Economia | Einbeziehung

Teil des Ganzen

Eines der zentralen Kriterien auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt ist die Einbeziehung von Mitarbeitenden in den Betrieb, in dem sie arbeiten.
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Foto: Adobe Stock Images

Eigenverantwortung und Selbstständigkeit spielen im modernen Arbeitsumfeld ebenso eine Rolle wie das Vertrauen der Arbeitgebenden in die Kenntnisse ihrer Angestellten. Wie Wege zu mehr Einbeziehung aussehen können und warum es sich für Arbeitgebende immer auszahlt, die eigenen Beschäftigten in wichtigen Bereichen mitentscheiden zu lassen. 

Neue Zeiten, neue Wege

Im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung und der Nachhaltigkeitsdebatte verändern sich unweigerlich auch die Arbeitsstrukturen innerhalb eines Unternehmens. Dabei stellen sie die starren und größtenteils hierarchischen Organisationsstrukturen in Unternehmen vor neue Herausforderungen. Abgesehen von der Berücksichtigung des physischen und mentalen Wohlbefindens der eigenen Beschäftigten, rückt auch die Einbeziehung dieser in den Mittelpunkt. Der Wunsch nach einer aktiveren Einbindung der Mitarbeitenden in unternehmerische Fragestellungs- und Entscheidungsprozesse sowie die Gewährleistung der eigenen Freiheiten im Rahmen des Angestelltenverhältnisses wird vermehrt lauter – zu Recht. Denn werden diese Voraussetzungen vom Unternehmen erfüllt, steigert sich nicht nur das Selbstbewusstsein und die Eigeninitiative der Arbeitnehmenden, sondern auch die Produktivität im gesamten Betrieb. Je mehr die Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden, desto mehr können sie sich mit dem eigenen Unternehmen identifizieren und fühlen sich mit diesem so umso mehr verbunden. Was dann heißt, dass die Mitarbeitenden alles daran setzen, sowohl die eigenen Ziele als auch jene des Unternehmens umzusetzen und diesem auch in schwierigen Zeiten die Stange zu halten.

Südtirol ist nur Durchschnitt

In Sachen Mitarbeitereinbeziehung liegt Südtirol im mitteleuropäischen Durchschnitt. Dies entnimmt man dem European Working Condition Survey – kurz EWCS – einer Umfrage, die in allen Ländern Europas durchgeführt wird und die Qualität der Arbeitsbedingungen abruft. Das Arbeitsförderungsinstitut | AFI hat diese Umfrage im Jahr 2016 (und auch im Jahr 2021 wieder) eins zu eins für Südtirol repliziert. In Südtirol haben 29% der Befragten angegeben, hohe Einbeziehung ins Unternehmen zu genießen,. Rund 21% gaben an, zwar viel Freiraum gewährt zu bekommen, jedoch nicht oder nur unzureichend in Entscheidungsfindungsprozesse miteingebunden zu werden. Bei 17% der Befragten verhielt es sich genau umgekehrt: Sie sind Teil von wichtigen Fragestellungen, verfügen aber kaum über einen selbstständiges Handlungsspielraum innerhalb des Unternehmens. Jeder dritte Südtiroler Arbeitnehmende (33%) arbeitet weder autonom noch ist er oder sie Teil von Entscheidungsprozessen, befindet sich also in einem klassischen Top-Down-Gefüge, in dessen Rahmen der oder die Arbeitgebende autonom Entscheidungen trifft und den eigenen Angestellten nur geringen oder gar keinen Aktionsradius lässt. Aus arbeitspsychologischer Sicht bietet eine ausgeglichene Mischung aus arbeitstechnischer Selbstständigkeit und Einbindung in die wichtigsten Organisationsfragen des Unternehmens die beste Option für ein angenehmes und förderliches Arbeitsklima. Dieses erlaubt den Beschäftigten, Dinge selbst zu hinterfragen, auszuprobieren und im Falle von Fehlern zu verbessern, was einen wichtigen Beitrag zur persönlichen Weiterentwicklung leisten kann. 

