Politik | Urbanistikgesetz

Schwergeburt mit Nachwehen

Am Donnerstag wird das neue Raumordnungsgesetz vorgestellt. Was man nicht sagt: Ein Großteil der Spitzenbeamten hat sich längst vom neuen Gesetz distanziert.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
 
Am heutigen Dienstag ist es soweit.
Die Landesregierung wird den neuen Chefurbanisten des Landes ernennen. Wie salto.bz exklusiv berichtet hat, wird die Wahl dabei auf Frank Weber fallen.
Der amtierende Direktor des Amtes für Ortsplanung Süd-West wird neuer Direktor der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung werden. Frank Weber tritt damit die Nachfolge von Anton Aschbacher an, der mit 1. Oktober 2017 in Pension geht.
Die Suche nach dem neuen Chefurbanisten des Landes war von der Politik perfekt vorbereitet worden. So erfolgte die Auswahl durch einen Wettbewerb. Von den sechs TeilnehmerInnen, erklärte die Kommission am Ende drei für geeignet: Virna Bussadori, Adriano Oggiano und Frank Weber.
Da die Kandidaten von der Kommission im wahrsten Sinne des Wortes geprüft werden, erfolgt normalerweise bei solchen Wettbewerben am Ende ein klare Bewertung und Reihung. Doch hier war das anders. Die Kommission wurde explizit ersucht, keinerlei Bewertung oder Reihung zu machen. Sondern nur drei Kandidaten als „geeignet“ auszuwählen.
 
Der Hintergrund: Die zuständigen Landespolitiker hatten Angst, dass die Kommission zu anderen Schlüssen kommen könnte. Wie sich jetzt zeigt, waren die Befürchtungen nicht unbegründet. Nach Informationen von salto.bz hat die Direktorin des Amtes für Landesplanung Virna Bussadori einen hervorragenden Wettbewerb bestritten und alle männlichen Konkurrenten um Längen abgehängt.
Hätte Busadori den Wettbewerb gewonnen, hätten der zuständige Landesrat Richard Theiner und die Landesregierung trotzdem Frank Weber als neuen Abteilungsdirektor ernennen können.
Nur dann wäre es aufgefallen.
 

Umstrittenes Gesetz

 
Dass man bei dieser Personalentscheidung einen Sonderweg eingeschlagen hat, liegt auch an der schwierigen Situation, in der sich das Ressort Theiners in diesem Augenblick befindet.
Seit rund drei Jahren arbeitet man an der Neufassung des Raumordnung- und Landschaftsschutzgesetzes. Eine Arbeitsgruppe hat mehrere Vorschläge ausgearbeitet. Mitte März 2017 hat die Arbeitsgruppe dann den Entwurf des Gesetzesvorschlag „Neues Landesgesetz für Raum und Landschaft“ vorgelegt.
Doch mit diesem Entwurf ist kaum jemand zufrieden. Der Großteil jener Experten und Amtsdirektoren, die in der Arbeitsgruppe für das neue Gesetz zuständig waren, hat sich vom Ergebnis inzwischen distanziert.
 
Dabei geht es in dieser inhaltlichen Kritik nicht nur um einzelne Details des Gesetzesentwurfes, sondern um die Grundzüge der gesamten Operation. So war es eines der Hauptziele, das Südtiroler Urbanistikgesetz verständlicher und einfacher zu machen.
Doch dieses Vorhaben scheint man gründlich vermasselt zu haben.
Das macht eine bisher kaum bekannte Stellungnahme deutlich, die ausgerechnet von jenem Mann stammt, den die Landesregierung diese Woche zum neuen Südtiroler Chefurbanisten des Landes ernennen wird: Amtsdirektor Frank Weber
 

Webers Kritik

 
„Unter dem Eindruck der heutigen Besprechung komme ich nicht umhin, euch meine Meinung zum Entwurf in einem kurzen Kommentar zukommen zu lassen“, schreibt Frank Weber am 20. März 2017 in einer Email. Das Schreiben ging an rund zwei Dutzend Empfänger, zum Großteil Mitglieder der Arbeitsgruppe zum neuen Gesetz, aber zur Kenntnis auch an Landesrat Richard Theiner, Ressortdirektor Florian Zerzer und Abteilungsdirektor Anton Aschbacher.
Frank Webers Urteil über das neuen Urbanistikgesetz ist vernichtend:
 
