Economia | Unternehmerverband

Klare Regeln & mutige Politik

Der Präsident des Unternehmerverbandes Federico Giudiceandrea hat in seiner Rede beim traditionellen Neujahrsempfang der Landespolitik einiges ins Stammbuch geschrieben.
Giudiceandrea, Federico
Foto: Assoimprenditori-Unternehmerverband
 
„Wir müssen auch im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit Mauern abbauen. Der Südtiroler Export ist eine Erfolgsgeschichte, aber dennoch exportiert immer nur noch eines von 20 Unternehmen. Im Vergleich zu Regionen wie dem Veneto, der Lombardei oder Tirol besteht noch großer Aufholbedarf. Hier kann die Politik viel tun, indem sie die gleichen Voraussetzungen schafft, die unsere Konkurrenten im Ausland vorfinden“, sagt Federico Giudiceandrea.
Der Präsident des Unternehmerverbandes weiß wen er vor sich hat. Am Montagabend waren nicht nur über 300 Südtiroler Unternehmer und Unternehmerinnen zum traditionellen Jahresempfang des Südtiroler Unternehmerverbandes in die Schnapsbrennerei „Roner AG“ nach Tramin gekommen. In der erste Reihe steht auch die Südtiroler Politprominenz. Allen voran Landeshauptmann und Wirtschaftslandesrat Arno Kompatscher.
Federico Giudiceandrea ist keiner, der lange um den heißen Brei herumredet. Der perfekt zweisprachige Brixner Multiunternehmer nimmt sich auch an diesem Abend kaum ein Blatt vor den Mund. Vor allem in Richtung Landespolitik artikuliert Giudiceandrea die Forderungen der Südtiroler Unternehmer klar und deutlich.
So hat er bewusst in die Wunschliste der Wirtschaft im Doppelwahljahr 2018 auch gleichzeitig einiges an Kritik verpackt:
„Wir hoffen, dass die anstehende Reform der Urbanistik Ansiedelungen und Betriebserweiterungen einfacher gestaltet und zugleich dazu beiträgt, die Grundstückskosten zu senken. Wir sind zuversichtlich, dass die neue Durchführungsverordnung zur Energie zu konkreten Vorteilen auch für die Unternehmen und heimischen Familien führt, indem die Preise an jene im restlichen Europa angepasst werden. Wir rechnen damit, dass die unproduktiven Kosten im Landeshaushalt gesenkt werden, um Ressourcen für strategische Infrastrukturen im Bereich der Erreichbarkeit auf allen Ebenen freizumachen. Dabei brauchen wir langfristig ausgerichtete Visionen ebenso wie sofortige Maßnahmen, um jene Situationen dringend zu verbessern, die ihre Grenzen erreicht haben – denken wir nur an die Mobilität in unserer Landeshauptstadt. Wir sind überzeugt davon, dass es insbesondere die neuen Technologien der öffentlichen Verwaltung erlauben, schlanker und effizienter zu werden und so Bürokratie für Familien und Unternehmen abzubauen.“
Wir müssen die bestehende Regeln offener und klarer gestalten und von immer neuen Verboten und Einschränkungen absehen.
Der Präsident des Unternehmerverbandes spricht an diesem Abend von „realitätsbezogene Regeln“. Was er damit meint? „Unsere Unternehmen sind fest in Südtirol verwurzelt und investieren weiterhin hier! Unterstützen wir ihren Einsatz und ihre Bereitschaft, Mehrwert und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, indem wir bestehende Regeln offener und klarer gestalten und von immer neuen Verboten und Einschränkungen absehen. Konkret denke ich dabei zum Beispiel an den Verkehr, aber auch an die Gemeindeakustikpläne oder an einzelne Vorschläge im Bereich der Urbanistik.“
 

Die Zahlen

 
Die Zahlen und Fakten der Südtiroler Unternehmerwelt die Federico Giudiceandrea wiedergibt, können sich durchaus sehen lassen.
„In den Mitgliedsbetrieben des Unternehmerverbandes arbeiten mehr als 37.000 Menschen. 90 Prozent davon mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag, und mit einem Gehalt, das 40 Prozent über dem Südtiroler Durchschnitt liegt. Im vergangenen Jahr haben unsere Mitgliedsbetriebe Gehälter in Höhe von 2 Milliarden Euro und Steuern im Ausmaß von 553 Millionen Euro bezahlt. Die bezahlten Steuern entsprechen den gesamten Sozialausgaben unseres Landes.“
Dass der positive Trend anhält, macht der Präsident des Unternehmerverbandes am abgelaufen Jahr fest:
„Alleine im Jahr 2017 haben die Südtiroler Unternehmen 7.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die durchschnittlichen Lohnkosten pro Arbeitnehmer liegen in Südtirol bei rund 40.000 Euro: nimmt man nur diese 7.000 zusätzlichen Einstellungen her, so haben die lokalen Betriebe – zwischen Entlohnungen und Sozialabgaben – 280 Millionen mehr als im Vorjahr in Beschäftigung investiert. 280 Millionen, die Familien zu Gute gekommen sind, die in Südtirol leben.“
 

