Obama liest der israelischen Regierung die Leviten

Dank Facebook macht Obama in Jerusalem sogar Israelkritik zum Publikumserfolg
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Bei seinem ersten Staatsbesuch in Palästina arbeitete Obama sich an einer wenig überraschenden To-Do-Liste ab: Beschwörungen unverbrüchlicher Bündnistreue zwischen den USA und Israel (“solange es Vereinigte Staaten von Amerika gibt”), Schelte an die Adresse Teherans.

Als Obama zum Tagesordnungspunkt “Allfälliges: Kritik am Siedlungsbau, Fundsachen, Palästinenser” kam, hatten manche die Reise schon eingeheftet and abgelegt. Doch dann kam ein kleines Lehrstück in ‘public diplomacy’: Vor einem mit Hilfe von Facebook handverlesenen Publikum junger Israelis hielt Obama eine Rede, die sich zumindest für US-Präsidenten gewaschen hatte.

Natürlich galt es auch hier, zuerst die Rhetorik von Völkerfreundschaft, Verständnis für Sorgen um die Sicherheit Israels, Schelte an die Adresse Teherans zu absolvieren, bevor Obama begann, die andere Wagschale aufzufüllen: Die Israelis sollten sich in die Lage der Palästinenser hineinversetzen, und sich vorstellen Besatzung, ungeahndete Übergriffe und Gewalt von Siedlern, Vertreibung zu erleiden. Dabei sollten die jungen Leute nicht warten, bis die israelische Politikerklasse sich zu einem Friedensschluß durchringen werde, von alleine werde dies nie passieren, wenn sie nicht Druck erzeugten.

Nun steckt in Obamas Äußerungen an sich nichts Revolutionäres. Doch gehören derartige Position im israelischen politischen Diskurs mittlerweile zum linken Rand, schrammen hart am Anti-Zionimus vorbei. Obama hat also das Kunststück vollbracht, sich in Jerusalem für eben derartige Aufforderungen zum Perspektivenwechsel von einem israelischen Publikum bejubeln zu lassen, Facebook sei Dank. Letzteres hat es möglich gemacht, sicher zu stellen, dass die richtige Gesinnung beim Publikum garantiert war.

Die bittere Ironie ist, dass Obamas Rede so gut wie sicher völlig folgenlos bleiben wird. Die israelische Regierung jedenfalls wird sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen, der Siedlungsbau wird munter weiter gehen, und an den Friedensprozess glauben selbst in Ramallah nur mehr die „Professionellen“, all jene also, die von NGOs, Autonomiebehörde, Spenden aus Europa und USA abhängen oder profitieren. Kann es also sein, dass das Publikum für Obamas Rede ganz woanders zu suchen ist? Etwa in den USA, wo Obama bei seinen eigenen Unterstützern punkten kann, und zugleich versuchen, des Schwerpunkt des pro-israelischen Diskurses ein bisschen nach links zu rücken (falls sich ein Schwerpunkt so mir nix dir nix verrücken lässt). Oder in jenen Ländern, in denen nach dem arabischen bereits zu zweiten Mal wieder der Frühling einkehrt.

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Alfonse Zanardi Fr., 22.03.2013 - 08:31

Allein die Tatsache dass es zu einem Besuch kam, ist schon bemerkenswert. Das Verhältnis Obama-Netanjahu ist scheinbar dermaßen schlecht, dass es in den letzten Jahren zu keinerlei Ergebnissen kam. Teilweise schien Obama den Palästinensern näher als seinem engen Verbündeten.

Fr., 22.03.2013 - 08:31 Permalink
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salt & pepe Fr., 22.03.2013 - 09:22

Antwort auf von Alfonse Zanardi

Das Verhältnis zwischen Netanyahu und Obama ist auf jeden Fall schlecht (was Obama vom ersten Moment der Reist versuchte, mit Witzen zu überspielen), ich bezweifle aber, ob Obama den offiziellen Palästinenser-Vertretern besonders nahe ist. Eher hat er biographisch eine gewisse Nähe zur palästinensischen Erfahrung durch seine Freundschaft mit Rashid Khalidi, und musste sich die ganze Vorwahl und Wahlzeit dafür rechtfertigen gesagt zu haben, “Nobody is suffering more than the Palestinian people.”

Fr., 22.03.2013 - 09:22 Permalink