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Durchgefallene Landesräte

Der erste Anlauf für ein neues Mitbestimmungsgesetz im Schul- und Kindergartenbereich ist grandios gescheitert. Weil dabei Eltern- wie Schülervertreter übergangen wurden.
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Foto: LPA

Jasmine Rouimi, Vorsitzende des Landesbeirates der Schüler (LBS) ist unmissverständlich: „Dieser Gesetzesentwurf ist ein extremer Rückschlag für die SchülerInnen im Land. Wir können darin keinerlei Geist von Partizipation, geschweige denn die Möglichkeit zu echter Mitbestimmung oder Mitgestaltung finden“, sagt die Schülerin der Wirtschaftsfachoberschule Auer. Ganz auf ihrer Linie der Vize-Präsident des Landesbeirates der Eltern Ivo Passler. „Dieses Papier ist ein Affront, eine Beleidigung“, sagt der Lananer Elternvertreter. „Wir sind zutiefst enttäuscht und empört“. Nicht gerade das beste Zeugnis für eine Gesetzesreform, in der das Wort Partizipation groß geschrieben wird und die Einbindung von Eltern und SchülerInnnen in die Gestaltung der Südtiroler Schulwelt reformiert werden soll. Zumindest im ersten Anlauf haben Bildungslandesrat Philipp Achammer und seine italienischen und ladinischen Kollegen Christian Tommasini und Florian Mussner statt dessen eine selten so geschlossene Front aus Eltern und Schülern aller drei Sprachgruppen gegen sich aufgebracht.

Ein knappes Jahr ist vergangen, seit der deutschsprachige Bildungslandesrat erstmals die vollständige Überarbeitung des Landesgesetzes über die "Mitbestimmungsgremien der Schulen" ankündigte. Ein Gesetz, das bei seiner Verabschiedung  im Jahr 1995 als revolutionär galt und noch heute immer wieder im restlichen Italien wie auch im deutschsprachigen Ausland als Vorbild der Mitbestimmung im schulischen Bereich hergenommen wird. Doch wie die Schulvertreter bei der Vorstellung eines mit der Novellierung verbundenen Bildungsdialogs im vergangenen November unterstrichen, gilt es nun den in der Zwischenzeit stattgefundenen Veränderungen, wie die Eingliederung der Kindergärten in das Bildungswesen, die Autonomie der Schulen oder die ab 2017 geltende Rechtspersönlichkeit der Berufsschulen, im Gesetz zu berücksichtigen. Erstmals soll durch die Hereinnahme von Kindergärten und Berufsschulen also in einem Gesetz die Mitbestimmung auf allen Bildungsstufen berücksichtigt werden. Allerdings erst nach einer Konsultationsphase mit allen Beteiligten, versprach nicht zuletzt Schulamtsleiter Peter Höllrigl im vergangenen Herbst. „Eine tragfähige Lösung wird nur dann gefunden werden, wenn es uns gelingt, die Erfahrungen an den Kindergärten und Schulen einzubringen und alle Beteiligten mit einzubeziehen“, hieß es damals.

Allianz aus sechs Beiräten  

Beim Landesbeirat der Eltern setzte man eine solche Vorgehensweise bei einem Mitbestimmungsgesetz auch voraus – und begann sich ebenso wie die Vertreter des Schülerbeirates bereits im vergangenen Sommer zu erkundigen, wie genau man sich bei der Gesetzesnovellierung einbringen könne. Doch bis auf ein Informationsgespräch mit einem Arbeitsinspektor, der ihnen noch einmal das alte Gesetz und die groben Entwicklungsrichtlinien für seine Reform erklärte, passierte erst einmal nichts. „Vor allem verstanden wir durch dieses Informationsgespräch, dass für die Ausarbeitung des Gesetzes eine technische Arbeitsgruppe eingesetzt worden war, in der aber von Eltern- und Schülervertretern keine Spur war“, so Passler. Vom Landesrat Achammer wurden die Vertreter der Landesbeiräte auf den geplanten Bildungsdialog vertröstet. Das breit angelegte Forum, „zu dem jeder hingehen kann“, wie Passler meint, erschien aber weder Schüler- noch Elternvertretern als geeignete Plattform, um ihre Positionen einzubringen. Stattdessen formierte sich eine ungewohnte Allianz aus allen sechs Beiräten, also den Schülern- wie Elternbeiräten aller drei Sprachgruppen. Im Herbst organisierte der italienische Landesbeirat eine Fachtagung zum Thema. Danach machten sich Vertreter der sechs Beiräte daran, in enger Zusammenarbeit ihre Forderungen und Wünsche in einem gemeinsamen Positionspapier niederzuschreiben.

