Wirtschaft | aus nach 12 jahren

Corona klopft in Kaltern an

Südtirols erstes barrierefreies Hotel soll schließen – auch wegen Corona. Eine Allianz aus Politik und Wirtschaft kämpft nun fürs Überleben von Hotel Masatsch.
Hotel Masatsch
Foto: Facebook/Rettet Masatsch

In Kaltern verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Doch auch über die Gemeindegrenzen hinaus hat sie für Bestürzung gesorgt. Obwohl nun ein vorzeitiges Ende des Lockdowns in Sicht ist, wird das Hotel Masatsch nicht mehr öffnen.

Seit 2008 gibt es das ganz besondere Hotel in der Fraktion Oberplanitzing in Kaltern. Geführt wird es von der Lebenshilfe, die dort ihre Vision von einem barrierefreien Inklusionshotel umsetzt. Das Gebäude des Klosters “Josephinum” hat ihr das Land Südtirol für 30 Jahre überlassen.

 

Nach 12 Jahren klopft Corona an

 

Hotel Masatsch wird das erste barrierefreie Hotel Südtirols. Es ist rollstuhlgerecht, aber auch für Blinde und Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung eingerichtet. Der Betrieb hält ganzjährig geöffnet und verzeichnet nach eigenen Angaben 12.000 Übernachtungen pro Jahr. “Davon circa 60 Prozent von Menschen mit Beeinträchtigung, die nur wegen des Hotels Masatsch nach Südtirol und Kaltern kommen”, heißt es zum zehnjährigen Jubiläum 2018. Doch nicht nur Gästen, sondern auch Mitarbeitern mit Beeinträchtigung bringt die Lebenshilfe in Oberplanitzing unter. Ein Drittel der 30 Angestellten haben eine Beeinträchtigung. Neben dem Hotelbetrieb gibt es ein barrierefreies Schwimmbad, das auch von Therapiegruppen wie Krebshilfe und Rheuma Liga, aber ebenso dem Elki für Babyschwimmen genutzt wird, ein öffentliches Café-Restaurant und Seminarräume. Im Laufe der Jahre ist das Hotel zum Vorzeigemodell gelebter Inklusion geworden. Doch nun, nach zwölf Jahren, wird es zusperren.

 

Auch, aber nicht nur wegen Corona, erklärt Lebenshilfe-Geschäftsführer Wolfgang Obwexer am Wochenende. Die Führung des Hotels sei schon seit jeher mit einem großen finanziellen Aufwand für die Lebenshilfe verbunden gewesen – unter anderem weil es auch im Winter, der in Südtirols Süden als touristische Nebensaison gilt, geöffnet hielt. “Jetzt, mit der Corona-Krise, gab es erst recht Probleme. Bei einer Wiedereröffnung hätten wir Stand jetzt für 2020 schon 230.000 Euro Defizit gehabt” – die Stornierungen für die Sommersaison noch nicht einberechnet, so Obwexer in den Dolomiten.

 

Aktion Rettet #Masatsch

 

Vor zwei Wochen hat die Lebenshilfe die Hotelmitarbeiter über die Schließung informiert. Sie sind seit der Corona-Krise im Lohnausgleich. Die Entscheidung, das Hotel aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen, “hat uns wirklich überrascht”, sagt Hoteldirektor Christian Etl zur Tageszeitung.

Doch in Kaltern regt sich Widerstand gegen die Schließung. Am Freitag (8. Mai) tauchen Stofftransparente am Hotelgebäude auf: “Rettet Masatsch!” Aufgehängt haben sie die Mitarbeiter, die auch über Facebook Sichtbarkeit suchen. Ihr Appell: “Wir Masatschler fordern die Unterstützung der Landesregierung, von Arno Kompatscher, Waltraud Deeg und der Gemeindeverwaltungen usw. zur Sicherung und zum Erhalt dieser wichtigen sozialen Einrichtung und der damit zusammenhängenden Arbeitsplätze für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen.”

Die Aktion bleibt nicht unbemerkt und stößt auf Resonanz. Ohne Rücksicht auf Parteifarbe stellen sich die Junge Generation der SVP Kaltern, Grüne und Südtiroler Freiheit hinter die “Masatschler”.
“Masatsch ist zu wertvoll, um es aufzugeben”, heißt es von der JG Kaltern. “Das Pionierprojekt darf nicht der Corona-Krise zum Opfer fallen – es wäre ein schlimmes Zeichen, wenn gerade der Sozialbereich und die Innovation als erste den Preis zahlen müssten”, meinen die Grünen. Dieselben Töne kommen von der STF: “In einem so reichen Land wie Südtirol darf nicht als erstes bei den Schwächsten gespart werden.”

