Politik | Landesgericht

Ärzte-Plakat: Verfahren eingestellt

Die Bozner Ärztekammer hatte wegen eines brisanten Plakats der Süd-Tiroler Freiheit eine Verleumdungsklage eingereicht – allerdings ohne Erfolg.
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Foto: Sud-Tiroler Freiheit
Am 4. November 2019 veröffentlichte die Süd-Tiroler Freiheit das "Ärzte-Plakat", welches den "Verlust des Rechts auf die deutsche Muttersprache im Südtiroler Gesundheitswesen" kritisierte. Es zeigt einen verstorbenen Patienten mit der Überschrift "Der Arzt konnte kein Deutsch..." und betone die Notwendigkeit, “dass Ärzte Deutsch beherrschen müssen, um Patienten angemessen zu behandeln”. Die Bozner Ärztekammer reichte daraufhin eine Verleumdungsklage ein.
 
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Nun, fast vier Jahre später, wurde die Klage abgewiesen, da das Plakat keine strafbare Handlung darstellt, teilt der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll, mit. Die Einstellung des Verfahrens wurde von der Süd-Tiroler Freiheit erwartet, jedoch sei sie über dessen Dauer verwundert.
Bereits bei der Vorstellung der Kampagne betonte die Süd-Tiroler Freiheit ausdrücklich, dass die Kritik nicht den Ärzten gelte und deren fachliche Kompetenz nicht in Frage stelle. Vielmehr werde betont, dass die Wahrung der Muttersprache in Südtirol von Bedeutung sei und nicht ignoriert werden dürfe.
 
Nicola Canestrini
Nicola Canestrini: "Keine Demokratie kann auf Dauer bestehen, wenn es ihr an Menschen fehlt, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen." (Foto: Seehauserfoto)

Im Verfahren wurde die Süd-Tiroler Freiheit vom Rechtsanwalt Nicola Canestrini vertreten. Laut Canestrini könne keine Demokratie auf Dauer bestehen, wenn es ihr an Menschen fehle, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen: Nur eine freie öffentliche Debatte ermöglicht jene ständige geistige Auseinandersetzung, jenen "Kampf der Meinungen", der das "Lebenselement" der Demokratie sei.
Das ASTAT-Sprachbarometer habe laut Süd-Tiroler Freiheit wiederholt gezeigt, dass die meisten Verstöße gegen das Recht auf Gebrauch der Muttersprache im Süd-Tiroler Gesundheitswesen auftreten. “Dies verletzt nicht nur ein autonomiepolitisches Recht, sondern auch das Recht der Patienten, da nachweislich negative Auswirkungen auf den Erfolg medizinischer Behandlungen auftreten können, wenn Arzt und Patient sich sprachlich nicht verstehen”, so die Süd-Tiroler Freiheit.
“Ein Recht, das nicht mehr verwendet wird, stirbt. Die Landesregierung tut nichts mehr, um das Recht auf Gebrauch der Muttersprache zu verteidigen und höhlt es mit immer neuen Ausnahmebestimmungen für rein italienischsprachige Ärzte sogar selbst aus. Der Süd-Tiroler Freiheit ist es daher ein Anliegen, diese Fehlentwicklung aufzuzeigen und für das Recht auf Gebrauch der deutschen Sprache zu kämpfen wenn nötig, auch vor Gericht”, so der Landtagsabgeordnete Sven Knoll.
 
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Martin Tarshito Mi., 16.08.2023 - 11:36

"Fast vier Jahre".
Ob die Garantie auf Muttersprache in diesen fast vier Corona Jahren einen Unterschied gemacht hätte?

Ein PCR-Test spricht weder Italienisch noch Deutsch. Und ein solcher Test war nunmal unangefochten dominierend.
Ob es bei den automatisierten Anrufen einen Unterschied gemacht hätte, die Personen mit positivem Testergebnis erhielten, damit sie zu möglichen Symptomen mit einer "1" [ja] oder "2" [nein] antworten, während sie laut WHO Leitlinien zum Dahinsiechen mit "tachipirina e vigila attesa" verdammt waren (zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, an dem sie das Stadium "moderater Symptome" in Richtung "schwer sympathisch" überschritten und damit rechnen konnten in der "Triage" nicht wiederum mit "tachipirina e vigila attesa" nach Hause geschickt zu werden, sondern einen Platz am Beatmungsgerät zu bekommen- falls eines frei war)?

P.s.: Vielleicht ist dieses Plakat von damals der "Südtiroler Freiheit" ja für die kommende Wahl hilfreich. Nachdem alles rund um COVID-19 vorbei und "aufgearbeitet" scheint?!

