Politik | Wahlen/Elezioni 23

Dauerstreit und vernachlässigte Basis

Gründe und Hintergründe der Ergebnisse der “Schicksalswahl”. Die unbequeme Analyse eines Mannes, der die SVP und die Politik seit über 60 Jahren kennt, wie kaum jemand.
SVP-Parlamentswahlen
Foto: Othmar Seehauser
  • Auf den ersten Blick erscheint der Versuch einer vertieften Wahlanalyse zwei Wochen nach der Landtagswahl eine völlig überflüssige Mühe zu sein. Denn Verlierer und Sieger, die Mandate und Vorzugsstimmen aller Kandidaten der Wahl werbenden Parteien sind bekannt und ausreichend kommentiert worden. Dennoch lohnt es sich, einige Gründe für das politische Austerlitz der einen und für das Waterloo der anderen Seite analytisch zu vertiefen. Dabei beschränke ich mich bewusst auf die Wahlverlierer und auf jene, die über ihre Erfolge jubeln konnten. Vor allem sollen die Ursachen und Auswirkungen, also die Wahl entscheidenden Faktoren und deren Hintergründe näher, konkreter und ohne Scheuklappen beleuchtet werden. Denn jede Wahl ist eine politische Pulsfrequenz-Messung des Verhaltens der Wählerschaft.

    Jede Wahl ist eine politische Pulsfrequenz-Messung des Verhaltens der Wählerschaft.

    Und da das Volk in einer lebendigen Demokratie der höchste Souverän und die letzte Instanz ist, verdienen seine Entscheidungen, ob sie einem passen oder nicht, Respekt.
    Man habe, dies hört man nicht selten, "falsch gewählt". Doch dieser Ausdruck ist ebenso dumm wie unzutreffend.

  • Nur „taktische Fehler“?

    Verlierer Thomas Widmann: Hat im Verhältnis zu den Prognosen und noch mehr zu seinen Hoffnungen eher erbärmlich abgeschnitten Foto: Seehauserfoto

    Die großen Verlierer SVP und Widmann - an den eigenen Erwartungen gemessen, auch in einem geringeren Maß die Grünen -  haben in ihren Stellungnahmen nicht versucht, ihre teilweise miserablen Ergebnisse klein- und schönzureden. Dies ist ein erfreuliches Plus. Denn bisher war dies nach italienischem, aber zunehmend auch deutschem Modell, oft und peinlich der Fall. Beim nach wie vor bestimmenden Hauptexponenten SVP, war die Niederlage jedoch nicht – wie Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder meinte - vorwiegend auf “taktische Fehler” zurückzuführen. Unter anderem darauf, so meinte er, dass man "Widmann nicht mitgenommen” habe. Experten neigen jedoch eher zur gegenteiligen Meinung: Hätte man dies nach so viel gehässigem Streit, der zur Trennung und Bildung einer eigenen Liste führte, getan, dann wäre der Schaden für die SVP wahrscheinlich noch größer gewesen. Denn ein weiterer Verlust der ohnedies schon schwer beschädigten Glaubwürdigkeit - gerade dieser so wichtige Faktor wird fast immer unterschätzt – hätte noch fatalere Folgen zeitigen können. Widmann hat im Verhältnis zu den Prognosen und noch mehr zu seinen Hoffnungen eher erbärmlich abgeschnitten.

  • Doch die Schlappe der SVP war erstrangig – wie erwähnt - keineswegs auf “taktische Fehler” und organisatorische Mängel zurückzuführen. Viel mehr auf den Dauerstreit in ihrer Führungsetage, der Vernachlässigung der Basis und auf die Überheblichkeit, sich dies alles leisten zu können. Diese zeichneten sich ja schon seit vielen Jahren allzu deutlich ab. Achhammer, damals noch Landessekretär, sagte beispielsweise bei einem seiner vielen Besuche bei mir, dass "in der Partei nur mehr gestritten " werde.

    Hätte man Thomas Widmann nach so viel gehässigem Streit auf die Liste getan, wäre der Schaden für die SVP wahrscheinlich noch größer gewesen. 

