Ambiente | Wildbienen

Die Wilden sind auch wieder da!

460 verschiedene Arten von Wildbienen sind in Südtirol bekannt. Vermutlich sind es noch mehr. Warum sie wichtig sind – Gespräch mit dem Biologen David Hofer.
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Johanna Platzgummer: David Hofer ist Entomologe, ein Insektenfachmann, der mit dem Naturmuseum Südtirol zusammenarbeitet. Er befasst sich vor allem mit Wildbienen. Wer ist in diesen Tagen schon unterwegs?

David Hofer: Jetzt fliegt Andrena fulva, wir sehen sie vor allem an Beerensträuchern. Als erwachsene Wildbiene lebt sie auch in Gärten.

Für eine gute Ernte sollten ihr die Gärtner entgegenkommen, das heißt, im Garten mehr drinnen lassen als Englischen Rasen und Rosenrabatten! Diese Wildbiene sucht Hohlräume wie Felsspalten, Lehmwände oder Holz, um die Brutzellen anzulegen. Anthidium manicatum, eine Garten-Wollbiene, verwechseln manche Menschen im Hausgarten mit einer Wespe. Sie sieht den Wespen entfernt ähnlich und fliegt zwischen Juni und September. Am Hinterteil der männlichen Bienen sitzt ihre Waffe, eine Art Dreizack. Damit wehren sie von den Blüten Nahrungskonkurrenten ab, sodass paarungsbereite Weibchen ungestört zu Futter kommen. Bei dieser Wildbienen-Art ist das Territorialverhalten daher besonders ausgeprägt. Imker in den USA sorgen sich, ob Anthidium manicatum nicht die Honigbienen beim Sammeln stören könnte; die Art gilt in den USA als Neozoon, als neu eingeführt, daher kennt man dort ihr Verhalten noch wenig.

Stechen Wildbienen?

Wildbienen können stechen, aber die allermeisten kommen nicht dort vor, wo sich Menschen überwiegend aufhalten. Da der große Teil der Wildbienen alleine lebt, daher der Name Solitärbienen, ist die Regung zu verteidigen viel geringer als bei den in Kolonien lebenden Honigbienen. Die Arbeiterinnen schützen vor allem den Stock.

Bis auf wenige - kleine Kolonien bildende - Arten und Bienenarten in lockeren Verbänden ist jede weibliche Wildbiene Königin und Arbeiterin zugleich. Sie legt wenige Eier in eine Brutröhre oder Brutgrube, kleidet die Zelle mit Pollen und Nektar aus und verschließt die Röhre. Die nächste legt sie an einem anderen Ort innerhalb ihres sehr überschaubaren Lebensraums ab. Die nächste Generation schlüpft in der Blütezeit ihrer Nahrungspflanzen.

Sie besitzen ein ganz besonderes Foto, von Colletes hederae. Es ist eines der ersten Bilder von dieser Art in Südtirol. Ist das eine neue Art?

Die Seidenbiene Colletes hederae ist erst 1993 für die Wissenschaft entdeckt worden. Da sie sich auf Efeublüten spezialisiert hat, ist diese Art noch spät im Jahr zu sehen. Sie hat eine Kuckucksbiene: Die Art Epeolus cruciger legt in das Pollen- und Nektardepot der Seidenbiene Eier. Wie der junge Kuckuck beanspruchen die Raupen der Kuckucksbienen die Nahrung für sich. Das setzt natürlich voraus, dass genügend Wirtsarten vorkommen. Mehrere Wildbienen haben eine auf sie spezialisierte Kuckucksbienen-Art.

Bisher haben die Wildbienen-Spezialisten 460 unterschiedliche Wildbienen-Arten in Südtirol bestimmt. Wahrscheinlich gibt es mehr, aber das soll in einem Forschungsprojekt zusammen mit dem Naturmuseum Südtirol untersucht werden.

Wie für viele Arten besteht auch für die Wildbienen Gefahr, dass sie aussterben, noch bevor die meisten entdeckt sind.

Warum diese Gefahr?

