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Foto: upi
Ambiente | Müllnotstand in Rom

Europas Müllhauptstadt

Zwei Feiertage haben gereicht, um Rom erneut in ein Müllchaos zu stürzen.

 

Zwei ponti, an denen die Strassenkehrer der Hauptstadt nicht zu Arbeit gehen, haben Rom ins Müllchaos gestürzt. Keine Neuigkeit, gewiss. Aber für die Fünf-Sterne-Bürgermeisterin Virginia Raggi eine denkbar schlechte Werbung. Auch in zentralen Stadtvierteln wie Prati in unmittelbarer Nähe des Vatikans türmen sich seit Tagen übelriechende Müllberge rund um die übervollen Container. Die zuständige Stadrätin Pinuccia Montanari - nach dem Rücktritt ihrer umstrittenen Vorgängerin Muraro erst seit vier Monaten im Amt - entschuldigt den Missstand mit den "sattsam bekannten strukturellen Problemen"-  keine Deponie, keine Müllverbrennungsanlage, mangelnde Mülltrennung. Noch immer karrt Italiens Hauptstadt ihren Müll zur Verbrennung in die Regionen des Nordens oder ins Ausland, etwa nach Wien.

Die vom Partito Democratico regierte Region Latium stellt Raggi nun die Rute ins Fenster: "La gestione del ciclo dei rifiuti a Roma sembra precipitare verso la crisi."  In vielen Stadtteilen steigt schwarzer Rauch auf, weil genervte Bewohner die Müllberge  anzünden.

Die Ursache des Übels liegt freilich nicht nur in der Disziplinlosigkeit der Römer, die alte Matratzen oder Waschbecken neben die Container stellen und ihren Bauschutt samt ausgedienten  Waschmaschinen nachts über die Böschungen des Ausfallsstrassen kippen wie auf der Via Aurelia.

 

Ursache des Übels ist Roms skandalöser Müllbetrieb AMA, ein kommunales Unternehmen, in dem seit Jahrzehnten politischer Klientelismus und Missmanagment vorherrschen: 7900 Beschäftigte, ein jährliches Defizit von 300 Millionen und ein Schuldenberg von 1,2 Milliarden Euro.

 

Der ehemalige Generaldirektor Franco Panzironi wurde im Zuge der Mafia Capitale-Ermittlungen verhaftet und wegen des Parentopoli-Skandals zu einer Haftstrafe verurteilt. Die AMA-Bediensteten geniessen skandalöse Privilegien, jede Streikdrohung wird zum Alptraum für die Gemeinde. Täglich bleiben rund 1000 Bedienstete der Arbeit fern, fast 13 Prozent des gesamten Personals. 1600 Bedienstete kommen in den Genuss des Gesetzes 104, das sie dazu berechtigt, drei Tage im Monat zuhause zu bleiben, um kranke oder behinderte Angehörige zu pflegen. Ein Anteil, der mit fast 20 Prozent weit über dem italienischen Durchsnitt von 1,5 Prozent liegt. 1200 Bedienstete  wurden von willfährigen Ärzten kurzerhand für arbeitsunfähig erklärt. Jeder AMA-Müllarbeiter darf nur im eigenen Wohnbezirk zum Dienst eingeteilt werden. Obwohl Bürgermeisterin Raggi mit Antonella Giglio als Präsidentin und Stefano Bina als Generaldirektor zwei Vertrauenspersonen mit der Führung der AMA betraute, hat sich an den Missständen nichts geändert.

Im Gegenteil: mit den von ihnen unterschriebenen Verträgen wurde die tägliche Arbeitszeit de facto auf sechs Stunden und 20 Minuten verkürzt - bei einer Gehaltserhöhung von 120 Euro im Monat.

Was im Juli passiert, wenn einige der Müllverarbeitungsanlagen in Latium wegen Wartungsarbeiten vorübergehend ausser Betrieb sind, kann sich bei solchen Zuständen jeder vorstellen. Nicht aber AMA-Generaldirektorin Giglio: "Noi siamo per la strategia rifiuti zero". Raggi hält unbeirrt an ihrer Prognose fest, die Mülltennung in vier Jahren von 43 auf 70 Prozent zu reduzieren und jährlich 220.000 Tonnen weniger Müll zu produzieren.

Latiums Präsident Nicola Zingaretti reisst bei derartigen Aussagen der Geduldsfaden. Er will die Regierung auffordern, Europa Müllhauptstadt kommissarisch zu verwalten. Dann würde die AMA-Führung vermutlich wieder ausgetauscht. Damit nach dem bekannten Motto von Tommasi di Lampedusa alles so bleibt, wie es ist. Cambiare tutto per non cambiare niente.