    Dieser Streit wurde seitdem nie beendet, sondern nur manchmal geschickt getarnt. Die Niederlage bei diesen Wahlen - dies ist viel zu wenig erkannt worden – hatte sich durch die kontinuierliche Verfestigung der Krise abgezeichnet.  
    Auf einer Liste habe ich mir vor den Wahlen die Tipps von Freunden und Bekannten für alle Listen gesammelt. Nur bei einer Partei waren sie übereinstimmend der Meinung, dass die SVP mindestens zwei Mandate verlieren würde. So kam es denn auch, denn das 13. Mandat war bereits den Reststimmen zu verdanken. 

  • Ein gackender Hühnerhaufen

    Maria Elena Boschi: Wurde nach ihrer Wahl in Südtirol nicht mehr gesehen. Foto: upi

    Die Fortsetzung mehrerer grober Fehler und Missstände hatte sich wiederum zum Schneeball-Effekt der Lawine verdichtet. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Analyse sprengen. Doch ab der Obmannschaft Brugger, der noch mehr als 50 Prozent halten konnte, ging es nur mehr konstant bergab. Die zunehmende Vernachlässigung der eigenen Basis, der früheren Stärke der SVP, hatte zum Verlust der Bodenhaftung der “Volks”-Partei geführt. Diese politische Todsünde einer innerlich tief zerstrittenen “Sammel-Partei”, die längst zur Macht- und Machterhaltungs-Gemeinschaft verkommen war, sollte bittere Früchte zeitigen. Nicht zu Unrecht sprach und schrieb man, sicherlich etwas übertrieben, die SVP gleiche einem “gackernden Hühnerhaufen.” 

  • Denn die positiven Ausnahmen fehlten keineswegs. Doch konnten sie sich nicht durchsetzen. Nichts bewies die Entfremdung der Führung vom Volk mehr als die krachende Niederlage beim Referendum über den Flughafen. David hatte den Goliath ("ihr habt null Chancen", sagte man mir mehrmals) besiegt. Es folgte der Kuhhandel mit Rom, durch den zur Stärkung der eigenen Mandatszahl als Gegenleistung die Wahl von zwei italienischen Kandidaten mit SVP-Stimmen für den Bereich Bozen- Unterland ermöglicht wurde. Heute bezeichnen viele, was damals geheim gehalten bzw. geschickt verpackt wurde, als BOSCHI-Skandal. Denn die schön-elegante Italienerin, die versprochen hatte, sich als Dank für die Unterstützung der SVP für die Südtiroler Forderungen mit Leib und Seele einzusetzen und angeblich auch mehr Zeit in Bozen als in Rom zu verbringen, hat sich in all den Jahren dort nie blicken lassen. Ich habe dieses Manöver der SVP damals als “Sünde gegen den Heiligen Geist” bezeichnet, die bekanntlich nicht verziehen werden kann. 

    Die Zahl der SVP-Mitglieder ist von Jahr zu Jahr so drastisch gesunken, dass man die Zahlen als Art Staatsgeheimnis behandelt. Sogar dem damaligen Vorsitzenden des wichtigen Bezirksobmänner-Gremiums wurde die Einsicht in die wirklichen Zahlen verweigert.

    Doch all dies und viele andere Fehlleistungen, wurden mit viel Geschick vom von mir so geförderten Obmann Achhammer clever schöngeredet und als “notwendig und nützlich” begründet. Die Südtiroler haben ihrer Führung stets einen dicken Vertrauenspolster geschenkt. Den Zusicherungen und Versprechen wurde weitgehend blind geglaubt. Doch die Krisenzeichen waren inzwischen stärker und sichtbarer geworden. Die Zahl der Mitglieder war von Jahr zu Jahr sogar drastisch gesunken. Dies wurde vom SVP-Obmann zwar zugegeben, die Zahlen jedoch als Art Staatsgeheimnis behandelt. Sogar dem damaligen Vorsitzenden des wichtigen Bezirksobmänner-Gremiums wurde die Einsicht in die wirklichen Zahlen verweigert. Den Grund dafür zu nennen, erscheint überflüssig.
    Die Zahl der SVP-Mitglieder ist von Jahr zu Jahr so drastisch gesunken, dass man die Zahlen als Art Staatsgeheimnis behandelt. Sogar dem damaligen Vorsitzenden des wichtigen Bezirksobmänner-Gremiums wurde die Einsicht in die wirklichen Zahlen verweigert.

  • Die „Freunde im Edelweiß“

    Enthüllungsbuch "Freunde im Edelweiss": Das Entsetzen in der Bevölkerung war riesig , der Image-Schaden der Partei ebenso. Foto: Othmar Seehauser

    Einen wichtigen Beitrag zur Zerstörung der vorgegaukelten “heilen Welt” leistete das auf nicht widerlegbare Fakten beruhende Enthüllungs-Buch “Freunde im Edelweiß” von Christoph Franceschini und Artur Oberhofer. Mit ihm wurde das Bild eines “Intriganten-Stadels und einer Schlangengrube” (so ein führender entsetzter SVP-Exponent) in einer teilweise beschämend-niederträchtigen Art ersichtlich. Die Schockwelle der Erkenntnisse hält bis heute an. Kein Buch hat in der Geschichte Südtirols seit der Gründung der SVP durch damals wirklich idealistische Männer einen so Wahl entscheidenden Faktor durch Bloßlegung der wirklichen Verhältnisse von Dauerstreit, Missgunst, Machtdünkel, Vertuschung und Lügen gespielt. 

    Kein Buch hat in der Geschichte Südtirols seit der Gründung der SVP einen so Wahl entscheidenden Faktor durch Bloßlegung der wirklichen Verhältnisse von Dauerstreit, Missgunst, Machtdünkel, Vertuschung und Lügen gespielt. 

  • Das Entsetzen in der Bevölkerung war riesig , der Image-Schaden der Partei ebenso. Deshalb war es kein Wunder, dass ein betroffener Exponent einen anderen in einem Telefonat fragte, ob er wüsste, wie man Franceschini “einen Schaden” zufügen könnte. Alles nach dem alten Motto, dass der Überbringer schlechter Nachrichten traditionell geköpft wurde... Und Aussagen zur Beruhigung der Bevölkerung vor allem während der langen Corona- Zeit wurden als Täuschungs-Manöver entlarvt. So hat es auch den so oft beschworenen “Südtiroler Sonderweg” nie gegeben. Dass diese Sammlung voneinander widersprechenden Halbwahrheiten den Impfgegnern bei der Wahl zu erstaunlichen Erfolgen verhalf, soll nur nebenbei erwähnt werden. Auch der Plan, im Zuge eines “neuen Aufbruchs" die “Alten” als Hüter einer Volkstums- und Heimat-Politik zur Bewahrung wichtiger Werte und Ideale schnell zu “entsorgen” verärgerte viele SVP – Wähler. Besonders die treuesten Stammwähler.

  • Der Autor

    Hans Benedikter (Jahrgang 1940) wurde als achtes Kind einer Bergbauernfamilie in Prettau im Ahrntal geboren. Er maturierte am Benediktiner-Gymnasium Seitenstetten in Niederösterreich und studierte anschließend moderne politische Geschichte an der Universität Wien, wo er 1962 promovierte. Von 1958 bis 1961 arbeitete Benedikter bei österreichischen Tageszeitung Die Presse, anschließend bis 1972 für das Presseamt der Südtiroler Landesregierung in Bozen.
    Benedikters politische Laufbahn begann 1961 in der Südtiroler Volkspartei (SVP). 1967 gehörte er erstmals dem Parteiausschuss an, ab 1970 auch der Parteileitung. Von 1970 bis 1976 war er zudem der erste SVP-Jugendreferent.
    Sein erstes öffentliches Amt bekleidete Benedikter von 1967 bis 1971 als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Prettau. 1972 folgte die Wahl in die Abgeordnetenkammer, wo er bis 1992 ununterbrochen der SVP-Fraktion angehörte.
    Hans Benedikter ist Autor mehrere Sachbücher zu historischen und zeitgeschichtlichen Themen. Bereits als amtierender Politiker hat er keine politische Auseindersetzung und keine Diskussionen gescheut. In den vergangenen Jahrzehnten sind unzählige Politiker und Politikerinnen verschiedener Couleur bei ihm in St. Paul ein und ausgegangen, um seinen Rat einzuholen.
    Benedikter ist keiner, der mit seiner kritischen Meinung hinter dem Berg hält. Vor allem gegenüber seiner früheren Partei.