Schwierigkeiten auf Italienebene

Im gesamtstaatlichen Vergleich schneiden die Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgesprochen gut ab: Durchschnittlich 43% der italienischen Beschäftigten – rund 10% mehr als in Südtirol – arbeiten in einer hierarchischen Top-Down-Führung, handeln also weder selbstbestimmt noch entscheidungsführend. Rund 29% der im Stiefelstaat Beschäftigten werden berufliche Freiräume gewährt, haben dafür aber wenig Mitspracherecht bei wichtigen unternehmensinternen Fragen. Was Führungskräfte, sprich Beschäftigte mit Weisungsbefugnissen – anbelangt, verfügen rund 29% von ihnen über einen arbeitsrelevanten Gestaltungsspielraum. Jeweils 38% der leitenden Angestellten werden gleichzeitig auch in Entscheidungsprozesse miteinbezogen. Im Kontrast dazu stehen Hilfskräfte und Maschinen- oder Anlagenbediener, die in schwach einbeziehenden Arbeitsorganisationen tätig sind. Grund dafür ist hauptsächlich der monotone Arbeitscharakter dieser Berufe, der per se geringen persönlichen Entfaltungsspielraum ermöglicht - Maschinen und Anlagen bieten wenig Abwechslung und automatisieren ein Stück weit auch den Arbeitsalltag jener Menschen, die sie bedienen. Akademisches Personal genießt generell mehr Spielraum als die zuvor genannten Berufsgruppen. Dies liegt vor allem daran, dass Akademikerinnen und Akademikern zwar eine Richtung vorgezeigt wird, der gesamte Prozess zur Zielerreichung aber von ihnen selbst erforscht werden muss.

Einbeziehung bietet zahlreiche Vorteile

Fühlen sich Mitarbeitende von ihren Vorgesetzten wertgeschätzt, sind sie in der Regel produktiver und engagierter, da sie sich als Teil des Unternehmens verstehen und folglich zum Erfolg von diesem beitragen wollen. Wenn sie zusätzlich in Entscheidungen miteinbezogen werden und ihnen bei wichtigen Grundsatzfragen eine Stimme gegeben wird, vermitteln Arbeitgebende einen respektvollen Umgang mit ihren Mitarbeitenden. Diese Umstände resultieren in einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und einer geringeren Fluktuationsrate, wovon Unternehmen vor allem angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels profitieren. Die Einbeziehung in Betriebsangelegenheiten fördert außerdem das Vertrauen von Beschäftigen in die oder den Arbeitgebenden, da eine größere Verantwortung zu einem gewissen Grad auch ein Grundvertrauen der Vorsitzenden in die Fähigkeiten der oder des Angestellten voraussetzt. Chefs, die nicht an die Kenntnisse ihrer Mitarbeitenden glauben, werden nie dasselbe Vertrauen seitens der Beschäftigten genießen, wie jene, die sich auf ihr Team verlassen. Der Aspekt der Transparenz spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine entscheidende Rolle, da sie unmittelbaren Einfluss auf die Loyalität der Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen ausübt. Wenig transparente Entscheidungsprozesse wirken sich negativ auf das Organisationsklima aus, das letztlich in einer geringeren Produktivitätsrate resultiert.

Strategien zur Einbeziehung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mitarbeitende ins Unternehmen und dessen alltägliche Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen. Durch regelmäßige Meetings und konstruktives Feedback können potentielle Probleme effizient aus dem Weg geräumt werden, die – falls nicht berücksichtigt – schnell in Missverständnisse und Frustration übergehen können. Die Schaffung von einfachen, offenen und effektiven Kommunikationskanälen innerhalb des Unternehmens, die Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, Feedback zu verteilen, Vorschläge in den Raum zu werfen und Fragen zu stellen, steigern dabei sowohl die Teamfähigkeit als auch die Effizienz im Bereich der Beschäftigten. Besonders zentral ist im Hinblick auf die Rückmeldung beider Seiten eine konstruktive Äußerungsweise, die dem Gegenüber nicht nur eventuelle Fehler, sondern auch mögliche Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigt. Die Beteiligung von Mitarbeitenden an Entscheidungen, die sie betreffen, wie beispielweise in Zusammenhang mit Arbeitsabläufen, bietet vor allem Führungskräften die Chance, in den Arbeitsalltag der Beschäftigten einzutauchen und eventuelle Störquellen ausfindig zu machen. Fehlerbehebungen gehen stets mit einer Effizienzsteigerung einher, wovon das ganze Unternehmen profitiert. Zusätzlich können Teambuilding-Veranstaltungen sowohl die Zusammenarbeit im Team als auch das Vertrauen der Mitarbeitenden ineinander und in die Führungskräfte stärken. 

Es ist wichtig zu betonen, dass es keinen „One-Size-Fits-All“-Ansatz gibt, um Mitarbeitende ins Unternehmen zu integrieren. Die besten Methoden hängen von den spezifischen Bedürfnissen und Anforderungen des Unternehmens und seiner Angestellten ab. 

Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama