Società | Zivilgesellschaft

Warmer Ort in kalten Zeiten

In Bozen eröffnet am 10. Dezember eine Winterunterkunft für Obdachlose. Eine Initiative von engagierten Bürgern, die nicht auf Politik und Verwaltung warten wollen.
Obdachlos in Bozen
Foto: Südtiroler Vinzenzgemeinschaft

“Wir wollen nicht mehr abwarten, bis Politik und Verwaltung aktiv werden.” Deshalb hat sich eine Gruppe sozial engagierter Bürger in Bozen dafür entschlossen, selbst eine Winterunterkunft für Obdachlose zu schaffen: In der Carducci-Straße 19, dem Gebäude im Besitz von Heiner Oberrauch, wo zuvor bereits unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht wurden. Auf drei Stockwerken bietet das Winterhaus insgesamt 40 Schlafplätze. Ein Stockwerk ist obdachlosen Frauen und Familien vorbehalten, eines inländischen obdachlosen Männern und eines eingewanderten Männern und Flüchtlingen ohne Dach über dem Kopf.

“Der Winter ist da. Trotz zunehmender Kälte müssen Dutzende Menschen in der Landeshauptstadt im Freien schlafen. In den vergangenen Wintern sind in Bozen immer wieder Menschen erfroren, weil sie keinen Platz in einer Notschlafstelle oder keinen Zugang zu ausreichend Decken und Schlafsäcken hatten. Landesweit stehen obdachlosen Menschen zwar 16 spezialisierte Einrichtungen zur Verfügung. Zehn davon befinden sich in Bozen. Aber das ist nicht genug: Mindestens 80 Menschen müssen derzeit in der Landeshauptstadt die Nacht in der Kälte verbringen. Sie sind auf Wartelisten registriert, schlafen in den Wäldern rund um Bozen, unter Brücken und auf Parkbänken. Die Kälte und der daraus resultierende Schlafmangel, die Angst um das wenige Hab und Gut begleiten sie. Und die Dunkelziffer ist weit höher, denn Obdachlosigkeit ist immer mit Scham verbunden”, berichten Paul Tschigg, Federica Franchi, Caroline von Hohenbühel, Barbara Bertagnolli, Josef  Andreas Haspinger und Heiner Oberrauch, die zum Kernteam gehören und das Gebäude bezugsfertig hergerichtet haben. Am 10. Dezember, dem Welttag der Menschenrechte, wird die Einrichtung eröffnet.

 

“Auch wenn es mit den vorbereitenden Arbeiten bis zur Eröffnung knapp wird, so symbolisiert der am 10. Dezember begangene internationale Tag der Menschenrechte die Absicht des Winterhauses”, erklärt Heiner Oberrauch. “In Artikel 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist festgehalten, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Dass jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person hat, steht in Artikel 3.”

Paul Tschigg, der seit mehr als zehn Jahren Dienst beim VinziBus tut, weiß von vielen Erzählungen, wie schlimm es für Menschen ist, kein warmes Bett zu haben. Im Winterhaus in der Carducci-Straße können sie zwischen 20 und 22 Uhr ein Bett beziehen, sich waschen und dort schlafen. Um 8 Uhr verlassen sie das Haus wieder. Geöffnet bleiben soll es täglich bis März 2020.

Das Rote Kreuz stellt 25 benötigte Betten und Matratzen bereit. Federica Franchi und Caroline von Hohenbühel klären die Zugangsvoraussetzungen für die obdachlosen Menschen: “Frauen und Männer, die bereits in anderen Einrichtungen untergebracht sind, sind ausgeschlossen. Die Plätze sind Menschen auf Wartelisten vorbehalten. Wer im Haus übernachten möchte, unterschreibt Verhaltensregeln. So dürfen weder Alkohol noch Drogen konsumiert werden. Ihre persönlichen Gegenstände können die Menschen sicher verwahren, Aufräumarbeiten übernehmen sie selbst.”

 

Unterstützt wird die Initiative vom Südtiroler Vinzenzgemeinschaft. Nun werden dringend Freiwillige für den Nachtdienst gesucht. In den zwei Eincheckstunden am Abend werden sie von Wachleuten unterstützt.

Wer an einer Mitarbeit interessiert ist, ist eingeladen, am Freitag, 6. Dezember um 18 Uhr zu einem Infotreffen in die Carducci-Straße 19 zu kommen. Wer an dem Termin verhindert ist, kann sich per WhatsApp bei Federica Franchi (+39 335 731 8167) oder per Mail an [email protected] wenden. Auch für andere handwerkliche Arbeiten ist freiwillige Unterstützung willkommen.

Die Bozner Gruppe hofft, dass die Stadt- und die Landespolitik bald ihre Verantwortung für alle obdachlosen Menschen im Land übernimmt. “Es darf nicht sein, dass im reichen Südtirol Menschen erfrieren”, fordert sie. Solange dem nicht so ist, schenkt die Zivilgesellschaft Schutz.