Umwelt | Raum und Landschaft

„Ich bin nicht leicht zu überreden“

Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer über das neue Urbanistikgesetz, ihre Gegenstimme in der Landesregierung, den Druck der Lobbys und ihren Wunsch an das Christkind.
Kuenzer Hochgruber, Maria
Foto: LPA
Salto.bz: Frau Landesrätin Kuenzer, in der Südtiroler Urbanistik findet derzeit sozusagen der Sommerschlussverkauf statt?
 
Maria Hochgruber-Kuenzer: Nein, das stimmt so nicht. Es stimmt, dass eine bestimmte Panik da ist, weil einige glauben, dass mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft gewisse Dinge nicht mehr möglich sein werden. Man hat ja immer gesagt, wir müssen sparsam mit dem Grund umgehen, wir müssen uns in den Siedlungsgrenzen räumlich entwickeln und außerhalb der Siedlungsgrenzen unsere Lebensgrundlage, das heißt die Natur und Landschaft, erhalten.
 
Tatsache aber ist: Die Lobbys und Interessensgruppen drücken jetzt ihre Projekte mit aller Gewalt durch, bevor das neue Urbanistikgesetz mit 1. Jänner 2020 in Kraft tritt?
 
Bei einigen stimmt das. Man muss aber auch sagen: Einige Projekte waren sozusagen schon in der Wartschleife drinnen. Andere sind dazugekommen. Es ist ein gewisser Druck da. Wahrscheinlich liegt das auch an der Person, die den Auftrag bekommen hat den Bereich Raum und Natur zu gestalten. Weil man sagt: „Pass auf, die zieht das durch“.
 
Sie sagen, die Lobbys haben Angst vor Maria Hochgruber Kuenzer?
 
Nein. Aber man hat gemerkt, dass hier eine Person beauftragt wurde, die es ernst meint.
Es stimmt, dass eine bestimmte Panik da ist, weil einige glauben, dass mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft gewisse Dinge nicht mehr möglich sein werden.
Vorab war man davon ausgegangen, dass Sie zu allem Ja und Amen sagen werden. Jetzt haben Sie aber mehrmals offen und als Einzige in der Landesregierung gegen Projekte gestimmt?
 
Diese Annahme, dass ich zu allem Ja und Amen sage, verstehe ich nicht. Ich habe vorher im bäuerlichen Umfeld gewirkt und auch dort hat man mich erst verdauen müssen, weil ich eben nicht zu allem Ja und Amen sage. Der Landeshauptmann wusste bei meiner Berufung sehr wohl, dass ich nicht ganz leicht zu handhaben bin. Ich bin eine Person mit eigener Meinung und eigener Überzeugung, die aber sehr wohl weiß, was es heißt, Mehrheiten zu bekommen und zu haben...

Sie waren aber jetzt mehrmals allein auf weiter Flur in der Landesregierung dagegen?
 
Ich bin darüber nicht glücklich, denn das ist nicht das Ziel. Das kann es nicht sein.
 
Ist es nicht immer dasselbe Spiel. Die Umweltlandesrätin stimmt halt dagegen, weil man eh weiß, dass die Projekte genehmigt werden?
 
Nein, so ist es nicht. Wenn das der Fall wäre, dann habe ich mich an diesem Dienstag auch gegen das positive Gutachten der Ämter gestellt. Die zuständigen Ämter haben im Fall Tourismuszone Latsch ein positives Gutachten erteilt. Ich aber habe mich aufgrund der Unterlagen, aufgrund der fehlenden Zufahrt, aufgrund der Lage in der dieser Hektar Grund verbaut werden soll, aufgrund der Höhe des Baukörpers dagegen ausgesprochen. Für mich ist hier ein positives Gutachten nicht nachvollziehbar. Es stimmt deshalb absolut nicht, dass meine Gegenstimme nur strategisch ist.
Ich habe vorher im bäuerlichen Umfeld gewirkt und auch dort hat man mich erst verdauen müssen, weil ich eben nicht zu allem Ja und Amen sage.
Sind Sie überzeugt von dem, was Sie in der Landesregierung und auch öffentlich sagen?
 