 „Proposte di miglioramento legislativo  degli organi collegiali“, ist das vierseitige Ergebnis übertitelt, das als Basisforderung eine Beibehaltung aller bisherigen Mitbestimmungsgremien fordert. Um diese werden die Südtiroler im restlichen Italien, aber auch im deutschsprachigen Ausland immer wieder wegen ihres hohen Partezipationsgrads beneidet, unterstreichen auch Ivo Passler und Jasmine Rouimi. „Alle Eltern und Schüler sind hier in einem pyramidalen System vertreten, in dem auch die Gremien sehr gut einander greifen“, sagt Passler. Vom Elternrat- und Schülerrat bis hin zur höchsten Ebene, den entsprechenden Landesbeiräten. Dennoch werde ihr Potential nicht ausreichend ausgenutzt – vor allem weil es nicht genügend Klarheit über die Aufgaben der einzelnen Rollen gäbe und zu wenig Begleitung und Weiterbildung gäbe, finden die Vertreter der Landesbeiräte. Sie fordern deshalb in ihrem gemeinsamen Papier ein Unterstützungssystem – mit sogenannten Partizipiationsreferenten in jedem Bezirk als Anlaufstelle für Schüler- und Elternvertreter oder auch mit einer elektronischen Plattform, mit der das bestehende Informationsvakuum vieler Eltern und Schüler über ihre Rechte und Pflichten beseitigt werden könnte.

Doch auch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse in den Gremien bremsen laut dem Vize-Präsidenten des deutschsprachigen Landesbeirates die Mitbestimmung von Schülern und Lehrern. „Wir haben nirgend ein wirkliches Mitspracherecht“, sagt Passler. Das gelte selbst für den Schulrat, in dem das Lehrpersonal dank Direktor und Sekretärin immer in der Mehrheit sei. „Uns erreichen dauernd Klagen aus dem ganzen Land, dass Eltern sich gegen die Meinung des Schulpersonals ohnehin nie durchsetzen können, ja nicht einmal gehört werden müssen.“ Ein Knackpunkt, der für viel Demotivation sorge und deshalb laut  Positionspapier durch die Einführung qualifizierter statt einfacher Mehrheiten im Schulrat gelöst werden soll.

Autonomie auch bei der Mitbestimmung? 

Ende Jänner übermittelten die Schüler- und Elternvertreter den zuständigen Landesräten ihr Positionspapier– um im März mit einem Gesetzesentwurf konfrontiert zu werden, in dem nicht nur keiner ihrer Vorschläge berücksichtigt wurde. „Der Vorschlag sieht darüber hinaus vor, die Elternräte sowie die Landesbeiräte zu streichen – entgegen unserer ausdrücklichen Forderung, die bestehenden Gremien beizubehalten“, sagt Passler. Statt dessen gehe der Gesetzesvorschlag in Richtung Rahmengesetz, das es jedem Schul- und Kindergartensprengel autonom überlassen soll, ein individuelles Partizipationsstatut zu erarbeiten. „Viele Gremien auf Schulebene sind darin nur mehr als Kann-Bestimmungen vorgesehen“, sagt Jasmine Rouimi. „Mit diesem Entwurf wird die  Partizipaition von Seiten der Lehrer und Schüler extrem geschmälert, wenn nicht sogar ausgelöscht“, urteilt die LBS-Vorsitzende.

Nach einer Krisensitzung schmetterten die sechs Beiräte den Gesetzesentwurf bei seiner offiziellen Vorstellung im Rahmen des letzten Bildungsdialogs am 10. April mit einem klaren Nein zurück. „Wir haben geeint gesagt, dass ein solches Gesetz für uns nicht akzeptabel ist“, erzählt Ivo Passler. Eine Position, die auch durch die Überzeugungsversuche Achammers, der autonomen Schule Vertrauen zu schenken, nicht gemildert wurde. „Eltern und Schüler sitzen im System Schule ohnehin immer am kürzeren Hebel“, sagt der Vize-Präsident des Landesbeirates der Eltern. „Wenn wir keine rechtlich abgesicherten demokratischen Regeln haben, werden unsere Bedürfnisse immer überrollt werden.“

Zweiter Anlauf

Doch laut aktueller Einschätzung der beiden Landesvertreter der SchülerInnen und Eltern kommt es vielleicht doch nicht so weit. Vor allem angesichts der geeinten Position von Eltern und Schülern aller Sprachgruppen scheint die Politik in diesem Vorwahljahr weiche Knie bekommen zu haben. „Allein wir als deutschsprachiger Landesbeirat vertreten 13.000 Schülerinnen im Land und das sind die Empfänger der Dienstleistung“, sagt LBS-Vorsitzende Roumini. Gerade deshalb müssten auch sie das Recht haben, in der Schule ihre Meinung zu sagen und mitzubestimmen – auch bei der Festlegung der Regeln, wie diese Mitbestimmung konkret funktionieren soll.

 

Nach einem Treffen mit dem Bildungslandesrat in der vergangenen Woche ist Ivo Passler zuversichtlicher, dass dies doch noch passiert. Nach dem Bildungsdialog seien die einzelnen Landesbeiräte noch nach Sprachgruppen getrennt zu den jeweiligen Landesräten vorgeladen worden. „Doch wir haben klar gemacht, dass wir uns nicht spalten lassen, sondern nur bereit sind, alle gemeinsam und in einem transparenten und partezipativen Prozess an dem Gesetz mitzuarbeiten“, sagt Passler. Eine Forderung, deren Erfüllung ihm zumindest beim jüngstem Treffen mit Achammer zugesichert worden sei. „Der Landesrat hat gesagt, dass man nun einen neuen partezipativen Prozess startet, zu dem alle Beiräte eingeladen werden.“ „Jetzt geht es darum, den vorliegenden Gesetzesentwurf so schnell wie möglich hinter uns zu lassen, um etwas Neues zu erarbeiten“, sagt Jasmine Rouimi. „In enger Zusammenarbeit aller Partner – damit das Beste für alle herauskommen kann.“