Illusion Kilometer Null

 
„Die Südtiroler Industrie, um wettbewerbsfähig zu bleiben, in den vergangenen Jahren komplett erneuert“, konstatiert Giudiceandrea und weiter: „Wurde sie in der Vergangenheit oft als schwerfällig, laut, verschmutzend empfunden, so ist sie heute wesentlich leistungsfähiger, schneller, nachhaltiger, und dies bei einem geringeren Verbrauch an Ressourcen – angefangen bei der Energie. Unsere Fabriken, die Maschinen, die wir verwenden, die Arbeitsprozesse sind intelligenter geworden.“
 
 
Es ist jedoch offensichtlich, dass ein Produktionsbetrieb nicht ohne jeglichen Lärm produzieren kann.
Gleichzeitig appelliert der Südtiroler Industriellen Chef ab auch an realistische Vorstellungen:
„Aber so wie eine Wirtschaft des „Kilometers null“ nicht funktionieren kann – denken wir nur daran, wie viele Arbeitsplätze wir in den letzten Jahren verloren hätten, wenn die exportierenden Unternehmen nicht die Wirtschaft angetrieben hätten – so wird es auch keine Industrie mit „Emission null“ geben. Unsere Unternehmen sind in der Ausübung ihrer Tätigkeiten sehr bedacht auf die Umwelt, sie sind energieeffizienter,
sparsamer im Umgang mit Grund und Boden. Es ist jedoch offensichtlich, dass ein Produktionsbetrieb nicht ohne jeglichen Lärm produzieren kann: selbst die modernsten Fabriken, die Roboter, erzeugen Lärm. Ebenso wenig können wir auf die LKWs verzichten, die die Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigprodukte transportieren, bzw. die Produktionsmaschinen in den Nachtstunden zwangsweise still legen.“
 

Die vergessene Krise

 
„Die jüngsten hervorragenden Ergebnisse unserer Betriebe haben uns vielleicht zu schnell vergessen lassen, wie rasch eine Krise eintreten und welch verheerende Auswirkungen sie haben kann“, gibt sich Giudiceandrea aber auch selbstkritisch. „Zehn Jahre sind seit dem Beginn der in der Geschichte als „große Rezession“ bezeichneten Krise vergangen. Und nicht zufällig war der Ausgangspunkt dieser Krise die Überzeugung, dass die Finanzwirtschaft keine „reale Wirtschaft“ braucht und fortschrittliche Wirtschaftssysteme auch ohne Produktion auskommen können. Zum Glück haben wir aus dieser Krise gelernt: es kann keine starke Wirtschaft ohne eine starke Industrie geben. Diese Lehre dürfen wir nicht vergessen.“
 

Eine gute Politik

 
Federico Giudiceandrea wendet sich an diesem Abend direkt an die Landespolitik:
„In diesem Zusammenhang brauchen wir eine gute Politik. Eine mutige Politik, die ebenfalls Verantwortung übernimmt. Sehr geehrte Vertreter der Institutionen und der Parteien! Wir stellen ihnen unsere Erfahrungen, unsere Ideen zur Verfügung. Unsere Vorschläge sollen dabei nicht als Kritik, sondern als konstruktiver Beitrag zum Dialog verstanden werden.
Die Politik ist der Spiegel unserer Gesellschaft. Aus diesem Grund bitte ich euch, liebe Unternehmerkolleginnen und –kollegen, um eine zusätzliche Anstrengung. Wir sind es gewöhnt, innovative Lösungen zu suchen und vorzuschlagen. Wir werden dies auch in Zukunft tun, aber wir müssen verstärkt auch eine neue Aufgabe übernehmen. Wir müssen noch besser werden, wenn es darum geht, unsere Vorschläge mit der gesamten Gesellschaft zu teilen und zu vermitteln, dass ein Unternehmen, das wächst und sich entwickelt, ein Mehrwert für den Unternehmer aber im gleichen Ausmaße auch für alle Mitarbeiter und das ganze Land ist.“
Wir brauchen wir eine gute Politik. Eine mutige Politik, die ebenfalls Verantwortung übernimmt.
Und er nimmt auch die Südtiroler Medien in die Verantwortung. „Die Verantwortung, bestimmte Werte zu vermitteln und verständlich zu machen, teilen wir uns mit den Medien. Auch sie ersuche ich um eine zusätzliche Anstrengung: Beschränken wir uns nicht auf Slogans und kurze Botschaften, versuchen wir hingegen jene Werte zu vermitteln, die es braucht, damit eine Kultur des Dialogs entwickeln kann. Denn daraus entstehen die besten strategischen Entscheidungen für die gesamte Gesellschaft.“