Environment | Pflanzenschutzmittel

„Mals im Großen“

Südtirols Weinbauern drohen im Kampf gegen die Essigfliege die Apfelernte mit Pestizid-Rückständen zu belasten. Ist tatsächlich alles unter Kontrolle?


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Foto: salto

Voci gibt es viele in Südtirols Obstwirtschaft in diesen Tagen. „Skandal in Obstwirtschaft“, „Mals im Großen“, „Verkauf an große Handelsketten auf Eis gelegt“, sind nur einige der Schlagzeilen, die sich daraus basteln ließen. „In den Obstmagazinen ist einmal alles auf Null gestellt, da haben sie zuletzt alle nach Hause geschickt, und auch bei den Versteigerungen wurde alles gestoppt“, erzählt ein Bauer. Was ist passiert? Die Angst vor unerlaubten Rückständen auf Südtirols Exportschlager Apfel geht um in Südtirols Obstwirtschaft. Chlorpyrifos-Ethyl heißt das Schreckgespenst. Ein Pflanzenschutzmittel, bekannt unter dem Handelsnamen Dursban, das derzeit für intensivste Kontrolltätigkeiten auf allen Obstwiesen in der Nähe von Weingütern sorgt. Dort spritzten im August viele Weinbauern ihre Reben auf Empfehlung des Beratungsrings gleich drei Mal mit dem Pflanzenschutzmittel, um der Kirschessigfliege Herr zu werden. „Eine existentielle Bedrohung für viele Weinbauern“, wie es der Obmann des Beratungsrings Manuel Santer rechtfertigt. „Sonst droht die Vernichtung ganzer Ernten.“

Doch was die Trauben retten mag, könnte für die Äpfel vernichtend sein. Immerhin wurden für sie im heurigen Sommer die zugelassenen Grenzwerte für Chlorpyrifos-Ethyl-Rückstände gemäß Brüsseler Vorgaben gesenkt. Um sie einzuhalten, darf das Pflanzenschutzmittel 90 Tage vor der frühestmöglichen Ernte das letzte Mal eingesetzt werden; im Weinbau beträgt die sogenannte Karenzzeit dagegen nur 30 Tage. Nun aber wurde dort kurz vor der Gala-Ernte großzügig mit Dursban gespritzt. Zwar nach gegenseitiger Absprache und mit allen verfügbaren Vorsichtsmaßnahmen, wie Santer und VOG-Obmann Georg Kössler versichern. Dennoch scheint die Angst vor Überwehungen überall dort groß zu sein, wo Äpfel und Trauben dicht an dicht stehen. „Statt 600 Kontrollen, die wir gewöhnlich im Rahmen des Rückstands-Monitorings machen, haben wir heuer bereits 1500 gemacht“, sagt der VOG-Obmann. Die entsprechenden Risikozonen seien bereits vorab ausgemacht worden. Beprobt werden laut Kössler zum derzeitigen Zeitpunkt vor allem Äpfel in Vernatsch-Gebieten. Auch rund um den Rosenmuskateller seien einige gefährdete Parzellen ausgemacht worden. „Erst heute früh (Dienstag, Anm. d. Red) haben wir wieder 150 bis 160 Analysergebnisse bekommen – und zum Glück waren bisher alle unbedenklich, so Kössler.

Déjà vu für Biobauern

Damit erlebt nun auch der integrierte Obstbau, was viele Biobauern in den vergangenen Jahren beklagt haben: die Angst, wegen der Abdrift ganze Chargen wegwerfen zu müssen. „Natürlich ist es in Südtirol ein Problem, dass wir kleine Parzellen und viele Bauern haben“, räumt der Obmann des Beratungsrings ein. Vor allem wenn ein großer Teil der Ernte an große Handelsriesen in ganz Europa gehen, die von ihrer Forderung nach 100%-iger Produktsicherheit keinen Millimeter abrücken. Dass deutsche Marktführer wie wie Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka ihre Einkäufe in Südtirol bereits gestoppt hätten, entbehrt laut VOG-Obmann Kössler aber jeglicher Wahrheit. „Ich weiß schon, dass uns die Leute das und noch mehr wünschen würden“, sagt er. „Doch die Lieferprogramme sind nun dabei richtig anzulaufen. Es gab nur leichte Verzögerungen, da wir in den vergangenen zehn Tagen intensiv kontrolliert haben.“

Bestätigung dafür kam am Dienstag zumindest von Deutschlands Marktführer im Lebensmittelbereich Edeka. Auf Anfrage wurde dort verneint, dass es einen Ankaufstopp für Südtiroler Äpfel gibt. „Wir kaufen alle Sorten aus Südtirol. Dies sind derzeit Gala, Golden, Red Delicious und ab Ende September auch Braeburn“, hieß es aus der Edeka-Unternehmenszentrale in Hamburg.  Bleibt zu hoffen, dass bis dahin keine negativen Analyseergebnisse eintrudeln. Das Verständnis für die Kollegen aus der Biobranche und die Malser dürfte in jedem Fall gestiegen sein in den vergangenen Wochen. Und das kann Südtirols Landwirtschaft nur gut tun. 

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andreas gschleier Wed, 09/14/2016 - 22:45

In reply to by Mensch Ärgerdi…

Sie Haben Recht: Alle Bauern sollten mit ihren Mitteln auf eigenem Grund und Boden bleiben. Jedoch bitte ich Sie zu bedenken, dass der Biobauer durch Abdrift einen wirtschaftlichen Schaden in Kauf nehmen muss und im schlimmsten Fall sogar rechtlich wegen Verstoss gegen die Biorichtlinien haftbar ist, sofern er die Abdrift nicht beweisen kann.
Der Biobauer tut sich im Umkehrschluss jedoch schwer die Rückstände seines Nachbarn in unerlaubte Höhen zu treiben.
Ausserdem sind ein Großteil unserer Bauern, ob "bio" oder "konventionell" in den selben Vermarktungsorganisationen zusammengefasst, sei es nun VOG oder ViP. Wenn EDEKA oder eine andere große Lebensmittelkette Rückstände auf unserem Obst findet schadet es allen Bauern. Wir sitzen im selben Boot.

Wed, 09/14/2016 - 22:45 Permalink