    Foto: salto
  • Svens Aufstieg & der Hahnenkampf

    Der für alle überraschend starke Stimmen – und Mandatsgewinn der Freiheit für Südtirol unter Sven Knoll ist teilweise darauf zurückzuführen. Denn ein Teil der Hüter der alten Tiroler Tugenden hat die Seiten gewechselt und eine neue politische Heimat gefunden. Ein Rechtsruck oder doch ein patriotisches Bekenntnis? Darüber lässt sich trefflich streiten. Achhammer wollte ja “alte Zöpfe abschneiden” und korrigierte diese Kampfansage viel später etwas durch die Aussage, man müsse ja nur den größten Teil der Zöpfe eliminieren. Gegen einen kleinen Rest derselben sei nichts einzuwenden. Doch diese Einsicht kam viel zu spät. Knolls Erfolg ist hingegen seiner täglichen Präsenz mit klaren Aussagen zuzuschreiben. Diese wurden klug und geschickter als bisher verpackt und präsentiert. Er milderte den Tonfall etwas ab, dies jedoch bei strikter Wahrung ihrer Substanz . Die damit überzeugten neuen Wähler und Mitglieder freuen sich nun über einen “starken, Basis bezogenen Obmann”, auf den Verlass ist. Knoll hat auch – wie Philipp Trojer in den “Dolomiten” zutreffend festgestellt hat  – wie kein anderer, ja beinahe exklusiv, massiv die Waffe der sozialen Medien genützt und damit großen Erfolg erzielt.

  • Arno Kompatscher und Philipp Achammer: Ein vergiftetes Geschenk Foto: Othmar Seehauser

    Ein wichtiger Faktor für die SVP-Schlappe war zweifellos auch der Hahnenkampf zwischen Landeshauptmann und SVP-Obmann. Als sie erstmals als Spitzenduo und enge Freunde mit dem Versprechen, Südtirol demokratischer als bisher zu führen, ins Rennen gingen, wurde ihnen viel Vorschuss- Vertrauen geschenkt. Freundschaft und der Schwur, alles Wichtige gemeinsam zu behandeln, erwiesen sich jedoch schon in ihrer ersten Legislaturperiode als brüchig. Die Gegensätze verstärkten sich. Denn das Schachspiel um die “erste Rolle” hatte bereits begonnen. Der SVP-Obmann, der mit der Krise in der Partei und dem Vertrauensverlust bei der vernachlässigten Basis ohnedies ausreichend beschäftigt gewesen wäre, wurde in der zweiten Legislatur von LH Kompatscher mit gleich mehreren “Landesministerien” beschenkt. Das Ausmaß seiner Zuständigkeiten erstreckte sich von Schule und Kultur bis zu den wichtigsten Wirtschafts-Bereichen. Selbst ein politisches Wunderkind mit einem täglichen Arbeitseinsatz von 18-20 Stunden wäre bei dieser Fülle von Aufgaben und Verpflichtungen hoffnungslos überlastet gewesen. Achhammer sollen Intelligenz und Redekunst und die ausgeprägte Fähigkeit, selbst eine Wüstenlandschaft als blühenden Garten darzustellen, nicht abgesprochen werden. Er hoffte, die vielen Aufgaben, die jeden überfordert hätten, zur eigenen Machtsteigerung für ein noch höheres Ziel nützen zu können. Diese Hoffnung erwies sich jedoch recht bald als Illusion. Denn das “vergiftete Geschenk” führte in maßgeblichen Wirtschafts- und auch Schulkreisen zu immer mehr Klagen, Unzufriedenheit und Missmut. Man fühlte sich vernachlässigt. Sogar in Leserbriefen “einfacher Leute” kam dies zum Ausdruck.

