Società | Gleichberechtigung

Frauen hinterm Herd

Warum gibt es so wenige Sterneköchinnen am Gastronomiehimmel, wo doch im privaten Haushalt meist die Frauen hinterm Herd stehen? Eine Spurensuche.
Frauen hinterm Herd
Foto: Pexels
  • Im Oktober dieses Jahres wurde der Gender-Bericht von Südtirol veröffentlicht. Das vierte Kapitel des Berichts trägt den Titel „Familie“. Frauen und Männer geben in diesem Abschnitt an, wie sie sich die Arbeit in der Familie teilen, welche Verhaltensweisen und Meinungen sie zu bestimmten Themen haben. Aus den Umfragen, welche 2016 und 2021 erhoben wurden, geht hervor, wer was in der privaten Kernfamilie macht. Fest steht: Frauen leisten mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. 

  • Frauen hinterm Herd – ein Klischee? 

    Zur Führung eines Haushalts gehört die familiäre Beköstigungsarbeit dazu. Die englischsprachige Forschung fasst unter dem Begriff Foodwork all jene Tätigkeiten zusammen, die mit der Ernährungsversorgung einer Familie zusammenhängen: das Planen der Mahlzeiten, das Einkaufen der Lebensmittel, das Organisieren und Lagern der Produkte usw. Die Daten des Genderberichts zeigen: Foodwork leisten die Frauen. 77 Prozent der Frauen in der Umfrage geben an, zu Hause das Essen zuzubereiten. Auch Väter bekochen die Familie. Nur eben deutlich weniger, nämlich zu 21 Prozent. Dass Frauen, insbesondere Mütter, also sprichwörtlich hinterm Herd stehen, ist kein Klischee, sondern pure Wahrheit.

  • Eine kurze Geschichte der (hohen) Kochkünste

    In der privaten Küche dominieren die Frauen. Begeben wir uns aber in die öffentliche Sphäre und blicken in die Küchen der hohen Gastronomie, scheinen Frauen fast gänzlich zu fehlen. Ganz Südtirol zählt 16 Sterneköche, aber nur eine Sterneköchin. Wie kann das sein?

    Um gesellschaftlich-soziale Fragen zu beantworten, lohnt sich meist ein Blick in die Kulturgeschichte. Die französische Küche zum Beispiel genießt bis heute ein hohes Prestige. Zurückzuführen ist dies auf die sogenannte Haute Cuisine (franz. für „hohe Kochkunst“), welche sich im 16. Jahrhundert etablierte. Diese hohe französische Kochkunst wurde in den Küchen aristokratischer Höfe in Frankreich entwickelt und war bald schon in ganz Europa tonangebend. Auch die Kluft zwischen professioneller und häuslicher Kochkunst wurde immer größer. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden in Paris Zunftordnungen verfasst, welche klar darlegten, dass Frauen aus den gewerblichen Zusammenschlüssen der Köche ausgeschlossen werden sollten.

    Mit dem Aufkommen des späteren Bürgertums entwickelten sich Restaurants im öffentlichen Raum. Auch hier galt die „hohe Kochkunst“ weiterhin als reine Männersache. Mit dem internationalen Führungsanspruch der französischen Küche schrieb sich der Trend fort, Köchinnen gezielt aus dem angesehenen Arbeitsumfeld der professionellen, öffentlichen (Restaurant-)Küche auszuschließen. Es gab Köchinnen in dieser Zeit, ja – nur kochten sie in städtisch-bürgerlichen Haushalten, an privaten Orten, die für die Öffentlichkeit unsichtbar waren. Die männlichen Köche hingegen kochten an sichtbaren, öffentlichen Orten. Erst seit 1963 ist es für Frauen in Italien erlaubt,  alle Berufe uneingeschränkt ausüben zu dürfen. 

