Wirtschaft | Arbeitsmarkt

Das Potential der Frauen am Arbeitsmarkt

Dass Frauen weniger lang und intensiv am Arbeitsmarkt teilhaben, ist nichts Neues. Auch die Nachteile, die sich jetzt und in Zukunft dadurch ergeben, sind bekannt.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Frauen auf der Karriereleiter
Foto:  Adobe Stock Images
  • Ob die aktuellen Entwicklungen in Richtung Arbeitnehmermarkt etwas daran ändern und welche politischen Maßnahmen nötig sind, erklärt AFI-Forscherin Aline Lupa.

    salto.bz: Der Begriff „Arbeitnehmermarkt“ ist aus sich selbst heraus erklärend. Inwiefern hat sich der Arbeitsmarkt gewandelt und wer gibt jetzt den Ton an?

    Aline Lupa: Das Kräfteverhältnis von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Der Bedarf übersteigt das Angebot an Bewerberinnen und Bewerbern. In anderen Worten: Es gibt nicht mehr genug geeignete Bewerber für die verfügbaren offenen Stellen. Dadurch haben Arbeitssuchende potenziell eine bessere Ausgangs- und Verhandlungsposition gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitgebern. Und wenn es dazu kommt, dass sich die Unternehmen selbst bei den Arbeitssuchenden bewerben müssen, dann wird auch von einem „Bewerbermarkt“ gesprochen.

    Woran liegt das?

    Das ist leicht erklärt: Hauptgrund dafür ist der demografische Wandel. Mehr Menschen verlassen den Markt, als dass neue hinzukommen. Auch veränderte Wertevorstellungen der jüngeren Generationen und die neuen Arbeitsmodelle tragen zum Wandel bei. Die Generation Z will kürzere Arbeitszeiten und mehr Freizeit und nicht nur sie. Dieser Trend schwappt auch auf andere Altersgruppen über. Hinzu kommt das Südtiroler Problem der hohen Lebenserhaltungskosten. Diese sind im Italienvergleich proportionell höher als die Löhne. Ein Grund, warum viele Südtiroler ins Ausland gehen – sei es zum Arbeiten oder zum Studieren – wovon jährlich ca. 1.500 nicht zurückkommen.

    Gibt es erste Entwicklungen, die darauf hindeuten, dass der Mangel an Arbeitskräften dabei hilft, den Gender Pay Gap - die Differenz im Gehalt von Frauen und Männern - zu schließen?

    Das ist schwierig zu sagen.  Sicher ist, dass der Fachkräftemangel selbst schon als Anlass gesehen werden kann, den Gender Pay Gap weiter zu reduzieren. Die Lohnlücke ist einer der Gründe, warum Frauen weniger Beteiligung am Arbeitsmarkt zeigen. Derzeit beträgt sie hierzulande 16,5%, italienweit sind es 17%. Die Lohnlücke zu schließen könnte Frauen mit Fachqualifikation dazu ermutigen, erwerbsfähig zu werden.

    Die Lohnlücke ist einer der Gründe, warum Frauen weniger Beteiligung am Arbeitsmarkt zeigen.

    Warum sind Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligt? Wie zeigt sich diese Benachteiligung und welche Risiken bergen eine geringere Erwerbsbeteiligung oder Teilzeitarbeit für Frauen?

    Heute gilt bei vielen tendenziell die Notion, dass Frauen gleichgestellt sind. Dies entspricht aber leider nicht der Realität. Betrachtet man die verschiedenen Gesellschaftsbereiche, können wir viele Hürden identifizieren, beispielsweise die niedrigeren Löhne trotz gleicher Qualifikation, welche einer Gleichstellung noch im Wege stehen. Aber auch unabhängig vom Bildungsgrad gibt es Einkommensunterschiede: Die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der größten Probleme. Das zeigt sich explizit am geringeren Arbeitsvolumen. Bei Frauen beträgt die Rate der Teilzeitarbeitenden 32,6%, bei Männern nur 6,9%. Zudem beobachten wir eine Horizontalsegregation am Arbeitsmarkt.

    Heute gilt bei vielen tendenziell die Notion, dass Frauen gleichgestellt sind. Dies entspricht aber leider nicht der Realität.

