Società | GOG-Ausstellung

„Fakultät hat zu sich selbst gefunden“

Das Semester geht zu Ende, so auch die Zeit von Dekan Schmidt-Wulffen. Sein persönlicher Rückblick und Wunsch für die Zukunft der Fakultät für Design und Künste.
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Stephan Schmidt Wulffen
Foto: ©Stephan Schmidt-Wulffen

Das Semester geht zu Ende und wie jedes Jahr stellten die Studierenden der Fakultät für Design und Künste an der Freien Universität Bozen ihre Semesterarbeiten in der GOG-Ausstellung (Gäste-Ospiti-Guests) aus. Zu Ende geht auch die Arbeitszeit des Dekans, Professor Stephan Schmidt-Wulffen, der am Aufbau des Studiengangs Kunst beteiligt war und ab September seine Pension antritt. Im Interview erzählt der Kurator, Kunstkritiker und „Coach“, wie er sich selbst bezeichnet, von seinen Anfängen an der Uni Bozen als diplomatischer Streitschlichter, und von seinem Wunsch nach mehr Wertschätzung für Kunst-Studiengänge.

Herr Schmidt-Wulffen, letzte Woche haben die Studierenden der Fakultät für Design und Künste ihre Abschlussarbeiten vorgestellt, ganz traditionell, im Rahmen von GOG – Gäste-Ospiti-Guests. Können Sie uns diese Tradition erklären?

Stephan Schmidt-Wulffen: Einmal im Jahr lädt die Fakultät für Design die Bürger ein, die Arbeiten ihrer Studierenden zu besichtigen. Das musste wegen Corona jetzt schon zum zweiten Mal online passieren. Mit meinem Studio war ich dieses Jahr als einziger zu Gast in einem Secondhandladen, ein gelungener Rahmen für ein solches Ausstellungsprojekte, auch weil wir uns diesmal um das Thema Geschichte bemüht haben, und dieser Laden hat ja Sachen aus den 80er und 90er Jahren.

Mit dem Thema Geschichte meinen Sie das Motto der heurigen Ausstellung: „Yesterday-Tomorrow“. Wie kommen Sie zu den Themen?

Im Studio ‚Exhibit’ suchen wir uns immer eine Ausstellung aus, schauen, wie sie inszeniert wurde, wer die Kuratoren waren, und wer die teilnehmenden Künstler. Die Studierenden sind dann aufgefordert, sich einen Künstler oder eine Künstlerin auszusuchen, von der sie annehmen, dass sie einen Bezug zu den eigenen Interessen hat, und dann sollen sie deren Werk in der Ausstellung rekonstruieren. Dieses Jahr haben wir uns eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum in München ausgesucht. Die hieß „Tell me about yesterday tomorrow.“ Davon ist “yesterday tomorrow” geblieben.

 

Sie sind Kurator und Kunstkritiker und bezeichnen sich selbst als ‚Ratgeber’.

Ich hatte diesmal viele Studierende im zweiten Semester und habe daher wenig Theorie gemacht, aber viel als ‚Coach’ gearbeitet. Viele Einsteiger haben eine gewisse Fantasie davon, was Künstler machen, aber keine richite Vorstellung von dem Beruf. Da ist es sehr wichtig, auf die großen Falltüren aufmerksam zu machen, und sie zu schließen. Also diese Fantasie: Ich muss mich ausdrücken und der Welt erzählen, wie ich fühle. Warum sollte die Welt sich für deine Gefühle interessieren? Ein großes Erlebnis für die Studierenden ist immer, wenn sie merken: Das hat mit spontanem Tun und Ausdruck wenig zu tun, sondern sie müssen jeden gestalterischen Schritt vor den Kollegen und Lehrenden rechtfertigen, verteidigen, argumentieren.

Eine Falltür für die Kunst, die sich niemand erwartet hätte, war der Lockdown. Wie hat die Fakultät diese Zeit erlebt?