Wildbienen haben andere Ansprüche als die Honigbienen, die in Europa aus den Kolonie bildenden Wildbienen-Arten Dunkle, Karnische und Mediterrane Honigbiene gezüchtet wurden. Holzbienen nagen sich in Totholz, um dort eine Nisthöhle anzulegen, Sandbienen suchen lockere Sandböden, in denen sie ihre Eier legen. Mauerbienen brauchen Trockenmauern oder Felsschichtungen. Fast alle Wildbienen-Arten sind sehr kleinräumig ausgerichtet, sie fliegen höchstens einige Hundert Meter und haben sich ganz an ihren speziellen Lebensraum angepasst. Zum Vergleich: Honigbienen haben einen Flugradius von drei bis sieben Kilometer, die „sportlichen“ bis zu zehn Kilometer.

Wildbienen zu schützen, zielt daher auf den Erhalt kleinräumiger Strukturen in einer Landschaft. Hecken, Steinschichtungen und Erdhaufen, abgestorbene Bäume und Wildpflanzen entlang von Trockenmauern und nicht geteerten Feldwegen bieten einer Reihe von Wildbienen-Arten Lebensraum.

Es sind Wildbienen, die überwiegend die Bestäubung der wild wachsenden Gefäßpflanzen übernehmen, sie garantieren die Artenvielfalt der heimischen Pflanzen. Da Wildbienen so hoch spezialisiert sind, ist ihr Lebenszyklus eng mit den wenigen Pflanzen verbunden, von denen sie sich ernähren – und deren Fortpflanzung sie sichern. Wenn in Deutschland mehr als 50 Prozent der Wildbienen auf der Liste der gefährdeten Tiere stehen, führt das auch zu einer Gefährdung ihrer bevorzugten Wirtspflanzen. Daher ist es keine gute Idee, Bienenfutter-Mischungen auszubringen, die von der lokalen, und manchmal sogar sehr kleinräumigen Pflanzenwelt abweichen. Diese Pflanzen werden durch die eingesäte Konkurrenz fast immer verdrängt, und damit auch die Wildbienen.

Welche Rolle haben Wildbienen in der Bestäubung von Kulturpflanzen?

Wenn die Felder in einem Umraum liegen, der sich für Wildbienen eignet, sind einige Wildbienen-Arten in der Bestäubung effizienter als Honigbienen. Das mag überraschen, aber es gibt sehr genaue Untersuchungen dazu. Die Gehörnte Mauerbiene, Osmia cornuta, heißt so, weil die weiblichen Tiere kleine Hörnchen am Vorderkopf tragen. Damit stampfen sie die gesammelten Pollen in den Brutzellen an. Als eine der wenigen Solitärbienen wird sie in Deutschland gezüchtet, um sie in Apfelplantagen einzusetzen. 530 Weibchen bestäuben so viele Blüten wie ein oder zwei starke Honigbienen-Völker (also insgesamt an die 80.000 Bienen).

Warum bestäuben diese Wildbienen besser?

Wildbienen agieren kleinräumig, d.h. während der Blütezeit konzentrieren sie sich auf eine Art Wirtspflanze und da sammeln sie sehr gründlich, statt wie Honigbienen häufig zu wechseln und in weitem Umkreis zu fliegen.

Es gibt viele Klagen von Imkern zum Kolonie-Kollaps-Syndrom. Wie schaut es mit den Krankheiten bei Wildbienen aus?

Honigbienen sind sehr gut untersucht im Vergleich zu Wildbienen. Zu ihren Krankheiten haben wir ganz spärliche Angaben. Sicher leiden sie nicht unter dem CCD (Colony Collaps Disorder), weil fast alle Arten keine Kolonien bilden. Ist das Ökosystem vielfältig und sind mehrere Arten vorhanden, können wir annehmen, dass manche Wildbienen mit Stressfaktoren besser umgehen als andere, es fallen daher nicht alle Wildbienen als Bestäuber aus.

Weil wir beim Thema sind: Imker setzen Hummeln zum Bestäuben von Gemüse- und Obstkulturen ein. Hummeln gehören auch zu den Wildbienen, diese Bestäuber-Hummeln werden aber gezüchtet, Honigsammeln spielt hier keine Rolle.