    Die „frauentypischen“ Berufe sind schlechter bezahlt und erfahren eine geringere Wertschätzung. Und das auch bei systemrelevanten Berufen, wie im Sozial- oder Gesundheitssystem. Frauen führen oft auch saisonale Jobs aus, beispielsweise im Gastgewerbe. Das bedeutet keine Jobgarantie und keine Rentenabsicherung, sowie führt dies zu geringeren Renten. Der Gender Pension Gap liegt bei fast 50%. Das ist extrem hoch. Frauen erleben insgesamt ein höheres Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko, und folglich auch ein größeres Risiko vom Sozialstaat abhängig zu werden. Dies schadet letztendlich der gesamten Gesellschaft. Wenn Frauen mehr am Arbeitsmarkt teilhaben, bringt das in Wahrheit Vorteile für alle.

    Frauen erleben insgesamt ein höheres Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko, und folglich auch ein größeres Risiko vom Sozialstaat abhängig zu werden

    Wie hat sich die Erwerbsbeteiligung der Frau in den Jahren entwickelt? Gibt es hier bedeutende Unterschiede zwischen Südtirol, Euregio, Italien und den Nachbarländern?

    Ja, teilweise schon. Laut ASTAT-Daten des 3. Quartals 2023 ist die Erwerbstätigenquote der Südtirolerinnen niedriger als in Nordtirol und höher als im Trentino. Im Staatenvergleich ist die Erwerbsquote etwas geringer als in Österreich und Deutschland. Im italienweiten Vergleich liegt Südtirol mit etwa 70% jedoch weit über dem italienischen Schnitt von 51%. Die Tendenz ist allerdings steigend.

    Sind Frauen besser, schlechter oder gleich gut ausgebildet? Und in welchen Branchen ist der Frauenanteil besonders stark?

    Hier wird es sehr interessant: Frauen haben Männer beim Bildungsniveau inzwischen eingeholt. Dennoch werden Frauen vom Berufseinstieg an benachteiligt. Eine OECD-Studie bestätigt sogar, dass der Gender Gap mit höherem Bildungsgrad steigt. Zwar argumentieren einige, dass der Gender Pay Gap nicht richtig berechnet werden kann, da Frauen und Männer in unterschiedlichen Branchen tätig sind, in den Sozialwissenschaften wird daher versucht, diesen Unterschied anhand der „Rational Choice Theorie“ zu erklären. Diese besagt, dass unsere gesamte Lebensplanung einer Nutzenorientierung folgt und Entscheidungen prinzipiell rationale Entscheidungen sind. Frauen suchten demnach Bildungswege und Jobs, in denen kein oder weniger Konkurrenzkampf mit Männern besteht, also beispielsweise in Dienstleistungsberufen. Das Argument, dass Frauen aufgrund persönlicher Vorlieben in bestimmte Berufe gehen, empfinde ich als schwierig. Vielmehr sind es gesellschaftliche Prägungen, die sich in Form von stereotypischen Rollenbildern auf den Arbeitsmarkt auswirken. Frauen besetzen beispielsweise weniger Führungspositionen, weil Ihnen oftmals die Eigenschaft zugeschrieben wird, dass sie emotionaler und deshalb ungeeignet seien.

    Kann eine bessere Integration von Frauen am Arbeitsmarkt in Hinblick auf die gesuchten Kompetenzen dabei helfen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen? Und wenn ja, in welchen Bereichen besteht der größte Fachkräftemangel?

    Ja, meiner Meinung nach schon. Frauen sind gut ausgebildet und stellen ein vorhandenes Arbeitskräftepotential dar. Das wird von der Südtiroler Politik bereits erkannt, oft aber von den Betrieben übersehen. Hier wäre ein besserer Austausch zwischen der Politik und den Betrieben gefragt. Vor allem Fachkräfte, also Frauen mit beruflichen Qualifikationen könnten vom Arbeitnehmermarkt profitieren. Der Fachkräftemangel besteht vor allem in der Gastronomie, im Handel und im Bausektor. Also unter anderem in Sektoren, in denen Frauen bereits überrepräsentiert sind. Da aber immer mehr Spezialisierungen gefragt sind, sollten Frauen auch motiviert werden in MINT-Berufe zu gehen, in denen sie unterrepräsentiert sind.

    Frauen sind gut ausgebildet und stellen ein vorhandenes Arbeitskräftepotential dar. Das wird von der Südtiroler Politik bereits erkannt, oft aber von den Betrieben übersehen.

    Welche Hürden gilt es für Frauen abzubauen?

