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„Ein südtirolerisches Arschloch“

...weltoffen, cool, frech und vor allem scheinheilig. Heute das Werk von Peter Verwunderlich. Barbara Brugnara, BAW- Cofounderin im Gespräch.
Arschloch
Foto: Fanni Fazekas
  • Barbara Brugnara: Peter Paul Pedevilla alias Peter Verwunderlich. Der Künstlername ist Programm und verpflichtet. Verwunderung ist mehr und anders als Staunen – es ist ein Blick auf die Welt und die Erfahrung, dass es tatsächlich noch etwas zu sehen gibt. Spannend bleibt ob dieses „Sehen“ befriedigt oder schockiert. Aber im Wort selbst steckt auch das Wort Wunde, also verstörend, verletzend und verletzlich.

     

    Peter Verwunderlich: „ja genau, ursprünglich war dieser Name eine Beschreibung meiner Verwunderung darüber, dass ich trotz meiner prekären familiären Situation und den negativen Erfahrungen und Erlebnissen in den verschiedenen Internaten dieses Leben habe und noch lebe,  aber in meinem Leben hat die Verwunderung kein Ende es ist ein fester Bestandteil meiner Werke, wie z.B. jene über die aktuellen Ereignisse in der Welt, zwischen Umweltkrisen und Kriegen- so bleibe ich erstaunt und eigenartig.  

     

    Nach der Pflichtschule in verschiedenen Internaten in Südtirol und neben der Arbeit als Kellner sind Sie per Anhalter umhergereist und haben so ziemlich alles ausprobiert. Ohne sich selbst zu vergessen, sind Sie Künstler und Mensch geblieben.
    Nach der Ausbildung als Graphiker in Bozen studierten Sie an der Hochschule für angewandte Kunst Wien (heute Uni). Sie waren ein Meisterschüler von Professor. Wolfgang Hutter und Mitbegründer der Wiener Schule des phantastischen Realismus. 1996 erhalten Sie den„magister artium“ (Magister der Künste) und zählten zu den besten Absolventen nach 1945. Sie leben und arbeiten z. Z. in Meran. Woher kommt die Faszination Kunst bei Ihnen?

     

    Schon als Kind waren die Zeichnungen in der Schule ausschlaggebend für bessere Noten, in den Internaten konnte ich mich nicht sonderlich ausdrücken, es konnte nicht geredet werden aber über meine Zeichnungen habe ich mich entfaltet, und zwar immer schon sozialkritisch. Die normale Matura habe ich dann nicht geschafft, bin aber wegen meiner „außerordentlichen“ Begabung in die Hochschule in Wien aufgenommen worden.

     

    Von Paul Klee, dem Sie wohl einiges verdanken, stammt der Satz: “die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Ihre Arbeiten sind nicht realistisch; sie bilden die Welt nicht ab. Sie sind aber auch nicht abstrakt, sondern halten an einer oft traumhaften Gegenständlichkeit fest, ohne surreal zu sein. Sie haben für sich selbst deshalb die Bezeichnung “Phantastischer Realist“ angenommen.

     

    “Die heutigen Tatsachen realistisch zu malen verkraftet keiner mehr. Im übrigen fühlt sich das Fernsehen dazu verpflichtet und das Foto. Surrealistisch die Tatsachen malen kann sehr schnell als zu persönlich hingestellt werden;  phantastisch zu malen kann hingegen zutreffend sein. Abstrakt hat den Vorwurf: das kann ich auch.“

     

