Gesellschaft | Sanität

Zu wenig Nachwuchs für Hausärzte

Immer mehr Aufgaben, immer weniger Personal: Südtirols medizinische Grundversorgung wird zunehmend von einem Mangel an Hausärzten bedroht. Warum es dringend politische Antworten braucht.
HCB contro Straubing, estate 23
Foto: HCB

Für Andreas von Lutterotti,  Hausarzt in Kaltern und Präsident der Südtiroler Ärtzekammer, steht außer Zweifel: „Wenn wir in Südtirol weiterhin eine gute medizinische Basisversorgung haben wollen, muss sich die Politik entscheiden, in diesen Bereich zu investieren.“ Das stärkste Argument für seine Forderung: der zunehmende Mangel an Hausärzten. Ein Phänomen, das nicht nur in ganz Italien und anderen europäischen Staaten zu beobachten ist, sondern auch in Südtirol seit Jahren mit Sorge betrachtet wird – und aktuell schon zu Engpässen in einigen Bozner Vierteln führt. Während in den kommenden Jahren ein massiver Abgang der geburtenstarken Jahrgänge bevorsteht, ist der Nachwuchs an Allgemeinmedizinern im klaren Abwärtstrend. Konkret werden laut Berechnungen der Südtiroler Ärztekammer in den kommenden zehn Jahren mindestens 107 der insgesamt praktizierenden 280 Hausärzte in Rente gehen. „Und zwar im positivsten Fall, dass sie bis zum zwingenden Rentenantrittsalter von 70 Jahren arbeiten“, so Lutterotti.

Ein massiver Abgang, der mit dem montanen Nachwuchs kaum zu auszugleichen sein wird. Denn der Beliebtheitsgrad des Berufsbildes Hausarzt ist unter Medizinstudenten klar gesunken – die Facharztausbildungen locken mit besserer Bezahlung und höherem Image. „Schon im Rahmen des Medizinstudiums wird der Allgemeinmedizin heute eine geringe Bedeutung zugemessen“, sagt Lutterotti. Dazu kommen die klassischen Probleme der Freiberufler: keine bezahlten Urlaube oder Fortbildungen, kein 13. Monatsgehalt, teure Mieten, die vor allem in den patientenarmen Durststrecken beim Einstieg in den Beruf ein großes Problem darstellen. Im Herbst 2014 werden dennoch 19 frischgebackene Hausärzte die dreijährige Ausbildung abschließen, die von der Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin organsiert wird, neun befinden sich derzeit in einem weiteren Kurs. Bisher wurde dieser Kurs alle drei Jahre ausgeschrieben; angesichts der Mangels wurde zuletzt ein jährlicher Rhythmus probiert, der jedoch angesichts der zu geringen Nachfrage noch nicht machbar ist.

Es droht also tatsächlich eine Lücke, die umso schwerwiegender sein wird, als die Aufgabe der Allgemeinmediziner ständig wachsen. Patienten sollten vorsorgend betreut werden, im Rahmen der anstehenden Reform des Territoriums soll ein achtstündiger Dienst der Basisärzte garantiert werden, um vor allem das akute Problem der überfüllten Erste Hilfe in den Krankenhäusern zu lösen. Gibt es einen Ausweg? Laut Lutterotti ist eine Antwort die Optimierung bestehender Ressourcen, also eine viel stärkere Zusammenarbeit, einerseits zwischen Medizinern selbst in Form von Gemeinschaftspraxen, aber auch mit anderen Diensten wie Pflege, den Krankenhäusern und der Sanitätsdienst. Organisatorische Erleichterungen erwartet er sich auch von der anstehenden Informatisierung, dank der die Hausärzte künftig weit besser mit den Krankenhäusern vernetzt sein sollen. Doch neben der Notwendigkeit einer Imageaufwertung ist für den Präsidenten der Ärztekammer klar, dass es trotz allgemeinen Sparzwangs auch eine finanzielle Aufbesserung geben muss, um wieder mehr junge Mediziner für den Beruf zu gewinnen. „Dafür sollte ein Hausarzt zumindest annähernd so viel verdienen wie ein durchschnittlicher Krankenhausarzt“, meint er. Eine Forderung, von der man derzeit noch klar entfernt sei. Die Chance, dies zu ändern, ist nicht weit: Derzeit steht die Neuverhandlung des Landesvertrages der Allgemeinmediziner an.