    Ein wichtiger Faktor für die SVP-Schlappe war zweifellos auch der Hahnenkampf zwischen Landeshauptmann und SVP-Obmann.

  • Der Hauptverlierer

    Philipp Achhammer ist denn auch der Hauptverlierer dieser Wahl. Ein Kollege sagte , er sei der neue “SVP-Widmann”. Denn der echte gehöre ja ebenfalls zu den großen Wahlverlierern: im Vergleich zu 2018 hat Achammer ca.16.000 Vorzugsstimmen eingebüßt. Damit ist die Unzufriedenheit der genannten Kreise im Schul- und Wirtschaftsbereich deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Schadenfreude ist dennoch nicht angebracht. Denn er war nur überaus naiv in eine “Honigfalle” gestolpert. Doch die damit verbundene Arroganz droht nun auch tiefe Schatten auf seine Rolle als SVP-Obmann zu werfen. Forderungen nach Rücktritt werden lauter. Sie würden weitaus leiser sein, wenn er sofort die Haupt-Verantwortung für die Wahlschlappe übernommen hätte. Dies hätte ihm viel Sympathie und Achtung verschafft. Er tat dies leider nicht. Zusätzlich rächte sich nun auch seine Politik des “Zöpfe-Abschneidens” der alten und erfahrenen Politiker, deren Werte (direkte Aussage eines SVP-Mandatars) für den Misthaufen bestimmt waren. 

    Auch die verbliebenen “Alten” der SVP-Wähler sterben früher oder später und der sehr spärliche Nachwuchs macht das Kraut nicht mehr fett

    Eine Wählerstrom-Analyse kommt nun zum Schluss, dass diesmal nur jeder zweite aus der Generation 60+ die SVP gewählt hat und ca. 12 Prozent aus den Reihen der Jugend. Beides zusammen ergibt eine düstere Zukunftsprognose. Denn auch die verbliebenen “Alten” der SVP-Wähler sterben früher oder später und der sehr spärliche Nachwuchs macht das Kraut nicht mehr fett. Von einer kaum mehr existenten, geschweige denn effizienten Jugendorganisation ganz abgesehen. Sie hätte nun die einmalige Chance, als “Stachel im Fleisch” einer kurzsichtig gewordenen Partei eine Politik der Erneuerung zu fordern. Ob sie die Gelegenheit zu nützen imstande ist? Skepsis ist angebracht.

  • Die Hoffnungsträger

    Hubert Messner: Einer derjenigen, die eine Kurskorrektur machen könnten. Foto: Seehauserfoto

    Im “Schlafwagen” , so habe ich einmal festgestellt, habe man keinen Einfluss auf eine Kurskorrektur. Eher ist dies Frau Rosmarie Pamer, dem tüchtig-glaubwürdigen Primar Hubert Messner und anderen gut gewählten Hoffnungsträgern wie Peter Brunner in Brixen, sowie Luis Walcher und auch anderen, zuzutrauen. Eine moderne Politik der Mitte mit sozialen und gemäßigt konservativen Akzenten hätte am ehesten wieder die Chance, eine echte und glaubwürdige Volks- und Sammelpartei zu werden. Die durch das Versagen “der Ampel-Koalition” in Deutschland mit jämmerlichen Wahlergebnissen und Umfragewerten rasch wieder gestärkte CDU, könnte bedingt dafür ein ermunterndes Beispiel bilden. Bedingt deshalb, weil man den spezifischen Südtiroler Verhältnissen, so vor allem der Stärkung und Festigung der Autonomie, vorrangig Rechnung tragen muss.

    Eine moderne Politik der Mitte mit sozialen und gemäßigt konservativen Akzenten hätte am ehesten wieder die Chance, eine echte und glaubwürdige Volks- und Sammelpartei zu werden.