    Das hier präsentierte Werk trägt den Titel „ein südtirolerisches Arschloch -weltoffen, cool,  frech und vor allem scheinheilig". Es ist das aktuellste Werk (2023) aus der Projektreihe 2000.
    In Ihrer Kunst erzählen, reduzieren, schematisieren Sie. Es ist eine Art Skizzierung des Gegenständlichen und Ungegenständlichen. Ein Nebeneinander von Aussagen, die sich widersprechen und sich dann in einer bestimmenden Genauigkeit wieder treffen. Ihre Bilder laden zur Auseinandersetzung ein, zu Entdeckungen, manchmal zu einem Stirnrunzeln: wunderliche Arbeiten eben. 
    Sie lassen neue Bilder entstehen im Kopf und dieser Kopf ist eine neue Welt in unserer Welt. Nur am Rande kommen in diesen Bildern noch Erinnerungen an unser allgemein gültiges optisches Alphabet vor. Auch gefundene Materialien werden zum Bild dazu genommen oder verändern das Bild. All diese Veränderungen sind teilweise mit Humor und Überraschungseffekten bestückt. 
    Ich zitiere auch folgende gelesene Rezension: „Wer mit Neugier Ihre Werke betrachtet, tretet eine köstliche Ferienreise aus seiner eigenen Vorstellung heraus an und kehrt mit Gewinn wiederum in sein eigenes Wesen zurück.„ In ihren Arbeiten sind Sie prinzipiell auf den Menschen konzentriert, wobei Sie grundsätzlich von einer sozial durchmischten Gesellschaft ausgehen, also sich nicht auf bestimmte Schichten konzentrieren, sondern die Möglichkeit der Verständigung zwischen allen sozialen Gruppierungen suchen. Eigentlich ist dies ein zentrales Thema der zeitgenössischen Kunst, die Partizipation des Publikums als Aktivum mit einschießt. Wie sehen Sie die Kunstszene in Südtirol aktuell?


    „Ich glaube heutzutage, sagt dieses Werk über sich selbst, alles aus. Die Selbstreflexion ist gegeben und ist natürlich Pflicht. Ich als Künstler bin alles,  muss ich sogar sein, ausser scheinheilig! Ich würde nie aufhören diesen Selbstkuss, diese Selbstgefälligkeit unserer Gesellschaft zu kritisieren. Dies sollte jeder selber machen!  Die Umwelt, die Krawatte, das Gehirn und der Blick in den gleichgültigen zusammen geflickten (nach mir die Sündflut)Rahmen spricht für sich. In Südtirol wird sehr viel gebaut und zu wenig investiert in den Mensch Künstler. Immer die gleichen Künstler stellen aus – dabei sind es nicht die Kunst Experten, die entscheiden, sondern Beamte, welche Bilder und welche Künstler ausstellen dürfen. Wie auch in der Politik gewinnt die Partei die das Geld hat und am meisten ausgibt. Leider können bei uns Künstler nicht normal  von ihrer Kunst leben, v.a. jene nicht welche unbequem sind, weil Wahrheit nicht verkraftet wird. Ein Künstler kann sich bei uns kaum ein Atelier leisten, es gibt wenig konkrete Hilfe dafür also kann Kunst nur derjenige mache,n der Geld hat, als wäre es ausschlaggebend ein Atelier zu haben – die vielen Ausstellungen, die ich gemacht habe interessieren nicht, wenn ich kein Atelier aufweisen kann.  Ich mache jedoch auch in Zukunft mit meinen sozialkritischen Bildern weiter,  je mehr Steine mir in den Weg gelegt werden, desto angespornter bin ich Missstände aufzuzeigen und zu malen.

    Im Moment befasse ich mich mit den Sternzeichen, Radierungen, welche auch teilweise in der Bibliothek in Bruneck ausgestellt sind.

  • Foto: Fanni Fazekas
  • Werkangaben

    Foto: Peter Verwunderlich

    Titel: Ein südtirolerisches Arschloch -weltoffen, cool, frech und vor allem scheinheilig
    Serie: Projekt 2000
    Größe: 70 x 50 cm
    Jahr: 2023


    Technische Angaben
    Mischtechnik


    Preisvorschlag
    1.000€

  • SALTO hat mit dieser digitalen Galerie einen speziellen Raum für Künstler aus dem Euregio-Tirolo-Gebiet geschaffen.
    Die Kunstwerke werden exklusiv im Artstore von SALTO präsentiert.

    Artstore ist ein Projekt, das von der Kulturvereinigung BAU entwickelt wurde. Ab Januar 2023 liegt die Kuratorenschaft in den Händen von BAW - Bolzano Art Weeks. BAW ist ein Festival für zeitgenössische Kunst, das in einem Netzwerk mit Institutionen, Vereinen, Veranstaltern und Künstler*innen aus der lokalen, nationalen und internationalen Szene organisiert wird. In ihrer zweiten Ausgabe im Jahr 2022 fanden mehr als 150 Veranstaltungen in Galerien, Museen, Ateliers, unabhängigen, öffentlichen, privaten und temporären Räumen statt.

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    Foto: SALTO