Gesellschaft | Produktwerbung

Werbung im Schulbuch

Schülern der landwirtschaftlichen Fachschule Laimburg werden anstatt der Wirkstoffe zur Schädlingsbekämpung die Produkte der Pharmaindustrie beigebracht. Und das in Schrift und Bild in den Unterrichtsmaterialien. Ein Fall von Schleichwerbung.

Wer Kinder hat, weiß, dass es schon mal vorkommen kann, dass der Bub oder das Mädchen freudestrahlend einen McDonalds-Gutschein mit nach Hause bringt oder eine Sammelmappe der Despar-Supermarktkette, welche die fleißigen Vermarkter in den Klassenzimmern verteilen oder aufliegen lassen.

Walter Andreaus von der Verbraucherzentrale kennt viele solcher Fälle von offener Produktwerbung an Schulen; gegen den Supermarkt hat seine Zentrale bereits eine Anzeige hinterlegt. “Es ist ganz klar, die Schule ist eine konsumfreie Zone,” sagt Andreaus, “hier darf keine offene oder versteckte Produktwerbung stattfinden.” Welche Ziele und Wege die Unternehmen dann doch finden, um den Kindern ihre Waren schmackhaft zu machen, sei durchaus bemerkenswert, sagt Andreaus, wichtig jedoch ist die eindeutig abwehrende Haltung der Schule aggressiven Werbe-Aktionen gegenüber. Schüler und Schülerinnen müssen in ihrer Lernumgebung geschützt sein. Doch offenbar halten sich selbst offizielle Institutionen nicht an die didaktische Maxime.

Im Kurs für Junglandwirte sei es üblich, berichtet ein Schulabgänger der Fachschule für Obst-, Wein- und Gartenbau Laimburg, „zu den Wirkstoffnamen der Pflanzenschutzmittel auch die jeweiligen Handelsbezeichnungen samt Abbildung aufzuführen". Sprich: Schädlingsbekämpfungsmittel werden in den Unterrichtsmaterialien nicht nur erklärt und beschrieben, sondern die entsprechenden Produktnamen werden gleich mitgenannt.

Unterrichtsmaterialien, die salto.bz vorliegen, belegen die Behauptung des ehemaligen Schülers. Doch damit nicht genug: Es ist sogar ersichtlich, dass anstelle der Wirkstoffe lediglich jene Produkte angeführt sind, die zur jeweiligen Schädlingsbekämpfung empfohlen werden. So werden beispielsweise gegen Apfel- und Fruchtschalenwickler (Obstmaden) die beiden Insektizide „Prodigy" und "Affirm" von den Pharmakonzernen Bayer und Syngenta genannt, die diese Produkte herstellen. Auch das Granulat "Confidor", ebenfalls von Bayer, wird den JungbäuerInnen gegen Blattläuse und Miniermotten empfohlen. Auch biologische Schädlingsbekämpfungsmittel werden in den Unterrichtsmaterialien mit ihrem Handelsnamen genannt und sogar in Fotos abgebildet.

Mit der Frage konfrontiert, ob man den Schülern auf diesem Weg bestimmte Produkte empfehlen wolle, verneint der Direktor der Fachschule Laimburg Paul Mair energisch: "Ich sehe keinen größeren Schaden darin, den Schülern die am Markt gängigsten Pflanzenschutzmittel zu hinterliefern." Direktor Mair wisse allerdings vom Unmut, den diese Unterrichtsmaterialien bei einem ehemaligen Absolventen und Jungbauern hervorgerufen haben. Doch sei er überrascht, dass jemand die Blätter als Produktwerbung auslegen könne. Allerdings wisse Mair nicht, "ob die Unterrichtsmaterialien mittlerweile geändert wurden, oder ob immer noch die Handelsnamen mit Foto darin vorkommen." Offensichtlich scheint die Schleichwerbung erst gar nicht zu beunruhigen.

Direktor Mair erhält sogar Unterstützung. Paul Wierer von der Agrios, der Arbeitsgruppe für integrierten Obstbau in Südtirol, meint sogar, dass "es eine Hilfe für die Junglandwirte sei, wenn man die Produktnamen gleich im Unterricht gesagt bekommt." Dabei müsste gerade Wierer das besser wissen. Denn in der Fachschule werden immer nur zwei oder drei der Produkte zur Bekämpfung der jeweiligen Schädlinge genannt. Im Agrios Jahresbericht 2013 hingegen werden mindestens noch zwei bis sechs weitere Alternativen genannt, also sämtliche Pflanzenschutzmittel die laut Agrios verwendet werden können.

Es gibt Klärungsbedarf - für einen offenen, wertfreieren und unmanipulierten Unterricht von Südtirols Jungbauern und Jungbäuerinnen. Und sei es nur, indem sie eine vollständige Liste der Produktnamen für die jeweilige Schädlingsbekämpfung geliefert bekommen.

 

 

 

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no name Fr., 07.06.2013 - 14:34

Immer mehr und immer unverblümter wird europaweit die "Wissenschaft" durch die Wirtschaft finanziert. Wir werden das nicht mehr aufhalten und es ist echt krass! Die Pharmaindustrie macht es genauso und mit großem (hauptsächlich auch finanziellen) Schaden für die Verbraucher.

Fr., 07.06.2013 - 14:34 Permalink
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Astrid Amico Sa., 08.06.2013 - 07:38

Gut, wenn durch diesen Artikel die Diskussion über diese - und auch vielleicht über andere? - gängige Praktiken in Gang kommt und dann mögilcherweise auch hinterfragt wird...

Sa., 08.06.2013 - 07:38 Permalink