Ich bin absolut davon überzeugt. Kann ich ein negatives Gutachten meiner Ämter nicht nachvollziehen, kann es genauso gut sein, dass ich dann gegen die Ämter stimme.
 
Die erste Streitfrage, war die Abstimmung über den Marinzen-Lift auf die Seiser Alm?
 
Der Marinzen-Lift wäre auf den Puflatsch gegangen. Das ist eine wunderschöne, einzigartige Landschaft. Es gibt bereits eine kleine Anlage, einen Sessellift dort und das reicht vollkommen. Ich bin der Meinung, dass das einfach vom Standpunkt des Landschaftsschutzes aus nicht in Ordnung ist.
 
Sie machen sich damit in- und außerhalb der Landesregierung mächtige Feinde?
 
Schauen Sie, ich habe ein bestimmtes Alter, das mir auch die Freiheit gibt so zu entscheiden. Nicht gegen jemanden, sondern wie ich es für richtig halte und wie ich die Verantwortung spüre.
 
 
Sie haben ein Urbanistik- und Landschaftsschutzgesetz geerbt, das bereits vor es in Kraft tritt, schon wieder überarbeitet wird. Kein guter Start?
 
Ich konnte als Landtagsabgeordnete dieses Gesetz mitgestalten. Der Ansatz meines Vorgängers Richard Theiner war es, dass sowohl die politischen Vertreter, wie auch die Dachverbände bei diesem Gesetz mitarbeiten können. Ich habe mich damals auch eingebracht. Heute finde ich Artikel im Gesetz, wo ich sagen muss: Da war ich immer schon dagegen. Sie stehen jetzt trotzdem im Gesetz....
 
Wie gehen Sie als zuständige Landesrätin damit um?
 
Vom Naturell her bin ich nicht eine Person, die sagt, ich muss etwas schützen, weil sie es nicht können. Ich sage: Wir müssen beide den Wert erkennen. Das ist zum Beispiel mein Ansatz im Landschaftsschutz. Das heißt Überzeugungsarbeit zu leisten. 
Schauen Sie, ich habe ein bestimmtes Alter, das mir auch die Freiheit gibt so zu entscheiden. Nicht gegen jemanden, sondern wie ich es für richtig halte
Sie suchen jetzt verstärkt den Dialog mit den Umweltschutz-Verbänden. Brauchen Sie Verbündete?
 
Wir sind 530.000 Menschen in Südtirol. Warum sollen wird uns gegenseitig das Leben schwer machen? Ich glaube, dass eine Kultur des gegenseitigen Bekämpfens, wo es nur mehr um das Gewinnen geht und darum zu sagen, wer bekommt Recht, nicht sinnvoll und zielführend ist. Ich werde deshalb nicht auf Konfrontation gehen, sondern ganz bewusst den Ausgleich suchen. Aber mit einer ganz klaren Vorstellung, dass ich einen Auftrag habe.
 
Sie haben Frank Weber als Ressortdirektor berufen. Er ist als auch Abteilungsdirektor und damit Vorsitzender der Kommission für Raum und Natur. Damit sitzt ein politischer Beamter der wichtigsten Fachleutekommission des Landes vor. Verstehen Sie, dass das nicht gehen kann?
 
Ich verstehe die Kritik, die jetzt gekommen ist. Aber das ist nur eine Übergangslösung.  Weil das neue Gesetz ansteht und es klare Termine zur erfüllen gilt, habe ich meinen Abteilungsdirektor gefragt, ob er bereit wäre für eine bestimmte Zeit gewisse Doppelfunktionen zu übernehmen. Herr Weber, war für mich die Person, die eine gewisse Kontinuität garantiert. Ich komme aus einer bestimmten Gesellschaftsschicht und deshalb hat man auch hier im Hause die Frage gestellt: Jetzt kommt die Landwirtschaft auch noch in die Urbanistik...
Der Landeshauptmann wusste bei meiner Berufung sehr wohl, dass ich nicht ganz leicht zu handhaben bin.
Die eigentliche Frage ist: Werden Ihnen die Durchführungsbestimmungen zum neuen Urbanistikgesetz aus der Zentrale des Südtiroler Bauernbundes diktiert?
 
