Arte | Kunst

Gefragte Künstler

Ein Problem, das man der Lebenshilfe an 365 Tagen wünscht, hatte man am gestrigen Nachmittag im Zeichen von Menschen mit Behinderungen: Die Künstler waren überbucht.
Suparbile, Walterhaus, Teatro La Ribalta
Foto: SALTO
  • Anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen, richteten Lebenshilfe und Teatro La Ribalta - Kunst der Vielfalt am gestrigen Nachmittag eine Begegnung im Bozner Waltherhaus im Zeichen der Kunst aus. Ab 15 Uhr standen ein Ausstellungs-Auszug der Brixner Kunstwerkstatt Akzent und Gedichtlesungen, ab 17 Uhr das Theaterstück „Superabile“ des Teatro La Ribalta auf dem Plan.

     

    Lebe dein Leben, / Und hör nicht immer was die anderen reden! / Du weißt doch, was du willst und kannst / setz es um und besieg deine Angst. / Aber du kannst, wenn du willst, / sie alle überwinden und mit Leichtigkeit überspringen. / Was wichtig ist in deinem Leben, / hör nicht was die anderen reden, / lebe dein Leben. -Julia Maria Binanzer

     

    Einziger „Wermutstropfen“: Nachdem man den Termin festgelegt hatte, erhielt man unweit vom Veranstaltungsort „Konkurrenz“ durch Bischof Ivo Muser, der im Bozner Dom zur selben Zeit die heilige Messe feierte, unter anderem mit Unterstützung der Musikgruppe „MitEinAnders“. Unter den geladenen Dichter:innen waren indes auch drei Bandmitglieder, für ihren Vortrag sprang Schauspielerin und Autorin Brigitte Knapp ein. Wünschenswert wäre es, dass sich Poet:innen und Musiker:innen das ganze Jahr über mit zu vielen Anfragen konfrontiert sähen, schade aber, dass Annemarie Delleg, Monika Hochgruber und Julian Peter Messner die eindrucksvolle Lesung verpassten. Verena Elisabeth Turin und Julia Maria Binanzer waren selbst vor Ort und konnten ihren Worten eindrücklich Gehör verschaffen. 

  • Kunst Akzent: Links die Bilder von Klaus Pörnbacher, rechts eines von Katharina Taschler. Foto: SALTO

    Während es in den Bildern die verbindende Vorgabe gab auf Leinwand (im Rahmen eines Projekts mit Sabine Unterpertinger entstanden) zu malen, so betonte man seitens der Kunstwerkstatt doch das eigene Bestreben, verschiedenste Kunstformen zu präsentieren. Die Malerei habe nur in den letzen Jahren, durch Covid-Restriktionen etwas überhandgenommen und man freue sich darauf, anderen Sparten der Kunst künftig wieder mehr Platz schenken zu können. 

  • Kunst Akzent: Gustav Lechners Malerei verbreitet gute Laune. Foto: SALTO

    Ausgestellt wurden drei Künstler:innen. Klaus Pörnbacher stellte Abstraktes aus, das flächige Farben mit feinen Ritzungen in die Farboberfläche verbindet und Katharina Taschler die drei vom Zirkus inspirierten Bilder, die im Hintergrund der Lesung zu sehen sind. Schließlich auch nicht fehlen durften die Bilder von Gustav Lechner, der gerne bunte Häuserzeilen malt, wie man sie etwa aus Innsbruck vom Flussufer Richtung Nordkette kennt und die einfach Frohsinn stiften.

  • Viele Jahre hat ein Kunstsammler unsere Werke aufgekauft und hat dann die gesamten Werke geschlossen dem Stadtmuseum Bruneck geschenkt und sie wurden in einer großen Ausstellung präsentiert. Wir haben von der Leitung des Stadtmuseums erzählt bekommen, dass eine Dame gekommen sei, die gefragt habe, wo denn nun die Werke der Ausstellung von Menschen mit Behinderung seien. Es war das ganze Stadtmuseum mit Werken von Menschen mit Behinderung ausgestattet. -Sabine Unterpertinger, Kunstwerkstatt Akzent

  • Den Anfang bei der Lesung machte Knapp mit den Worten von Annemarie Delleg. Wenig auf dieser Welt ist so sehr Geschmacksache, wie der Vortrag von Gedichten, die ein anderer Mensch geschrieben hat. Daher ist es ausdrücklich meine Meinung, dass Brigitte Knapp, vom Schauspiel kommend, dazu neigt die Worte auch unaufgeregter Gedichte zu überbetonen. Bei einigen der „aufgeregteren“ Texte, wie dem eingangs vorgetragenen, abenteuerlichen „Traum“ von einem reisenden Bett, etwa passte dieser ausgeprägte Pathos dagegen nicht schlecht, wenngleich ich persönlich eine ruhigere Lektüre bevorzuge. Auch zur ausgesprochen bildhaft-fantastischen „Bildersammlerin“ (ausgezeichnet beim Wiener Lyrikpreis Ohrenschmaus) passte der Vortrag Knapps nicht schlecht. Meine Begleitung am Nachmittag empfand Knapps Vortrag als überaus gelungen, die Lebenshilfe überlegte sogar vor Ort laut, eine Art Podcast mit Frau Knapp zu lancieren. 

  • Weiter machte Knapp mit den Worten von Monika Hochgruber, die sich gleich mit ihrem ersten Text dem Thema Tod verschrieben hat. Darüber hinaus findet viel Sinnlichkeit Platz, aber auch ein Einblick in Alltäglichkeiten und Gefühlswelten. Julian Peter Messners Gedichte zeigen, dass Gedanken oft drunter und drüber gehen, in seinem Kopf, aber genauso gut könnte es ein anderer sein. Da ist das kreative Schreiben oft genau das richtige Ventil. Messner sucht dabei auch ruhige, lyrische Bilder und findet diese auf eindrückliche Weise.

