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Don´t Worry - Weglaufen geht nicht

Regisseur Gus Van Sant widmet sich in seinem neuesten Werk dem tragischen Schicksal eines alkoholkranken Comiczeichners – der noch dazu im Rollstuhl sitzt.
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Foto: Amazon Studios

John Callahan hat es nicht leicht. Er ist jung, feierwütig, und weiß nicht so recht was er mit seinem Leben anfangen soll. Noch dazu, oder gerade deswegen, hängt er an der Flasche. Eine Zustandsbeschreibung, wie sie auf jeden zweiten jungen Menschen im Jahr 2018 zutrifft, doch „Don´t Worry“ spielt in bunten 70ern. Eines schönen Abends übertreiben es John und sein Kumpel mal wieder, steigen ins Auto und bauen prompt einen Unfall. Die Folgen sind schwerwiegend: John wird querschnittsgelähmt und muss sein feucht-fröhliches Leben von nun an im Rollstuhl verbringen. Dass sein Alkoholkonsum nicht besonders erträglich ist, erkennt er selbst, und so beschließt er, den anonymen Alkoholikern beizutreten. Dort trifft er auf den Hippie Donny, der einiges versucht, um John wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Und auch die Liebe kommt nicht zu kurz, bereits im Krankenhaus läuft ihm die Schwedin Annu über den Weg, eine Begegnung, die sich wiederholt, aber immer nur von kurzer Dauer sein wird. Letztendlich beginnt John, seine eigenen Probleme und die um sich herum in krakeligen Comiczeichnungen zu verarbeiten. Die Cartoons stoßen in der Öffentlichkeit sowohl auf Begeisterung als auch auf Ablehnung. Die Karriere des Künstlers John Callahan hat begonnen.

Weglaufen geht nicht. Auch wenn man es am liebsten würde.

All das, was uns Gus Van Sant hier in zwei Stunden teils nicht-linear erzählt, basiert auf den Memoiren des wahren John Callahan, der 2010 an den Folgen einer Operation verstarb. Verkörpert wird er in der Verfilmung nun von Charakterdarsteller Joaquin Phoenix, der eine wirklich wunderbare Performance abliefert. Eigenwillig und stets überzeugend läuft er erst, und rollt dann später mit einem Affenzahn über die Gehwege von Los Angeles, dass selbst dieser Anblick ein Lächeln hervorlockt. An seiner Seite steht ein beeindruckender Cast. Rooney Mara als Annu, der unterschätzte Jonah Hill als schwuler Donnie, Jack Black als Unfallfahrer Dexter. Dazwischen immer mal wieder Beth Ditto als krebskranke Reba und Udo Kier als herrlich klischeehafter Deutscher Hans. Ja, Van Sant weiß mit seiner Besetzung zu überzeugen und umzugehen. Doch die großen schauspielerischen Leistungen stehen in keinem Verhältnis zu dem schwachen, langsam vor sich hin tröpfelnden Drehbuch. Der Film wartet mit einzelnen, humorvollen oder tragischen Momenten auf, doch in seiner Gesamtheit ist er weder Fisch noch Fleisch. Das Hauptproblem liegt darin, dass „Don´t Worry“ nicht weiß, was er sein will. Für eine Biographie ist er nicht authentisch genug, für ein Drama nicht ernst genug, für eine Komödie nicht lustig genug. Die meisten Figuren, mal abgesehen von John selbst, sind Abziehbilder bekannter Klischees und deswegen kaum interessant. Die stärksten Momente spielt der Film dann aus, wenn er Phoenix die Bühne völlig überlässt. Ein nach Alkohol gierender Mann im Rollstuhl kann in einer Wohnung einigen Schaden anrichten, mehr sei nicht verraten. Abgesehen davon sorgt das Leben Callahans in dieser Umsetzung eher für lautes Gähnen. Zu uninteressant sind die Gespräche, zu uninspiriert die Inszenierung. Zwar versucht Van Sant seine Zeitsprünge durch an die 70er Jahre angelehnte Überblendungen zu überbrücken und so ein Gefühl für das Jahrzehnt zu schaffen, doch angesichts der Tatsache, dass so manch eine Figur durch ihre Charakterisierung und durch ihr Auftreten überzeichnet und fast wie eine Karikatur wirkt, scheitert er an dieser Stelle am authentischen Ansatz. Womit wir wieder bei dem Fisch und dem Fleisch sind.

Don't Worry - Weglaufen geht nicht (Trailer OmU), von Filmclub

„Don´t Worry“ steht weit im Schatten von Van Sants restlichem Werk, einer Filmographie, die „Good Will Hunting“ und „Elephant“ hervorgebracht hat. Eine verpasste Chance, dem grundsätzlich interessanten Leben Callahans ein würdiges Denkmal zu setzen. So wie sich der Film letztendlich präsentiert, bekommt sein Untertitel eine unangenehm wahre Bedeutung: Weglaufen geht nicht. Auch wenn man es am liebsten würde.