  • Ein weiblicher Stern am Gastronomiehimmel

    Sterneköchin Anna Matscher: „Wenn eine Frau dasselbe erreich will wie ein Mann, muss sie immer ein wenig stärker sein.“ Foto: Anna Matscher

    Anna Matscher aus Tisens ist gelernte Masseurin: „Als junge Frau wollte ich aber Konditorin werden. Meine Mutter riet mir davon ab. Sie meinte, dass ich dann mein ganzes Leben in einer Küche verbringen müsste und immerzu bleich wäre. Also bin ich Masseurin geworden.“ Im Jahr 1987 übernimmt sie zusammen mit ihrem Mann das Restaurant „Zum Löwen“ in Tisens. Matscher witterte damals ihre Chance und begann sich das Kochen selbst beizubringen. Sie studierte Kochbücher, probierte neue Dinge aus, experimentierte mit Zutaten, schaute anderen Köchen über die Schulter. „Die einzige Ausbildung, wenn ich das überhaupt sagen kann, habe ich für zwei Wochen in München genossen“, sagt Matscher. Nie wieder würde sie Beruf wechseln, aber neidisch sei sie den Jungen von heute, die die Möglichkeit hätten, bei den besten Köchen der Welt eine Ausbildung absolvieren zu können. Die 62-Jährige erhielt 1997 bis 2001 und dann 2007 wieder einen Michelin-Stern für ihre Kochkunst. Sie ist seitdem die einzige Sterneköchin Südtirols

    Fragt man Anna Matscher, welche die bisher größte Herausforderung in ihrem Berufsleben gewesen sei, antwortet sie: „Die Familie und den Beruf gut zu verbinden.“ Drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Elisabeth stand sie wieder in der Küche und kochte für die Gäste im Restaurant. „Dies ging aber nur, weil ich Hilfe von meiner Schwiegermutter und meiner Schwiegeroma bekommen habe.“ Auf die Frage, warum es so wenige Sterneköchinnen gibt, erwähnt Matscher wieder diese große Herausforderung: „Frauen müssen schauen, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Sie werden schwanger, bekommen Kinder und fallen dann für eine Zeit lang aus. Wenn eine Frau dasselbe erreich will wie ein Mann, muss sie immer ein wenig stärker sein. Aber ich bin auch der Meinung, dass man alles schaffen kann, wenn man es nur will. Es ist eine Charaktersache.“

  • Ein grausames Spiel

    Gleichstellungsrätin Michela Morandini: „Wenn man behaupten würde, dass Leidenschaft das einzige sei, das man braucht, um an die Spitze zu kommen, dann ist das ein grausames Spiel.“  Foto: Manuela Tessaro

    Dass Frauen nicht an die Spitze kommen, sei ein multifaktorielles Problem, sagt Südtirols Gleichstellungsrätin Michela Morandini. Passion allein reiche nicht aus, um ganz nach oben zu kommen: „Es gibt drei wesentliche Ebenen, die hier zusammenwirken. Erstens gibt es gesellschaftliche und somit politische Rahmenbedingungen, die die Gleichstellung fördern oder hemmen können. So sind zum Beispiel bis heute großteils Frauen für die unbezahlte Care-Arbeit zuständig. Zweitens gibt es die Ebene des Unternehmens mit seiner Kultur, seinen Werten und Normen. Bis heute ist die Arbeitswelt nicht so konzipiert, dass es einfach ist, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Dann gibt es noch die individuelle Ebene: Jede Person erfährt eine Prägung in Bezug auf Geschlechterstereotype und dies beeinflusst ihre Entscheidungen, auch in Bezug auf die Berufswahl“. 