 

Landesregierung am Zug

 

Der parteiübergreifende Aufruf nach einer finanziellen Sonderförderung, um die Schließung von Hotel Masatsch zu verhindern, geht in Richtung Landesregierung. Auch Christian Etl bleibt nicht untätig. Der Hoteldirektor informiert Tourismusverein, HGV und Gemeinde Kaltern über das Schicksal von Hotel Masatsch – woraufhin diese ein gemeinsames Schreiben an Soziallandesrätin Waltraud Deeg und Tourismuslandesrat Arnold Schuler aufsetzen.

“Sehr geehrte Landesrätin Deeg, liebe Waltraud, sehr geehrter Landesrat Schuler, lieber Arnold”, so beginnt der Brief, den Sighard Rainer (Präsident Tourismusverein), Arthur Rainer (Gemeindereferent) und Karl Morandell (HGV-Obmann) unterzeichnen. Eine Schließung von Hotel Masatsch, schreiben die drei, “bedeutet in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht einen großen Verlust für Kaltern, aber auch für Südtirol. (…) Solch eine Struktur, welche uns allen als Vorbild dient, nun aufgrund der Coronakrise für immer zu verlieren, kann für ein Land wie Südtirol nicht tragbar sein. Damit bricht auch ein Stück Image für das Tourismusland Südtirol weg, denn wo sonst, wie im Hotel Masatsch, wurde tagtäglich gelebt, dass jeder Gast Willkommen ist und man auch auf schwierige Bedürfnisse die richtige Antwort findet.”

 

Rainer, Rainer und Morandell bitten die Landesräte “um eine gemeinsame Lösungsfindung im Sinne aller Beteiligten”. Für die Lebenshilfe steht die Entscheidung zum Rückzug fest. Eine Lösung wird es also nur ohne die bisherigen Führung geben können. “Wir haben bereits Gespräche mit Frau Deeg geführt”, berichtet Hoteldirektor Etl. Die Landesrätin habe Unterstützung zugesichert. In den kommenden Tagen soll eine Videokonferenz mit Deeg stattfinden. Und auch Arnold Schuler, der die Hilferufe erhalten hat, wie er salto.bz bestätigt, wird sich “so weit wie möglich natürlich versuchen einzubringen”.

Für Etl gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es findet sich ein neuer Betreiber, der Hotel Masatsch übernimmt. “Oder wir werden selbst auf irgendeine Art und Weise tätig.” Im Raum steht die Gründung einer Gesellschaft oder Sozialgenossenschaft, um das Projekt am Leben halten zu können.

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Johann Georg B… Mo., 11.05.2020 - 09:30

Es ist einfach die ganze Schuld Corona zuzuschreiben,wir ich aus dem Artikel lese war und ist der Betrieb überschuldet und das seit längeren.
Bin dafür, dass die Struktur erhalten bleibt und die schwächeren Mitbürger eine Arbeit und Verantwortung haben,es ist nicht einfach einen Betrieb zuführen,dafür braucht es geschulte Angestellte( ausgenommen Personen mit Beeinträchtigungen) und die Verwaltung sollte auch passen. Es bringt auch nichts wenn das Kind einen neuen Namen bekommt wie Sozialgenossenschaft,wenn die Führung nicht stimmt,oder bekommt das Projekt bessere Förderungen?? man kann es sehen wie man will.
Auch Sozialgenossenschaften sind wichtig für unser Land und brauchen Unterstützung .

Mo., 11.05.2020 - 09:30 Permalink
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Michael Bockhorni Do., 14.05.2020 - 15:11

Die Chancen für die kostendeckende Führung eines so wichtigen sozialökonomischen Betriebes hängen einerseits von den Rahmenbedingungen der Förderung durch die öffentliche Hand für den gesellschaftlichen Auftrag und von der betriebswirtschaftlichen Kompetenz des Betreibers für den marktwirtschaftlichen Teil der Tätigkeit ab. Es gibt im Ausland viele Beispiele wie das gut funktionieren kann. Aus den Rückmeldungen vieler Verantwortlicher in Südtirol ist allerdings herauszuhören, daß wegen des Zeitpunktes der Mitteilung über die Entscheidungen der Förderungen (Dekret) im Mai des laufenden Jahres sowie über die Abrechnung am Ende des Folgejahres ein verantwortliches Management sehr schwierig bzw. riskant ist. Es fehlen verbindliche Absprachen bzw. Zusagen (zur Förderung sowie zur Abrechnung) vor bzw. am Beginn eines Geschäftsjahres.

Do., 14.05.2020 - 15:11 Permalink