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Profil für Benutzer Maximilian Benedikter
Maximilian Ben… Fr., 19.07.2013 - 08:44

Anstehende Informatisierung? Reden wir hier vom Jahr 2020? Die Informatisierung des Sanitätsbetrieb ist eines der traurigsten Kapitel der Sanitätspolitik. Was das Gehalt der Hausärzte anbelangt, hätte ich mir von Kollegen von Lutterotti nehr Transparenz erwartet. Meines wissens verdienen Hausärzte jetzt schon mehr als Krankenhausärzte, ohne Nachtdienste und ohne Wochenendsarbeit.

Fr., 19.07.2013 - 08:44 Permalink
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Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Sa., 20.07.2013 - 15:44

Schließe mich der Meinung von Maximilian Bene... grundsätzlich an und möchte dem Hinzufügen, dass - gerade in der heutigen Zeit - finanzielle Aufbesserungen erstens unrealistisch und zweitens das schlechteste und allerletzte Element der im Betrieb hochgepriesenen "Mitarbeiterentwicklung" sind. Die Frage ist immer wieder: welche Medizin wollen wir? Patientenferne und machtorientierte Stars versus sozial engagierte und ethisch motivierte Gesundheitspartner. Sicher kommt bald ein Kommentar der Art "super ausgebildet verdient sich super hohe Gehälter...". Aber sind heute alle hohen Gehälter gut ausgebildet? Oder viceversa: haben alle super Ausgebildeten überhaupt einen Job?
Gerade heute versuchte ich eine weinende Mutter zu trösten, weil das seit langer Zeit erhoffte Medizinstudium ihrer Tochter an einem Zehntel der (sehr überdurchschnittlichen) Matura-Note gescheitert ist - und zwar wegen Mathematik. Damit verwehren ihr praktisch alle europäischen Medizinfakultäten den Zugang. Auch hier die Frage: will man sie überhaupt und wenn ja, WELCHE Mediziner wollen wir?

Sa., 20.07.2013 - 15:44 Permalink
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Profil für Benutzer Maria Theresia Christandl
Maria Theresia… Mo., 22.07.2013 - 06:05

Der gesellschaftliche Stand des Arztes in der Gemeinde war in voriger Generation neben Pfarrer und Lehrer wohl der Höchste. Es gab wenig Ärzte in großen Einzugsgebieten, die Tag und Nacht arbeiteten, teils übermenschlich.
Durch den Bau der Krankenhäuser, die verbesserte Ausbildung, das Ermöglichen vom Studieren auch Kindern aus einfachen Familien, änderte sich die ganze Situation. Sie nahm teils fragliche Muster an. So ist ein Besuch beim Hausarzt nur möglich wenn ich zwischen 8.30 und 9.00 mich telefonisch anmelde, komischerweise erhalt ich bereits um 8.30 den Termin erst um 12.00.
Der Hausarzt ist am Nachmittag nie zu sprechen, abends nur in ausserordentlichen Ausnahmefällen. Manchmal hab ich den Eindruck er ist die bürokratische Zwischenstation zwischen dem Röntgengerät im Krankenhaus oder auch mit Hausverstand eines Laien errechenbar notwendigen Facharztvisite.
Notwendig ist eine stärkere Vernetzung der Gesundheitsversorgung zumal die neue Technik es möglich macht. Dass ein Generationenwechsel ansteht, ist das Normalste auf der Welt. Die jungen Mediziner sollen in die Fußstapfen der Vorgänger eintreten. Sie sind nicht Touristen in der EDVtechnik sondern darin sattelfest aufgewachsen, wie wär es mit dem Senden von Aufnahmen von Hautveränderungen bei Unsicherheit an den Dermatologen der Rat gäbe bei Unsicherheit..oder was teils bereits geschieht, dass Laborbefunde über mails nach Hause zum Patienten oder am selben Tag der Abnahmen an den Hausarzt gesendet werden? Jedenfalls ist mit neuer Technik viel möglich, neue Ideen sind zu überdenken-
Andererseits wird den Studierenden der Zugang zum Medizinstudium nicht leicht gemacht, trotz Aufnahmeprüfungsvorbereitung. Der Weg in der Ausbildung ist sehr lang und auch nach bestandener theoretischer Prüfung noch lange nicht geschafft. Das klinische Auge entwickelt sich erst mit einiger Berufserfahrung.
Persönlich wünsche ich mir meinen Vertrauensarzt der zu normalen Bürozeiten erreichbar ist, mit notwendigen diagnostischen Geräten ausgestattet ist und es auch versteht diese zu bedienen(Ultraschallgerät, Astrupgerät, kleines Labor)Mit ihm in der Praxis arbeitet medizinisches Fachpersonal das ihn unterstützt und auf Gemeindeebene fungiert.

Mo., 22.07.2013 - 06:05 Permalink