Wirtschaft | Flughafen

Wie war das mit der Caritas, Herr Frank?

Seine Einschätzungen werden von Flughafenbefürwortern wie -gegnern bemüht. Ein Gespräch mit dem Verantwortlichen für das Flughafen-Entwicklungskonzept Johann Frank*.

Herr Frank, Ihr Unternehmen hat das Entwicklungskonzept mit Business Plan erstellt, auf dessen Basis das Volk am kommenden Sonntag über eine weitere öffentliche Finanzierung des Flughafens entscheiden soll. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in den vergangenen Monaten immer wieder in Frage gestellt – nicht zuletzt weil die Airport Consulting Vienna gleich zu Beginn des Konzepts jegliche Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Prognosen von sich weist. 
Johann Frank: Der Absatz, auf den Sie sich beziehen, ist eine rechtliche Standardformulierung, die jedes Beratungsunternehmen solchen Studien vorausstellt. Das Beratungsunternehmen kann nicht die Verantwortung dafür übernehmen, wie gut und effizient der Kunde arbeitet und die geplanten Maßnahmen umsetzt. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit aber als sehr hoch ein, dass sich unsere Prognosen in der Realität bewahrheiten werden – sofern alle Annahmen und Voraussetzungen erfüllt werden, die der Studie unterlegt worden sind. 

Können Sie die Wichtigsten noch einmal auf den Punkt bringen? 
Da gibt es eine Reihe von Aspekten. Der wesentliche Teil hängt mit der Frage zusammen, ob es einen Markt für den Flughafen Bozen gibt. Diesbezüglich sehen wir auf der einen Seite die sechs Millionen Touristen, die Sie haben. Auf der anderen Seite dagegen eine Aufenthaltsdauer, die bereits in der Vergangenheit stark gesunken ist, und wie man auf Basis anderer Studien und touristischer Projekte in Europa projizieren kann, in Zukunft noch weiter sinken wird. Eine zentrale Annahme ist deshalb, dass Menschen, die für zwei oder drei Tage nach Südtirol kommen, nicht je einen Tag lang für die An- und Rückfahrt im Auto verbringen werden. Deshalb braucht es eine Fluganbindung, wobei wir auch eine Transferzeit von drei bis vier Stunden als zu lang einschätzen. 

Wesentlich wird auch sein, ob man überhaupt Fluggesellschafen findet, die Bozen bedienen. In den Empfehlungen Ihres Unternehmens heißt es unter anderem, dass als Vorbereitung der Volksbefragung zwei bis vier konkrete Interessensbekundungen von Fluggesellschaften vorliegen sollten und ein Home Carrier vorgestellt werden sollte. Davon war bisher nichts zu hören. Hält man sich nicht an Ihre Empfehlungen? 
Ich gehe davon aus, dass man sich an unsere Empfehlungen hält, und ich weiß auch, dass die Betreibergesellschaft ABD mit verschiedenen Airlines in Kontakt ist. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass manche Airlines mit einer Zusage zögern, um nicht von unseriösen Kritikern missbraucht zu werden. Wir müssen auch sehen, dass es hier sehr unterschiedliche Marktsegmente gibt. Neben dem Incoming Charter für den Tourismus haben wir empfohlen, auch für die Bevölkerung selbst bzw. die Wirtschaftstreibenden Schwerpunkte zu setzen, indem man mit zwei Hubs eine Anbindung an das internationale Netzwerk schafft. Laut unseren Vorstellungen eignen sich dafür z.B. Wien oder Amsterdam. 

Warum gerade die? 
Weil es Hubs sind, die im Gegensatz zu Frankfurt oder London noch Slots für kleinere Destinationen wie Bozen frei haben. Denn da werden schließlich keine 200-Sitzer starten und landen, sondern eher kleinere Passagierflugzeuge, die für große Hubs wie Frankfurt nicht interessant sind. Und es geht darum, in die Hubs bei den drei großen Flugallianzen hineinzukommen, also Star Alliance über Wien oder SkyTeam über Amsterdam. One World ist problematisch, weil Heathrow, London ähnlich wie Frankfurt bereits voll ist. 