     

    Mir sind damals die Tränen gekommen. Jetzt wohne ich allein. Allein abspülen, allein Kaffee machen in der Früh. Und eigentlich müsste ich mal wieder zum Arzt. Dann ziehe ich mich an und gehe zum Bus. Alles ist wieder ganz normal, so wie vor einem Jahr. Fast alles, außer dass ich ab und zu weinen muss. Das mit dem Leben war immer schon so, und dass ein Haus immer leerer wird. -Monika Hochgruber, Kunstwerkstatt Akzente

     

    Verena Elisabeth Turin übte sich in eindrücklicher Art und Weise, passend zum darauffolgenden Stück, der eigenen Ermächtigung. Sie las aus ihrem Buch „Superheldin“, das mit überwindbaren und unüberwindbaren Hürden kurzen Prozess macht. Um oder über die einen hilft Einfallsreichtum und Mut herum, die unüberwindbaren Hürden im Alltag lassen sich im Traum bezwingen, oder einfach auch hinwegtrösten, indem man sich vor Augen führt, was einem gefällt.

    Julia Maria Binanzer, die bereits mehrfach Gedichte (im Eigenverlag) veröffentlicht hat, fand dagegen zu Worten des Mutes, die alle im Saal ansprachen. Sie schaffte den „Sprung“, einen persönlichen Gedanken oder ein Gefühl allen vertraut zu machen und inspirierte damit alle im Saal gleichermaßen. In ihrem letzten Text sagte sie auch noch, was gesagt werden musste. Auf einige frohe und ganz hoffnungsfrohe Texte folgte dann noch einer, der ins Gewissen sprach und zu mehr Menschlichkeit und weniger Voreingenommenheit im Umgang miteinander einfordert. Sie wünscht sich einen Blick, der über die Hüllen hinausgeht.

    Über Eigenheiten beim Vortrag hinaus, scheint bei der Lyriklesung das Gemeinsame durch, dass hier klassische Themen, nur oft mit einem ganz eigenen, fantasievollen Zugang behandelt werden. Der Abend spricht für das Verbindende, das durch und durch Menschliche in uns allen.

  • Wir machen uns stark für eine moderne Gesellschaft in der Teilhabe nicht an einer Behinderung scheitern darf. Eine inklusive Gesellschaft mit der alle gut und in Würde reden können entsteht nicht durch politische Sonntagsreden. Wir benötigen ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass Inklusion und Teilhabe aller Menschen unserer Gesellschaft ein nicht verhandelbares Gut ist. -Roland Schroffenegger, Präsident der Lebenshilfe

  • Superabile: Grenzen aus dem Weg zu schaffen ist oft nur eine Frage des Willens. Wo eine Treppe ist, da könnte auch eine Rampe sein. Foto: SALTO

    „SuperAbile“ sieht seine Schauspieler:innen Melanie Goldner, Mathias Dallinger, Paolo Grossi und Jason De Majo in einer comichaften Welt auftreten, die zum einen durch die rund 50 Overheadprojektionen - geschoben, geschüttelt, gelegt und bewegt durch Paola Guerra, sowie die effektvolle Geräuschkulisse Rocco Venturas, die ebenfalls comichaft mit Übertreibung arbeitet. Man spielte für ein mehrheitlich deutschsprachiges Publikum auch in der Zweitsprache mehr als überzeugend. Das wäre doch gelacht, wenn man vor einer Sprachhürde klein beigeben würde, das Teatro La Ribalta - Kunst der Vielfalt zeigte einmal mehr, dass sich Grenzen in den Köpfen gut zur Seite schieben lassen.

  • SuperAbile: Der Ausgangspunkt des Stückes. Wir sehen unserem Protagonsiten erstmal beim Träumen zu, bevor wir Barrieren begegnen. Foto: SAlTO

    Im Stück lassen sich Barrieren wegschieben, es lässt sich vom Fliegen träumen und von einer faireren Welt für alle. Dabei erhält man als unversehrte Person überraschende und nicht oft genug angesprochene Themen, die aus falscher Scham verschwiegen werden. Wie etwa ist mit dem, bei Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen vorkommenden Wunsch nach Intimität umzugehen? Einfache Antworten gibt es da keine, wenn beide Partner auf den Rollstuhl angewiesen sind. Und wie ist das, in einer Gesellschaft zu leben, die durch und durch auf Wettkampf getrimmt ist? „Diesen Wettbewerb verliere ich immer.“, meint Mathias Dallinger und man wird sich klar: Menschen mit Behinderung werden oft damit konfrontiert, dass sie zu sehr das eine oder andere seien. Für ein wirklich faires Spiel in der Gesellschaft müssen sich nicht die Spieler, sondern das Spielfeld und die Spielregeln ändern.

  • Auf der Straße, die Berge schauen herunter, ich schaue hinauf. Dorf und Kleinstadt, wo ich wohne. Es ist Winter auf der Straße. Im Bus die Leute, was ich sehe, was ich höre. Feines Geäst am Winterhimmel, verblasst der Zebrastreifen. Erinnerst du dich? Ich erinnere mich. -Julian Peter Messner, Kunstwerkstatt Akzent

     

    Am Ende kamen alle Schauspieler:innen der Kompanie auf die Bühne um sich mit Standing Ovations feiern zu lassen. Sie verdienen es sich auch an allen anderen Tagen im Jahr.