Kultur | Veranstaltung

Nackt

Neun Männer, neun Frauen. Vollkommen nackt auf der Bühne. Sind die Südtiroler dem gewachsen?
Foto: ElideMussner

Am Festival von Avignon 2012 feierte Olivier Dubois sein Debüt. Nun entführt er Südtirol in eine Welt, die Mutige will, die herausfordert und unverblümt herzeigt. Mut braucht es vielleicht von beiden Seiten. Von den Tänzern, die sich immer wieder neu exponieren und auch Mut vom Publikum. Dürfen nackte Menschen so betrachtet werden? Wo bleibt die Hülle, der Schutz?

Mut von beiden Seiten
In genormten Reihen marschieren sie heraus, 18 vollkommen Entblößte auf einer leeren Bühne. Die COD – Compagnie Olivier Dubois. Dubois, Jahrgang 1972, möchte mehr von seinem Publikum. Nicht nur betrachten, nein, „mit dem Herzen dabei sein“, sollen die auf den Stühlen Sitzenden.

Der Körper der Darsteller, dunkle, helle, große, kleine, von jeglichem geschichtlichen, sozialen, psychologischen Überbau befreit - nackt also. Ein klassischer Ablauf des Menschseins erwartet den Betrachter. Am Anfang die Ordnung, fast zwanghaft. Männergruppen, Frauengruppe. Dann Störungen im Regelwerk, die Nackten, sie liegen am Boden, stehen auf, krümmen sich, Konflikte entstehen. Ist es der Schmerz, die Tragödie unserer Existenz, der sie fallen lässt? Was ist Mensch, wo ist Menschlichkeit im Menschen – a priori gibt es sie nicht.

Dubois zählte im Oktober 2011, laut Zeitschrift Dance Europe, zu den 100 besten Tänzern der Welt. Ab 1. Januar 2014 wird der Meisterchoreograph dem Centre Chorégraphique National di Roubaix-Pas de Calais als neuer Direktor vorstehen.

Ekstatischer Rhythmus
Auf der Bühne weiten sich die Missverständnisse aus - Chaos, Zusammenbruch. Dubois möchte das Bewusstsein erregen, zeichnet eine erschütternde Menschheit, die Opfer einer tragischen Jagd ist. Sie kommen und gehen, mal langsam, dann schnell, im Gleichtakt, dann wieder konträr sich bewegend, schüttelnd und aufwühlend. Sie entschwinden – immerzu Bewegung, die am Ende eine „kostbare Transzendenz in der Gemeinschaft“ erkennen lässt. Wonach sucht sie – die Menschheit? Wenn sie sich am Boden gemeinsam wälzen, - übereinander, nebeneinander, scheinen sie zu verschmelzen, scheint der Rhythmus ein anderer zu werden. Der Kampf ebbt ab, Resignation? Der Blick hält inne, sie schauen uns an, wir sie, Begegnung – Atem, auf und ab. Durch und durch.
Es ist Tanz, Ekstase, Hypnose, es ist Schweiß und es ist nackt. Mensch in seiner ursprünglichsten Form.

Tragedié von Oliver Dubois kommt am 24. Juli im Rahmen von Tanz Bozen um 21 Uhr im Bozner Stadtheater zur Aufführung. Und am 23. Juli, Mittwoch, heißt es „Zu Tisch mit Oliver Dubois“. Der Künstler kocht, verwöhnt und zaubert seine Lieblingsspeisen auf den Tisch. Anmeldung erbeten unter 335 366 077.

 

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francesca de angeli Do., 25.07.2013 - 10:45

nachdem ich gestern diese wunderbare, innovative und mutige Darstellung gesehen haben, muss ich sagen, dass es hier gar nicht um die Nacktheit geht....dies ist ein notwendiges Detail für das Gesamtkonzept der Aufführung, aber sicherlich nicht das wichtigste. Die Tatsache, dass die Tänzer nackt sind wird nach wenigen Minuten selbstverständlich. Den Mut braucht man eher, meiner Meinung nach, um die Botschaft und die seltene Aussagekraft dieser Auffühurng zu verstehen und zu verdauen. Eine wunderbare Aufführung......genial!

Do., 25.07.2013 - 10:45 Permalink