Und da gibt es Interesse an einem Flughafen wie Bozen? 
Nun, eine Airline wie Austrian muss die Feeder-Flüge in ihre Hubs auch organisieren, das geht nicht von alleine. Die haben natürlich ein großes Potential im Osten, das aber gleichzeitig auch interessant sein könnte, über Wien nach Südtirol weiter zu bringen. Mit solchen Optionen würde sich die Sache für Austrian Airlines schon zu rechnen beginnen. 

Ihr Konzept geht davon aus, dass man bis zum Jahr 2022 in Bozen auf 223.380 Passagiere kommen wird. Der Südtiroler Dachverband für Natur und Umweltschutz behauptet, dass davon nur 179.000 überbleiben werden – auch weil es beispielsweise als unrealistisch bezeichnet wird, dass Destinationen wie Hamburg oder Düsseldorf das ganze Jahr über zu 75 % ausgelastet sind - oder 132-Sitzer-Charterflüge aus Moskau 20 Wochen im Jahr eine Auslastung von 90 Prozent erzielen. Worauf basieren Ihre Prognosen? 
Die Zahlen basieren auf der Analyse des existierenden Tourismusmarktes, erkennbarer Markttrends wie dem Trend zum Sommertourismus und besagter kürzerer Aufenthaltsdauer und Erfahrungen mit anderen Tourismusflughäfen wie Salzburg, Ljubljana, Dubrovnik, Pula, Heraklion, Larnaca und anderen. 

Sieht man sich dagegen deutsche Regionalflughäfen an, die in einer Studie der Deutschen Bank aus dem Vorjahr analysiert wurden, gibt es wenig Grund zum Optimismus. Stagnierende Passagierzahlen, wenig Effekte auf die lokale Volkswirtschaft, wenige attraktive Angebote, lautet das vernichtende Urteil. Haben Sie solche Studien auch miteinbezogen? 
Diese spezifische Studie ist mir nicht bekannt. Unser Unternehmen hat in den vergangenen 20 Jahren etwa 500 Consulting-Projekte durchgeführt, und 80 % davon betrafen Flughäfen mit unter 2 Millionen Passagieren. Wir wissen also, worüber wir sprechen, wenn es um kleine Flughäfen geht. Doch wir kennen jede Menge andere Studien, nicht zuletzt von der EU, die ähnlich negative Ergebnisse für Regionalflughäfen bringen. Da geht es auch um die Diskussion über Beihilfen für Flughäfen. Immerhin wurde von einzelnen Regionen und Regierungen in der Vergangenheit nachweislich viel Geld in den Sand gesetzt. 

Doch Sie glauben, dass Bozen nicht zu jenen Regionen gehört? 
Ja, weil es über die wesentliche Voraussetzung verfügt, die ein Regionalflughafen braucht: einen Treiber, also ein ökonomisches Potential, das seine Zukunft garantiert. Das können bedeutende Industriezweige sein oder eben wie bei Ihnen auch ein florierender Tourismussektor. Für die Politik in Südtirol stellt sich heute die Frage, ob es in 10 Jahren statt 6 Millionen vielleicht nur mehr 5 Millionen Touristen geben wird, weil man nur mehr auf die unmittelbaren Nachbarn angewiesen ist und wichtige Gästegruppen wegfallen bzw. nicht gewonnen werden können. Selbst Polen oder Tschechen, die heute mit dem Auto kommen, werden künftig immer mehr Geld verdienen, und dann beginnt der Zeitfaktor ebenfalls eine wichtigere Rolle zu spielen. Es gilt sich also zu wappnen, um in Zukunft zumindest den Marktanteil zu halten. Und ein Flughafen ist eine der Maßnahmen, um sich abzusichern. 