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der vorliegende Gesetzesentwurf einige, mit den Leitlinien gestellte Ziele, nicht erfüllt. Vor dem Hintergrund einer möglichst umfangreichen politischen Einflussnahme in nahezu allen betroffenen Bereichen, hat der Gesetzentwurf eine Komplexität erreicht, die dem Willen nach „Einfachheit und Klarheit" deutlich entgegensteht.
Unter Berücksichtigung der derzeitigen Regelung des Landesraumordnungsgesetzes zu städtebaulichen Umstrukturierungsgebieten und der etwaigen Beteiligung Privater
ist das Ausmaß an absehbaren Vereinbarungen mit wenig detaillierten normativen Rahmen und diesbezüglich zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten nur zu erahnen.
Das neue Gesetz trägt diese Problematik auch in den Bereich Landschaft, der bisher durch ein einfaches und klares Gesetz geregelt war.
Vor dem Hintergrund einer möglichst umfangreichen politischen Einflussnahme in nahezu allen betroffenen Bereichen, hat der Gesetzentwurf eine Komplexität erreicht, die dem Willen nach „Einfachheit und Klarheit" deutlich entgegensteht.
Auch ist der „Vorrang des öffentlichen Interesses” im Angesicht der zahlreichen Möglichkeiten von Vereinbarungen mit Privaten in Bezug auf die geltenden Gesetze schwer zu argumentieren. Wesentliche fachliche Neuerungen, wie zum Beispiel Regelungen zu öffentlichen Räumen, oder Grüngestaltung innerhalb der Siedlungen, wie sie häufig von verschiedenen Fachleuten eingefordert wurden, vermisse ich leider in dazu geeigneten Absätzen, wie den Durchführungsplänen.
In der Frage des Bodenverbrauches gehe ich davon aus, dass es zu einer Steigerung desselben kommen wird, da im Entwurf zwar eine notwendige Entflechtung der bisherigen Praxis der Erweiterungszonen vorgenommen wurde, andererseits aber keine neuen Mittel eingeführt wurden, die eine Bestandsnutzung erleichtern würden.“
 
Der Amtsdirektor weiß ob der Brisanz seines Urteils. Frank Weber schließt sein Schreiben mit den Worten: „Es ist mir bewußt, dass das alles sensible Themen sind. Um so wichtiger scheint es mir, darüber im Klaren zu sein.
 

Abwesender Amtsdirektor

 
Seit Ende März hat die Spitze des Theiner-Ressorts diesen Gesetzentwurf den Verbänden, Interessensgruppen, Organisationen und Institutionen vorgelegt. In den vergangenen Monaten wurde Teil des Entwurfes überarbeitet und verschiedenen Einwänden und Bedürfnissen angepasst.
Es waren Anton Aschbacher und der Anwalt Jakob Brugger, die diese Überarbeitung durchgeführt haben. Am vergangenen Freitag wurde die letzte Version des Gesetzentwurfes fertiggestellt. „Das Gesetz ist seitdem nicht besser, sondern noch einmal deutlich verwässert worden“, sagt einer, der in der ursprünglichen Arbeitsgruppe mitgearbeitet hat.
Am Donnerstag dieser Woche wird der zuständige Landesrat Richard Theiner den Gesetzentwurf im Landtag vorstellen. Dabei soll neben Anton Aschbacher und Jakob Brugger auch der Abteilungsdirektor in spe Frank Weber das neue Gesetz erklären.
Dass die kritischen Stimmen in der Landesverwaltung aber noch lange nicht verstummt sind, zeigt ein anderes Detail.
Laut offiziellem Programm zur Gesetzesvorstellung, das der Südtiroler Landtags am Montag verschickt hat, soll am Donnerstag auch Peter Kasal über den Bereich „Landschaftsschutz (Neuerungen, Instrumente, Entwicklungen)“ sprechen. Doch dazu wird es nicht kommen.
Der Direktor des Landesamtes für Landschaftsökologie hat nach Informationen von salto.bz seine Teilnahme schriftlich abgesagt.
Der Grund: Er könne nicht hinter diesem Gesetzentwurf stehen.
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19 amet Di., 05.09.2017 - 10:43

Die übliche Freunderlwirtschaft. Diese Seuche ist in Südtirol nicht auszurotten, ganz gleich wer kommandiert.

Di., 05.09.2017 - 10:43 Permalink