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Generation Genossenschaft

Die neue Vizepräsidentin des Südtiroler Genossenschaftsverbands Legacoopbund, Monica Devilli, über die lokale Start-up-Szene und neue Wohnbaukonzepte.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Monica Devilli
Foto: Coopbund

Frau Devilli, wie fühlen Sie sich als neue Vizepräsidentin von Legacoopbund. Was wird sich für Sie ändern?
Seit 13 Jahren bin ich nun schon bei Legacoopbund tätig. Angefangen habe ich mit der Revisionsarbeit, einer der wichtigsten Aufgaben im Genossenschaftsverband. Vor sechs Jahren habe ich dann begonnen die Förderung zu leiten, d.h. ich beschäftige mich mit der Neugründung von Genossenschaften. Im Vorstand arbeite ich auch schon seit fünf Jahren. Der Unterschied ist jetzt, dass ich eine offizielle Vertretungsrolle innehabe. De facto ändert sich für mich dadurch aber nicht viel.

Was möchten Sie in Ihrer neuen Position gerne umsetzen. Gibt es etwas, das sie verändern würden?
Zu Beginn einer neuen Vorstandskonstellation werden immer neue Linien erarbeitet. Dies ist allerdings eine gemeinschaftliche Aufgabe des gesamten Vorstandes. Zusammen entscheiden wir darüber, was verbessert werden muss und welche Neuerungen wir in der kommenden Zeit einführen wollen. Dabei geht es uns primär darum, den Genossenschaften zu helfen, ihre unternehmerischen Kapazitäten zu stärken. Das bieten wir als Dienstleister an. Ein Beispiel dafür ist der Weiterbildungsplan, der Anfang 2017 begonnen hat. Es ist wichtig, dass Genossenschaften sich weiterbilden, um ihre Rolle zu festigen und konkurrenzfähiger zu werden.

Sie sind auch verantwortlich für die Start-up-Beratung. Wie sieht es in Südtirols Start-up-Szene aus? Florieren Neugründungen, oder mangelt es noch am jungen kreativen Unternehmergeist?
Vor sechs Jahren haben wir begonnen, an der Förderung von Start-ups zu arbeiten. Wir erstellen Gründungsvorhaben und versuchen alle Aspekte in Betracht zu ziehen, um Neugründungen zu fördern und umzusetzen. Pro Jahr wenden sich ca. 100 Gruppen an uns, die gerne Unternehmen gründen würden. Natürlich arten nicht alle davon in Genossenschaften aus. Bis zur Entscheidung können sechs Monate vergehen. Wir helfen in dieser Phase mit der Planung, eventuellen Richtungsänderungen usw. Nach der Beratung entscheiden sich in der Regel aus 100 Gruppen, ca. 12 für eine Neugründung.Mir ist aufgefallen, dass vermehrt Freiberufler sich an uns wenden. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass man im Team mehr Kapazitäten erreichen kann, um sich auf dem Markt zu platzieren. Eine weitere Tendenz der letzten Jahre ist eine verstärkte Initiative vieler junger Menschen, und vermehrt auch Frauen. Mittlerweile sind fast 40% der Verwaltungsratsmitglieder der Genossenschaften Frauen. Es gibt viele junge Leute mit innovativen Ideen. Diese möchten wir besonders fördern. Vor allem im Bereich der Forschung floriert die Start-up-Szene. Junge Akademiker unter 35, die ihre Forschungsprojekte nicht im Rahmen ihrer Tätigkeit entwickeln können, wenden sich dann an uns.

Viele der Mitglieder des Genossenschaftsverbands zeichnen sich durch Familienfreundlichkeit aus. Wie wichtig schätzen Sie diesen Faktor ein?
Die wichtigste Eigenschaft von Genossenschaften ist die Flexibilität. Es geht zentral um die Bedürfnisse der Mitglieder, nicht um reine Gewinnmaximierung. Als Frau kann das zusätzlich von Vorteil sein, weil die Flexibilität es ihr ermöglicht, den Beruf leichter mit der Familie zu vereinbaren. Betrachtet man die Sozialbilanz unseres Verbandes, so lässt sich die Familienfreundlichkeit allein schon daran erkennen, dass viele Führungspositionen unserer Genossenschaften von Frauen besetzt sind, und diese Tendenz in den letzen Jahren sogar noch gestiegen ist.

Landesrat Christian Tommasini meinte beim Landeskongress von Legacoopbund, es sei ein Umdenken für die Umsetzung neuer Wohnkonzepte nötig. Er bezog sich dabei auf ähnliche Projekte wie das Co-housing der Wohnbaugenossenschaft Wagnis in München. Werden Sie ein solches Konzept realisieren? Oder haben sie innovative Ideen im Bereich Wohnbau?
Eines unserer Mitglieder, Sophia – Genossenschaft für soziale Innovation und Forschung, hat im letzten Jahr ein Forschungsprojekt zum Thema Co-housing geleitet. Bei diesem Projekt ging es speziell um junge Menschen, die sich eine berufliche Position erst noch schaffen müssen und es sich daher noch nicht leisten können, eine eigene Wohnung zu mieten bzw. zu erwerben. Wir haben dieses Projekt aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht betrachtet und bewertet, wobei der finanzielle Teil noch einer Vertiefung bedarf. Ein ähnliches Projekt wie Wagnis gibt es in unserem Verband noch nicht, wir arbeiten allerdings daran und werden versuchen, mit Genossenschaften im Bereich Wohnbau ein solches Pilotprojekt zu starten und es landesweit umzusetzen.

Mit welchen weiteren dringenden Fragen werden sich Südtirols Genossenschaften in Zukunft auseinandersetzen müssen und wie wollen sie als Genossenschaftsverband auf diese Herausforderungen reagieren bzw. die Mitglieder dabei unterstützen?
Das kommt ganz auf die Kategorie der Genossenschaft an. Es gibt zwei große Genossenschaftstypen, die beide vor Herausforderungen stehen. Zum einen die Sozialgenossenschaften. Das Ziel ist es, sie in ihrer Finanzierung unabhängiger zu machen. Eine zweite Kategorie sind Arbeitsgenossenschaften. Unternehmen sind oft mit dem Problem der Auflösung konfrontiert, wenn sich kein Nachfolger finden lässt. Hier bietet sich die Umwandlung in sogenannte Arbeitsgenossenschaften, also genossenschaftliche Unternehmen für Arbeiter, die dann die Firma in die Hand nehmen können. Auch in diesem Bereich bieten sich in Südtirol Fördermöglichkeiten. Es ist dabei wichtig, zum „richtigen“ Zeitpunkt über die Ereignisse informiert zu werden und die Möglichkeit zu haben, sich mit den Führungsorganen und Arbeitern gemeinsam an einen Tisch zu setzten. Es ist sicherlich kein leichter Prozess, da die Arbeiter sich unternehmerische Fähigkeiten erst aneignen müssen. Dennoch birgt diese Umwandlung große Chancen. Dieses sogenannte workers buy out Projekt beabsichtigen wir im laufenden Jahr, mit den zuständigen öffentlichen Einrichtungen, den Unternehmen und der Bevölkerung vorzustellen.
Ein großes Thema für alle Genossenschaften ist sicherlich auch die Anerkennung als Unternehmen. Diese Lücke wollen wir schließen und die Öffentlichkeit besser über das Genossenschaftswesen und ihre Wichtigkeit und Rolle in unserer Gesellschaft informieren.