(lacht) Fragen Sie dazu den Bauernbund. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Der Bauernbund hat sich bei mir gemeldet und mich gefragt, warum ich nicht mehr zu den monatlichen Sitzungen komme. Wir besprechen so wie mit allen Interessensvertretern grundsätzliche Themen. Aber mehr gibt es da nicht.
 
Die Raumordnungspolitik der Regierung Kompatscher unterschiedet sich kaum mehr von jener, die unter Luis Durnwalder gemacht wurde. Immer wieder beschließt man Großprojekte gegen die Gutachten der zuständigen Ämter?
 
Ich sitze zum ersten Mal in der Regierung und möchte hier keine Vergleiche ziehen. Ich denke aber, dass diese drei wesentlichen Entscheidungen, die getroffen wurden, auch einigen aufgezeigt haben, dass es so nicht geht. Dazu kommt, dass ich klar Position einnehme und auch öffentlich argumentiere, warum ich dagegen bin. Ich glaube, solange wir über Argumente streiten, sind wir auf dem richtigen Weg. Wenn es aber um Partikularinteressen geht, dann ohne mich. Ich sage aber nochmals: Ich bin nicht glücklich darüber, wenn ich angesprochen werden: „Bravo, du hattest Mut“. Tatsache ist: Ich habe verloren.
 
Die Grundsatzfrage ist, wie weit geht Ihre Belastungsgrenze?
 
Ganz genau: Was tue ich mir alles an? Vom Typ her bin ich eine Lastenträgerin. Das war ich immer schon. Es gelingt mir jetzt aber zunehmend besser, Dinge abzuwerfen, in dem ich nicht alles auf mich beziehe und offen Position ergreife. Ich habe nicht mehr diese missionarische Art, die ich einmal hatte, zu sagen: „Ich muss dich ändern.“ Das gibt mir auch mehr Freiheit.
Vom Typ her bin ich eine Lastenträgerin. Das war ich immer schon.
Die Urbanistik, Raumplanung und das Bauwesen ist traditionell ein Männer dominierter Bereich. Merken Sie, dass manche denken: „Ach diese Zussl werde ich schon über den Tisch ziehen?“
 
Sie ist nicht leicht zu bewegen (lacht). Nein, das weiß man. Natürlich versucht man manchmal über den Landeshauptmann zu intervenieren. Dass man sagt: „Mit ihr ist das schwierig“. Man versucht es vielleicht über die Ämter. Aber eine meiner Stärken und Schwächen zugleich ist es, dass ich mich in die Themen zu viel hineinarbeite. Die Schwäche dabei ist: Ich halse mir damit unheimlich viel Arbeit auf. Die Stärke hingegen: Ich bin nicht leicht zu überreden.

Wenn Sie beim Urbanistik-Christkind einen Wunsch hätten: Was würde Sie sich im Bezug auf das neue Raumordnungsgesetz wünschen?
 
Dann würde ich mir wünschen, dass es auf Anhieb hundert Techniker mehr im Land gäbe.  Die Gemeinden müssen jetzt einen Techniker für die Siedlungsabgrenzung beauftragen, für den Ensembleschutz, für das Mobilitätskonzept, für das Tourismuskonzept und für den Leerstand der Gebäude. Das alles müssen die Gemeinden vorlegen, wenn sie die Siedlungsgrenzen beantragen. Meine große Sorge ist, dass die Südtiroler Gemeinden für die Ausarbeitung und Koordination dieser Pläne nicht genügend Techniker finden werden. Deshalb mein Wunsch ans Christkind: Hundert neuer Techniker.