Mi., 16.08.2023 - 11:36 Permalink
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Manfred Klotz Mi., 16.08.2023 - 14:09

Antwort auf von Martin Tarshito

Das mit "Tachipirna e vigile attesa" stammt nicht von der WHO. Abgesehen davon ist es ein Fake der No-Vax-Bewegung zu behaupten, das sei die einzige Anweisung des italienischen Gesundheitsministeriums gewesen. Das wurde schon zur Genüge bewiesen, mit Vorlage des entsprechenden Protokolls.
https://www.quotidianosanita.it/scienza-e-farmaci/articolo.php?articolo…
Da können Sie selbst nachlesen:
https://www.quotidianosanita.it/allegati/allegato4629560.pdf

Mi., 16.08.2023 - 14:09 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Tarshito
Martin Tarshito Sa., 20.04.2024 - 18:44

Antwort auf von Manfred Klotz

Ach Mann @Klotz,
Lesen Sie mal hier https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/332196/WHO-2019-nCoV-clinic… ab S. 18.

Bei "milden" Fällen hieß es
1. "antipyretics for fever and pain" [und welche kennt der Italiener?: "TACHIPIRINA (PARACETAMOLO)" https://healthy.thewom.it/terapie/paracetamolo/]
2. Isolation : in Gesundheits-, Gemeinschaftseinrichtungen oder zu Hause ["health facility,
community facility or at home (self-isolation).]

Also abwarten.

Wird daraus ein "moderater" Fall gibt es diesbezüglich nichts Neues (Siehe S. 19 der Pdf)

Erst im weiteren Stadium der sog. "severe pneumonia" (schwere Fälle) konnte ein Betroffener bei der Triage vor dem Krankenhaus damit rechnen, dass er in selbiges aufgenommen wird. Denn dann ist bereits angesagt:
"We recommend immediate administration of supplemental oxygen therapy to
any patient with emergency signs and to any patient without emergency signs
and SpO2 < 90%." [S. 20 der PDF]

Und wenn der von Ihnen verlinkte Artikel ein Empfehlungsdokument von 2021 bemüht, dann weiß jeder, der +1 zählen kann: Das war frühestens ein Jahr später, also ein Jahr nach 2020.

Und wenn dort vorgegaukelt wird, dass sich mit " ricorso ad un trattamento di tipo sintomatico con paracetamolo o Fans in caso di febbre o dolori articolari o muscolari" was wesentliches geändert hätte, dann ist das nur eine Nebenkerzen Strategie. Denn Tachipirin ist nun Mal nichts anderes als Paracetamol! Und FANs wie Ibuprofene kamen an dieser Stelle erst hinzu, nachdem man mit zweifelhaften Studien untersucht hat, ob an den sofort als Fake News dahingestellten Bedenken über die Rolle von Ibuprofene bezüglich der ACE-2 Rezeptoren der Lunge was dran ist.
Und was soll "valutare nei pazienti a rischio di progressione di malattia la possibilità di trattamento precoce con anticorpi monoclonali da parte delle strutture abilitate alla prescrizione" auch schon an Fortschritten bedeuten?!

Sa., 20.04.2024 - 18:44 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 16.08.2023 - 22:01

Ich übersetze öfters Texte, darunter auch ärztliche Befunde, vom Deutschen ins Italienische und umgekehrt, ich bin auch vor Jahren am damaligen Brixner Bezirksgericht als Übersetzer vereidigt worden, kenne mich also sowohl mit medizinischen als auch juridischen Fachbegriffen aus. Ich bin aber der Meinung, dass Mehrsprachigkeit immer eine freiwillige Entscheidung sein muss und kein Zwang sein darf. Wer die italienische Sprache nicht oder nicht ausreichend beherrscht, muss in Südtirol die Möglichkeit haben, mit dem Arzt in seiner Muttersprache reden zu können. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, um schwerwiegende Missverständnisse zu vermeiden, die tatsächlich bis zum Tod führen können.

Mi., 16.08.2023 - 22:01 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Do., 17.08.2023 - 08:19

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Das stimmt in diesem Fall nicht. Das Plakat stellt ganz klar eine Verbindung zwischen fehlenden Deutschkenntnissen und Todesfolge her. Zu strafrechtlichen Folgen für die Urheber des Plakats ist es nur deshalb nicht gekommen, weil niemand explizit genannt wurde und eine gesamte Berufskategorie als solche nicht als verleumdet gelten kann. So ehrlich sollte man schon sein.

Do., 17.08.2023 - 08:19 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Koellensperger
Martin Koellen… Do., 17.08.2023 - 09:50

Im Bozner Krankenhaus, zuständig für ca. 45% der Südtiroler Bevölkerung, ist die deutsche Sprache seit jeher unterrepräsentiert.
Der Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache ist leider allzu oft das Papier nicht wert, die Verpflichtung zum Erlernen der zweiten Landessprache wurde immer weiter aufgeweicht, und auffällig viele deutschsprachige Mitarbeiter verlassen den Sanitätsbetrieb.
"Siamo in Italia", heute mehr denn je. Es ist schade, dass sich nur die Opposition des Themas annimmt.

Do., 17.08.2023 - 09:50 Permalink