor allem Albrecht gab. Norbert hat dann so reagiert, dass sein Verhalten in den nächsten Monaten so extrem war, dass ich mich immer mehr von ihm abgewandt habe.

Hat sich Norbert C. Kaser verändert?
Er war in vielen Dingen sehr extrem. Ich erinnere mich, dass er in den ersten Wochen auch gar nicht viel Alkohol getrunken hat und sich lieber am Abend einen starken Espresso machte. Einen nach dem an­deren. Manchmal gab er sogar Salz und Pfeffer hinein. Das war eigen­artig. Aber er liebte das Extreme. Das mit dem Alkohol kam später. Irgendwie habe ich bis heute das Gefühl, ich hätte damals anders reagieren müssen, auch wenn ich nicht wüsste wie. Wir als Paar? Das wäre nicht möglich gewesen. Das hätte ich damals auch nicht gewollt.

Hat er Ihnen nie mehr etwas Literarisches zukommen lassen?
Später hat er mir ab und zu Zettelchen zum Lesen gegeben. Ab und zu stand da ein Satz, den ich in den nachfolgenden Jahren verein­zelt in Gedichten wiederentdeckt habe. Aber da hatten wir keinen Kontakt mehr.

Haben Sie Norbert C. Kaser nach der Zeit in Laas noch einmal wiedergesehen?
Das war Anfang der 1970er Jahre in einem Gemüsegeschäft in Meran. Er stand plötzlich neben mir. Ich habe mich gefreut ihn zu sehen und es war auch eine Vertrautheit da. Ich habe bis heute sehr gute und wirklich schöne Erinnerungen an ihn.