  • Das 10-Kandidaten-Diktat

    SVP-Landtagskandidaten: Problematische Ernennung von oben. Foto: SVP

    Der gegenwärtigen Führung der SVP und der Landesregierung fehlen sowohl ein Langzeitgedächtnis als auch überzeugende Perspektiven für die Zukunft. Politik braucht auch Visionen. Und ein Landeshauptmann braucht auch eine Mehrheit für mutige Entscheidungen. Dies jedoch erzwingen zu wollen, wie etwa durch die Forderung, andernfalls nicht mehr zu kandidieren, zeugt von Schwäche. Denn der mit Achammer ausgehandelte Kompromiss, gemeinsam 10 Kandidaten bindend zu ernennen, ist nicht demokratisch legitimiert. (Wenn ich von den 10 Kandidaten spreche, so weiß man in der deutschen Normalsprache, dass Frauen und Männer  im Begriff „Kandidaten“ immer gleichberechtigt mit enthalten sind. An die Diktate der Gendersprache gedenke ich mich nicht anzupassen). Diese 10 fixen Kandidaten einfach zu ernennen, erscheint auch im Rückblick recht problematisch. Denn die Wahl der Kandidaten sollte ausschließlich den Bezirken bzw. dem Parteiausschuss ohne vorgegebene Liste vorbehalten bleiben. Hohe Amtsträger haben Gelegenheit genug, bei demokratischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. 

  • Vor allem aber sollte der Landeshauptmann Behauptungen, dass Südtirol die “wahrscheinlich weltbeste Autonomie” habe, nie mehr in dieser Form und vor allem nie in einer offiziellen Landesbroschüre wiederholen. Denn wenn wir diese angeblich „weltbeste Autonomie“ hätten, bräuchte man ja nichts mehr von Rom zu fordern. Wir haben uns im "Paket" vor allem eine robuste Wirtschafts-Autonomie erkämpft. Doch fehlen noch immer für eine ethnische Minderheit lebenswichtige primäre Zuständigkeiten auf den Gebieten Schule, Sprache und Kultur und Polizeihoheit und noch viele andere mehr. Das so traurige Beispiel Aosta, das sich immer mehr sprachlich assimiliert, sollte uns als Warnung, als Flammenschrift an der Wand dienen.

    Der gegenwärtigen Führung der SVP und der Landesregierung fehlen sowohl ein Langzeitgedächtnis als auch überzeugende Perspektiven für die Zukunft.

  • Mangelnde Streitkultur

    Das größte Defizit der Südtirol-Politik besteht jedoch im völligen Fehlen einer Streit-Kultur mit Respekt vor anderen Meinungen und Haltungen, die man demokratisch ablehnen und bekämpfen kann, jedoch stets mit einem notwendigen Minimum an Toleranz und einer maximalen Dialog-Bereitschaft. Denn keine Partei hat Wahrheit und Weisheit gepachtet, ist gegen Fehler und sogar gegen echte Dummheiten nicht gefeit. Demokratische Reife würde erfordern, vernünftig erscheinenden Vorschlägen und Anträgen der Opposition zuzustimmen. Bei gut erscheinenden Regierungsmaßnahmen gilt das natürlich gleichermaßen auch für die Opposition. Nur so könnte ein bei großen Problemen notwendiges Zusammenwirken trotz aller Verschiedenheit erprobt und zum Wohl der gesamten Bevölkerung unserer Heimat auch verwirklicht werden. Ich pflege bei hitzigen Diskussionen oft zu sagen: “Wir einigen uns, nicht einig zu sein.”  Mit dieser Respekt-Kultur könnten manche Konflikte zumindest entschärft und Gehässigkeiten vermieden werden. Neben dem Kampf gegen die Klima-Verschlechterung sollte man auch mehr Bemühen  zur Verbesserung des menschlichen Klimas zeigen.

    Das größte Defizit der Südtirol-Politik besteht jedoch im völligen Fehlen einer Streit-Kultur mit Respekt vor anderen Meinungen und Haltungen, die man demokratisch ablehnen und bekämpfen kann, jedoch stets mit einem notwendigen Minimum an Toleranz und einer maximalen Dialog-Bereitschaft.