Sind Sie darüber informiert, dass die Flughafengegner in der offiziellen Informationsbroschüre zur Flughafen-Befragung ein Zitat von Ihnen als Argument für ein Nein verwenden: „Ein Privater müsste schon bei der Caritas sein, um den Flugplatz zu übernehmen“. Stehen Sie nach wie vor zu dieser Aussage? 
Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen missbraucht werden. Ich habe mit diesem Zitat auf die Frage geantwortet, ob die ABD privatisiert werden kann und darauf hingewiesen, dass die Periode der negativen Cash Flows für private Investoren sehr lang ist. 

Das heißt, Sie sehen aber auch keine großen Chancen dafür, dass sich im Fall eines negativen Ausgangs der Volksabstimmung bei einer Versteigerung der Konzession private Betreiber um den Bozner Flughafen reißen werden? 
Wie ich den Medien entnommen habe, gibt es Unternehmer in Südtirol, die ihr Interesse bereits bekundet haben. Es gibt auch Beispiele internationaler Investoren, die an Regionalflughäfen interessiert sind, da sie nach langfristigen Investitionsmöglichkeiten Ausschau halten. Deshalb würde ich das auch für Bozen nicht ausschließen. Trotzdem muss gesagt werden, dass es sich ein privater Investor sehr genau überlegen wird, denn einfach ist es nicht. 

Für die öffentliche Hand bzw. die Steuerzahler ist dies dagegen tragbar? 
Ja, das haben wir auch versucht in unsere Darstellungen offen zu legen. Die öffentliche Hand muss viele Investitionen tätigen, die für sich betrachtet erst nach langer Zeit rentabel sind. Das gilt meiner Meinung nach auch für eine Infrastruktur wie einen Flughafen. 

Reichen die 2,5 Millionen Euro überhaupt aus, die das Land bis 2022 jährlich für den Flughafen bereitstellen will? 
Das wird darauf ankommen, wie professionell das Marketing betrieben wird. Doch wenn alles gut geht, kann sich das mit 2,5 Millionen Euro ausgehen. Was aber auch nicht zu unterschätzen ist, ist das Thema Umwegrentabilität. Wir wissen aus vielen anderen Flughäfen-Studien, dass selbst dort, wo die Strukturen betriebswirtschaftlich defizitär arbeiten, für das Land unter dem Strich ein Plus herausschaut – durch das Steueraufkommen, durch Ausgaben von Touristen, durch Arbeitsplätze. 

Haben Sie auch in Zusammenhang mit anderen Studien so leidenschaftliche Diskussionen wir in Südtirol erlebt? 
Ich hatte vor rund 10 Jahren einen ähnlichen Fall im Burgenland, wo es um die europäische Positionierung einer Thermenregion ging. Flughäfen sind aber generell ein emotionales Thema, sie sind da ein wenig wie Autobahnen. Jeder nutzt sie, aber keiner mag daneben wohnen. In Österreich spricht man in diesem Zusammenhang vom Floriani-Prinzip: Das brauchen wir, aber nicht bei mir. Das sehe ich als eines der Hauptprobleme, neben dem Fakt, dass die Materie sehr komplex ist. Natürlich findet man im Internetzeitalter alles, was man zur Unterlegung der eigenen Einstellung braucht, im Netz. Denn es reicht leider keine Internetrecherche, um sich eine Meinung dazu erlauben zu können, ob so ein Flughafen notwendig ist, gebraucht wird und funktionieren kann. 

Also, dann ist das Thema Ihrer Meinung auch nicht für eine Volksbefragung geeignet? 
Meine private Meinung dazu ist eine Sache. Die Volksbefragung ist vor allem eine politische Frage, und man kann es auch als positiv sehen, dass eine Regierung und ein Landeshauptmann sagen: Das ist ein Thema, zu dem wir die Meinung des Volks hören wollen. 