Corona hat für unser Studium recht zerstörerische Wirkung gehabt. Ich habe im vorletzten Semester nur Vorlesung gehalten aber ich hatte das Gefühl, ich plaudere vor mich hin. Es hat sich auch gezeigt, wie wesentlich der Austausch unter den Mitstudierenden ist, der vollkommen wegfallen war. Die Kommunikation ist in drastischer Weise beeinträchtigt worden. Auch die Dimension der Werke ist geschrumpft, man merkt diesen Arbeiten die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten an. Die Isolation hat zu depressiven und melancholischen Arbeiten geführt. Einige Studierende haben sich gefragt, warum sie noch weitermachen sollen und haben ganz aufgehört zu arbeiten.

Hatte der Lockdown also keine positiven Wirkungen auf die künstlerische Inspiration?

In einigen wenigen Fällen hat dieser Zwang, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, einen Entwicklungsschritt eingeleitet. Jedenfalls sind viele Arbeiten entstanden, die erhellend für das Thema sind. Das wäre eine eigene Ausstellung wert: ‚Artists in isolation’.

Sie haben den Studiengang Kunst an der Universität Bozen aufgebaut. Wie hat sich die Fakultät seitdem entwickelt?

Es ist eine der Fakultäten mit den höchsten Bewerberzahlen, und also ein sehr erfolgreiches Modell. Es bleiben institutionellen Probleme: Wir haben sehr renommierte Leute unter Vertag, die wesentlich zum Erfolg des Studiums beitragen, aber weil sie die akademischen Berufungsvoraussetzungen für eine italienische Universität nicht erfüllen, können wir keine Professoren fix berufen, sondern sind auf Zeitverträge angewiesen.

Woran liegt das?

Die Professur ist weit weg, weil alle angehenden Akademiker hier formal habilitiert sein müssen. Aber die wenigsten Künstler haben überhaupt ein PHD. Wenn Sie in Italien Kunst studieren, landen Sie in der Regel auf einer Akademie. Da erhalten Sie nach fünf bis sechs Jahren ein Diplom, das aber an keiner der Universitäten im Ausland anerkannt ist. In Italien wird Kunst also noch als Handwerksarbeit qualifiziert, nicht als Studium.

Somit ist die Universität Bozen ein Vorreiter im Bereich Kunst in Italien?

Wir in einer sehr privilegierten Position und ich würde mir wünschen, dass die Universitätsleitung das wahrnimmt und endlich einen Masterstudiengang in Angriff nimmt. Die besten Leute, die wir hier ausbilden, landen alle in ausländischen Universitäten für ihren Master. Die Politik redet hier viel über Braindrain – es wäre also eine dringliche Aufgabe, diese Talente noch weitere 2 Jahre hier zu halten, und sie dann in eine künstlerische Karriere zu schicken, wo steht „ausgebildet in Bozen“. Jetzt steht da „ausgebildet in Den Haag, ausgebildet in Wien.“ Aber ich sehe eigentlich keinen politischen Willen und keine Ansätze.

Sie gehen mit Ende des Semesters in Pension. Auf welche Highlights an der Uni Bozen blicken Sie zurück?

Ich habe viel gelernt über Kooperation, Freundschaft und Gegnerschaft. Fakultäten sind turbulente Gemeinschaften, das hat sich auch hier erwiesen. Ich bin als eine Art ‚Schiedsrichter’ nach Bozen gerufen worden, weil die Fakultät damals so zerstritten war. Heute hat die Fakultät wieder zu sich selbst gefunden, und diese Grabenkämpfe beigelegt.

In Ihnen schlummert also ein Diplomat?

Jaja, das ist eine Berufskrankheit. Ich komme aus der Universitätsentwicklung – ich war zehn Jahre Rektor der Akademie in Wien und sechs Jahre Rektor einer Privatuniversität in Niederösterreich. Ich habe also viel Zeit meines Lebens mit Konflikten in Universitäten, und mit der Entwicklung von Universitäten verbracht.

Was werden Sie an Südtirol am meisten vermissen?

Die wunderschöne Landschaft – diese Nähe des städtischen Lebens von Bozen zum Freizeitraum der Berge ist außergewöhnlich; das angenehme Klima. Und natürlich werde ich mein Team und die Kollegen vermissen.