    Zwei Anmerkungen zu den Freiheitlichen: Ich habe Ulli Mair gewählt und für sie auch Propaganda gemacht. Ich schätze ihre Fähigkeit, zu wichtigen Themen klar Stellung zu nehmen. Sie würde bei einer Berufung in die neue Landesregierung sicherlich eine gute Figur machen. Nicht gefallen hat mir hingegen ihre Haltung bei der internen Wahlanalyse des Landesparteivorstandes, in der man die erst seit 2023 amtierende Obfrau  Sabine Zoderer mit Vorwürfen überhäufte und dies in einer wirklich eiskalten und herzlosen Art. So ungerecht sollte man Funktionäre der eigenen Partei nie behandeln! Hätte die Obfrau in ihrer kurzen Amtszeit Wunder wirken können? Warum hat man dies nicht gemeinsam getan? Auch Frau Ulli Mair hat kaum jemals Basisarbeit geleistet. Über dieses Verhalten bin ich sehr enttäuscht. Ebenso über jenes von Ehrenobmann Pius Leitner. Als solcher hätte er die Pflicht zur Vermittlung wahrnehmen müssen. Leider ist dies nicht einmal in Ansätzen der Fall gewesen.

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Josef Fulterer Mo., 06.11.2023 - 06:48

Der ... SVP-Rentner Hans Benedikter hat eine ziemlich treffende Wahlanalyse verfasst.
Zu seinen aktiven Zeit, hat er eher mit einem Aal-glatten Durchschlüpfen zwischen den Problemen + gedrechselter Rethorik geglänzt.

Mo., 06.11.2023 - 06:48 Permalink
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Hansi Kafmann Mo., 06.11.2023 - 14:11

Wenn man in einer Partei keine führende Rolle mehr hat kann man endlich sagen was man denkt. Den Ausführungen Benedikters ist nichts mehr hinzu zu fügen. Der Partei wird der Stimmenverlust sehr gut tun wenn sie die Zeichen erkennt. Diese handvoll guter Leute sollte dieChance nutzen und ihren Weg gehen ohne auf die Wegweiser vom Weinbergweg zu achten.

Mo., 06.11.2023 - 14:11 Permalink
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Klemens Riegler Mo., 06.11.2023 - 22:24

Bester Satz: "Demokratische Reife würde erfordern, vernünftig erscheinenden Vorschlägen und Anträgen der Opposition zuzustimmen. Bei gut erscheinenden Regierungsmaßnahmen gilt das natürlich gleichermaßen auch für die Opposition."
Keine Zustimmung zu: "Denn der mit Achammer ausgehandelte Kompromiss, gemeinsam 10 Kandidaten bindend zu ernennen, ist nicht demokratisch legitimiert". 1. "Demokratisch" wurden Kandidaten noch nie ausgewählt. 2. ist es ebenso sinnlos, dass jede Talschaft ihren Vertreter im Landtag oder Landesregierung hat. 3. ist es genauso sinnlos und undemokratisch, dass jede Lobby oder jeder Verband seinen Vertreter auf die Liste schieben darf. Zudem war der 10er-Vorschlag im Verhältnis zur restlichen Kandidatenliste gar nicht so "schräg", sondern eher ausgewogen und ausgleichend ... und zukunftsweisend.
Und nun hoffen wir eben auf die Kompetenzen und versprochenen Fähigkeiten der Gewählten. Auf dass sie für SÜDTIROLS BEVÖLKERUNG arbeiten und nicht für Talschaften, Interessenverbände oder gar für den eigenen oder verwandtschaftlichen Säckel.

Mo., 06.11.2023 - 22:24 Permalink
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Peter Duregger Di., 07.11.2023 - 07:53

Hans Benedikter ist auf den Schultern der SVP 20 Jahre lang ins römische Parlament getragen worden, inzwischen seit über 30 Jahren (und bis zum seligen Ende) Bezieher der Ruhestandsdiäten eines Parlamentariers. Und jetzt meldet er, eine andere Partei gewählt zu haben.
Und ansonsten lese ich aus dem Artikel, dass Hans Benedikter auch zur Fraktion gehört, die in Landeshauptmann Kompatscher alle Ursache des Übels sehen.
Si tacuisses....

Di., 07.11.2023 - 07:53 Permalink