    Sicherlich müssen geschlechterspezifische Rollenbilder aufgebrochen werden. Und das gilt für beide Geschlechter. Genauso wie Frauen für MINT-Berufe begeistert werden sollten, sollten sich Männer auch für Pflegeberufe interessieren können. Und ein ganz großes Thema ist wie bereits angesprochen jenes der – wie ich sie gerne nenne – Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Frauen mit Kindern würden laut Studien gerne mehr arbeiten, sind dazu aber nicht im Stande, weil die Kinderbetreuung vorwiegen auf ihren Schultern lastet. Würden Männer mehr davon übernehmen, könnten Frauen auch karrieretechnisch weiterkommen. Es bräuchte außerdem mehr staatliche Kinderbetreuung und eine Schließung des Gender Gap. In diesem Zusammenhang wird oft die hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen als problematisch angesehen. Was wäre denn, wenn wir stattdessen von dem Bild der Vollzeitarbeit als Standard wegkommen? Erst dadurch wird Teilzeit für Frauen zum Karrierehindernis und Vollzeit für Männer zum Hindernis mehr Kinderbetreuung zu übernehmen.

    Wie kann die Politik sonst noch dazu beitragen, dass diese Hürden abgebaut werden?

    Bis 2024 will man eine Reihe an arbeitsmarktpolitischen Zielen erreichen. Dazu gehört die Erhöhung der Frauenerwerbstätigenquote und die diskriminierungsfreie Teilhabe von Frauen. Hierfür braucht es mehr Beratung für Frauen und Betriebe. Der berufliche Wiedereinstieg muss leicht möglich gemacht werden. Neue Recruiting-Strategien sind anzuwenden und flexible Arbeitsmodelle sind einzuführen. Vulnerable Gruppen, wie z.B. Migrantinnen, gehören gefördert. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, weil wann immer von geschlechtlichen Unterschieden zwischen Frauen und Männern sprechen, müssen wir auch bedenken, dass es aufgrund von Faktoren, wie Herkunft und Religion auch große Unterschiede unter Frauen oder unter Männern geben kann.

    Können auch Betriebe und Frauen selbst ein Umdenken anstoßen? Und wie stehen Sie zum Thema „Frauenquote in Unternehmen“?

    Natürlich, auch die Betriebe sind in der Verantwortung etwas zu ändern. Frauen selbst können natürlich einiges dazu beitragen, indem sie sich selbst weiterbilden, lernen Karriereziele besser zu kommunizieren, sich zu vernetzen oder Gehaltsforderungen klar einzufordern. Die Hauptaufgabe liegt dennoch bei den Betrieben und bei der Politik. Es reicht nicht zu sagen, „Trau dich mal, du kannst das auch!“ Betrachten wir die hierarchischen Strukturen von Betrieben, sind ganz oben meist eine kleine Menge an männlichen Chefs angesiedelt. Es wäre sicherlich hilfreich, würden wir diese Funktionshierarchie zu einer Kompetenzhierarchie abändern, sodass sich  je nach Kompetenzen auch die Befugnisse verändern. Erwiesenermaßen sind solche Organisationsformen auch wandelfähiger. Es zeigt sich, dass Quoten gut sind, aber sie reichen nicht immer aus, um Diskriminierung abzubauen. Hierarchische Strukturen transformieren sich nicht automatisch. Ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen führt leider nicht immer automatisch zu mehr Parität, Austausch und Chancengleichheit im gesamten Unternehmen.

    Es zeigt sich, dass Quoten gut sind, aber sie reichen nicht immer aus, um Diskriminierung abzubauen. Hierarchische Strukturen transformieren sich nicht automatisch

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Dietmar Nußbaumer Do., 28.09.2023 - 20:14

Nachdem die Klimaerwärmung die Schigebiete ins Schwitzen bringen könnte, muss rechtzeitig auch im Sommer Hüttengaudi vermarktet werden. Die Nachfrage scheint zu bestehen, zumindest im Winter. Abgesehen von Umweltfragen ist es ja der schiere Wahnsinn, was heute investiert wird, um ein Schigebiet am Laufen zu halten. Kein Wunder, dass dieser Sport zu teuer für die meisten Einheimischen wird - der Steuerzahler darf aber höchstwahrscheinlich trotzdem blechen (siehe Cabrioseilbahn).

Do., 28.09.2023 - 20:14 Permalink