Economia | Arbeitssicherheit

Noch diese Woche neue Maßnahmen

Die Zahl der Arbeitsunfälle in Südtirol ist hoch. Nicht ohne Grund, wie Stefan Perini (AFI) erklärt. Noch diese Woche soll ein neues Dekret verabschiedet werden.
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Foto: Unsplash

Nachdem an nur einem Tag sechs Menschen in Italien durch einen Arbeitsunfall ihr Leben verloren – eine davon in Südtirol –, kündigte Ministerpräsident Mario Draghi für Ende dieser Woche ein neues Dekret zur Arbeitssicherheit an: Schnelle und schärfere Strafen bei Missachtung der Sicherheitsvorschriften und engere innerbetrieblicher Zusammenarbeit sollen umgesetzt werden. Salto.bz hat mit dem Direktor des Arbeitsförderungsinstituts (AFI) Stefan Perini darüber gesprochen, inwiefern die geplanten Maßnahmen auch in Südtirol förderlich sind.

Vorab: Südtirol schneidet im italienischen Vergleich im Punkt Arbeitsunfälle schlecht ab. Wie aus einem Bericht des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) hervorgeht, werden zwischen 2017 und 2019 in der Provinz Bozen italienweit die meisten gemeldeten Arbeitsunfälle gezählt. Mit 28.3 Arbeitsunfällen pro 1.000 Einwohnern liegt die Anzahl der gemeldeten Arbeitsunfälle in Südtirol deutlich über jener der Nachbarprovinz Trient (17,7) und dem italienischen Durchschnitt (15.0). “Und hier geht es allein um die gemeldeten Arbeitsunfälle”, gibt Perini zu bedenken. Die Zahl muss laut Perini als Unterwert betrachtet werden: “Die Versicherungsabgaben, die ein Arbeitgeber an die INAIL zahlt, richten sich nach der Anzahl und Schwere der Arbeitsunfälle in einem Betrieb. Es gibt also ein sogenanntes bonus-malus System, das Arbeitgeber einerseits dazu animiert, Arbeitsunfälle zu verhindern; andererseits gibt es aber auch einen finanziellen Anreiz, Arbeitsunfälle zu vertuschen.”

 

Betrachtet man allein die Zahl der tödlichen Unfälle, schneide Südtirol sogar noch schlechter ab, erklärt Perini. Dies hänge einerseits mit der Branchenstruktur in Südtirol zusammen: Sektoren wie die Landwirtschaft, das Baugewerbe oder der Transportsektor, die in Südtirol stark vertreten sind, bergen ein relativ hohes Unfallrisiko. Gleichzeitig warnt Perini aber auch vor einer in Südtirol herrschenden Kultur, in der es vielfach zu normalen Arbeitsweise gehört, Sicherheitsrisiken einzugehen: “Ohne Gurt und Helm aufs Dach zu steigen wird von einigen noch immer als cool betrachtet. Dabei ist es nichts anderes als fahrlässiges Verhalten. Wir müssen aufhören, uns auf diese Weise zu überschätzen.”

Perini pocht deshalb vor allem auf den kulturellen Wandel, der in die Wege geleitet werden muss. Schon allein deshalb sei es wichtig, dass die Regierung das Problem erkannt habe und verstärkt in Arbeitssicherheit und Prävention investieren wolle.

Auch die geplanten Maßnahmen – schärfere Strafen und Kontrollen sowie engere innerbetriebliche Zusammenarbeit, um gefährliche Situationen durch Experten vor Ort vorzubeugen – empfindet Perini als sinnvoll. “Im Hinblick auf Arbeitssicherheitskontrollen steht Südtirol schlecht da. Es braucht mehr Kontrollen, auch wenn diese von den Arbeitgebern häufig als bürokratischer Aufwand ohne konkreten Nutzen empfunden werden.” Gleichzeitig müsse man aber auch über einen Abbau der Bürokratie nachdenken und diese durch einen kulturellen Wandel und Prävention ersetzen. Hier nennt Perini auch die Verkürzung der Arbeitstage in Sektoren, die ein hohes Unfallrisiko bergen: “Es ist erwiesen, dass das Unfallrisiko bei Ermüdung steigt. Die meisten Arbeitsunfälle passieren in den letzten ein bis zwei Arbeitsstunden. Ein Arbeitstag muss auch ein Ende finden und dieses muss über die Kollektivverträge der einzelnen Branchen geregelt werden.”