    Außerdem stellt Morandini fest: „Wenn man behaupten würde, dass Leidenschaft das einzige sei, das man braucht, um an die Spitze zu kommen, dann ist das ein grausames Spiel.“ Denn schafft es eine Frau nicht ganz nach oben, trotz großer Passion, könnte sie meinen, es sei ihre Schuld. Die gesellschaftlichen Bedingungen müssen immer mitgedacht werden. Morandini sagt: „Der Frau alleine die Verantwortung zu geben, ist zu kurz gedacht. Solange Frauen für die unbezahlte Familienarbeit zuständig sind, es zum Beispiel zu wenige Betreuungseinrichtungen gibt und das Unternehmen dem nicht Rechnung trägt, bleibt es schwierig.“ Dieses System besteht schon seit Jahrhunderten. Der Mann strebt nach Anerkennung und einem hohen Posten an der Öffentlichkeit, die Frau hält dem Mann währenddessen zu Hause den Rücken frei. Das beste Beispiel zum Abschluss: die Grigliata.

  • Heute wird gegrillt

    „Die Küchenschlacht“ ist eine 45-minütige Kochshow, die seit 15 Jahren von Montag bis Freitag im ZDF ausgestrahlt wird. In der Sendung geht es mittlerweile nicht mehr ausschließlich um tagtägliches Essen, sondern darum, den/die Juror:in mit einem außerordentlichen Essen und von der eigenen Tellerkunst zu überzeugen. Im Jahr 2019 moderierte Alfons Schuhbeck die Show und meinte: 

    „Herzlich Willkommen, liebe Zuschauer, einen Tag vor Vatertag. Ja und heute haben wir das Thema ‚Grillen‘. Man sagt ja, Grillen ist Männersache, oder?“ 

    Der Moderator dreht sich daraufhin zu einem Kandidaten um und fragt: „Grillt Ihre Frau denn auch?“ Als der Kandidat bejaht, scheint Schuhbeck leicht verdutzt zu sein und fragt weiter: „Was, grillt sie täglich?“ Diese kurze Sequenz zeigt, dass es sich beim Grillen um etwas Besonderes handelt. Es wird nicht täglich gegrillt, sondern zu besonderen Anlässen. Es ist eine Abgrenzung zum Alltäglichen. Und wie läuft eine „Grigliata“ ab? Ist es nicht meist so, dass sie die Zutaten kauft, den Salat wäscht, das Gemüse schneidet, die Soßen rührt und den Tisch deckt? Und ist es nicht meist so, dass er grillt? Fest steht — das größte Lob am Ende des Festes erhält: Der Griller.

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Herbert B. Sab, 11/11/2023 - 08:12

Selten hab ich so einen schlecht recherchierten Artikel auf Salto gelesen.
Hätten wir die 60-70 Jahe hätte ich etwas mehr Verständniss, aber 2023...
Die eigene Faulheit oder Bequemlichkeit den fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und den Männern zuzuschieben ist blanker Hohn all denen Frauen gegenüber, welche sich in den Küchen weltweit hochgearbeitet haben-Chapeau dafür!
Kochen lässt sich nicht mal soeben mit einer 20h Arbeitswoche( ohne Kinder) oder Zuhause vor dem Laptop , wo Frauen schon die Zeit finden ihr TikTok oder Instragram-Profil aufzuhübschen und den Traum verfolgen InfluencerInn zu werden..
Da gehn mal so locker 13-15 h täglich drauf, würde mich in einer Umfrage interessieren wieviel darauf Bock haben, aber das sieht man ja täglich....und stimme Arne Saknussemm leider zu, trifft aber nicht deren Schuld

Sab, 11/11/2023 - 08:12 Collegamento permanente
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Herta Abram Sab, 11/11/2023 - 09:37

Kompliment Lucia Baumgartner!
... patriarchale Normen, Regeln und Prägungen, unreflektierte Denkmuster, unbewusste Emotionen, und mangelnde Bereitschaft zu Persönlichkeitweiterentwicklung sind immer noch die größten Hürden, auf dem Weg zu einem neuen Frau-Mann-Menschenbild bzw. Selbstverständnis.

Sab, 11/11/2023 - 09:37 Collegamento permanente