Sie selbst sind aber privat wie professionell zum Schluss gekommen, dass Sie für eine weitere öffentliche Finanzierung des Flughafens stimmen würden? 
Ich lebe nicht in Südtirol, deshalb ist die Frage ein wenig fiktiv. Ich selbst habe im Burgenland nur zwei Kilometer von einem General Aviation Airport gewohnt. Ich habe also selbst am eigenen Leib die Vorzüge und Nachteile mitbekommen. Allen Südtirolern rate ich dennoch, sich die Frage zu stellen, was es kosten darf, keinen Flughafen zu haben. Denn das kommt der Südtiroler Volkswirtschaft meiner Meinung nach unter dem Strich wesentlich teurer.

*Johann Frank ist Managing Director der Airport Consulting Vienna. Die Beratungsgesellschaft hat im Auftrag der ABD ein strategisches Entwicklungskonzept mit Business Plan für den Bozner Flughafen entwickelt. 

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Sigmund Kripp Mi., 08.06.2016 - 07:17

Ich zitiere Herrn Frank: "Doch WENN ALLES GUT GEHT, kann sich das mit 2,5 Millionen Euro (jährl. Subvention vom Land) ausgehen."
Das ist entscheidend - WENN alles gut geht! In den schönen Diagrammen aus dem Entwicklungskonzept geht es auch ausschließlich steil aufwärts! Keine Krise - ähnlich wie 2008 - trübt den Glanz bzw. macht Knicke in die Wachstumskurven. Gleichzeitig aber reden bei allen mies gelaufenen Regionalflughäfen die "Experten" immer vom Krisenjahr 2008! Für eine seriöse Studie hätten wenigstens EIN solcher Zuwachseinbruch mit einkalkuliert werden müssen! So wie jeder Hausbesitzer mal ein paar Monate Mietleerstand in seine Prognosen einbaut. Wenn es dann auch noch rentabel ist - bitte. Wurde hier aber nicht gemacht.

Mi., 08.06.2016 - 07:17 Permalink
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Werner Alessandri Mi., 08.06.2016 - 08:22

Zwei Aussagen von LH Arno Kompatscher gestern im Waltherhaus:
1. Es wird eine Lininenverbindung nach Rom geben und IM IDEALFALL eine weitere Richtung Norden.
2. Der Flugplatz wird für die Südtiroler ein Tor zur Welt!
Wie klein die Welt doch ist!

Mi., 08.06.2016 - 08:22 Permalink
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F. T. Mi., 08.06.2016 - 10:56

Antwort auf von Werner Alessandri

Da gibt es tatsächlich Leute die glauben von Bozen sollte man direkt in die ganze Welt fliegen können. Und die den
sehr interessanten obigen Beitrag auch nicht verstanden haben. Von Bozen wird man im Linienverkehr immer nur
an irgendeinen Hub fliegen, ganz gleich ob das Rom, oder Wien oder Amsterdam ist. Und von dort geht es dann in die Welt. So schwierig zu verstehen ? Warum schreiben Sie seit Monaten über Sachen über die Sie nicht Bescheid wissen ?

Mi., 08.06.2016 - 10:56 Permalink
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Karina Binder Mi., 08.06.2016 - 11:32

Oh, damit sind innerhalb von 12 Stunden zwei "Kernargumente" der Flugplatz-Gegner richtig gestellt und vom Tisch gefegt: Das aus dem Zusammenhang gerissene "Man müsste schon bei der Caritas sein" von Herrn Frank UND Niki Lauda. Der hat gestern der gestern in den RAI-Nachrichten auch nichts anderes gesagt hat als Herr Frank: Mit den richtigen Voraussetzungen (dazu gehört va die verlängerte Piste) kann es gelingen.

Also "Hört auf Niki Lauda und Joihann Frank!"

Mi., 08.06.2016 - 11:32 Permalink