Società | Pilgerweg

Hoch und Heilig #7

Tag 7: St. Jakob im Defreggental – Obermauern: Der Weg des Samenkorns.
Avvertenza: Questo contributo è un messaggio promozionale e non rispecchia necessariamente l'opinione della redazione di SALTO.
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Foto: ©Martin Schönegger

Da geht noch was. Ich weiß nicht woher immer wieder diese neue Kraft kommt, aber ich spüre genau: ich bin immer noch nicht am Ende. Abends, wenn wir wieder eine Etappe geschafft haben und alles schmerzt, falle ich schwer ins Bett, wie ein Stein, den man in einen Tümpel wirft. Das Bett verschluckt mich und in dem Moment ist es unvorstellbar, dass ich am nächsten Tag wieder 8 Stunden wandere. Und jedes Mal wundere ich mich am nächsten Morgen über mich selbst. Ich, die überzeugte Nicht-Pilgerin und bekennende Nicht-Ausdauersportlerin, stehe für meine Verhältnisse sogar relativ flott auf und bin startklar. Ich habe auf diesem Pilgerweg eine körperliche Widerstandskraft an mir entdeckt, die ich nie vermutet hätte.

 

 

Heute ist der siebte Tag des Pilgerweges Hoch&Heilig. Wir starten bei der Kirche in St. Jakob über die Wege Nr. 314, 315 hinauf zum entlegenen Weiler Tögisch und weiter hinauf auf den Tögischer Berg. Der Weg quert die weitläufigen, blumenreichen alpinen Rasen, die die Deferegger Bauern früher als Bergmähder bewirtschafteten. Immer höher schraubt sich der Weg, am Gasser Hörndle vorbei erreicht er die hochalpine Zone und schließlich die idyllischen Gritzer Bergseen. Zum Baden ist es noch nicht warm genug, aber es tut gut die geschwollenen Füße aus den Bergstiefeln zu nehmen und ins kalte Wasser zu halten. Bei den Gritzer Seen geht das Defreggental ins Virgental über. Hier im Virgental entspringt auch die Isel, einer der letzten naturbelassenen Gletscherflüsse der Ostalpen.
 

 

Die tägliche Übung, die uns der Pilgerweg heute empfiehlt, dreht sich um Jesus’ Gleichnis des winzigen Senfkorns, aus dem ein prächtiger Baum entsteht: jeder von uns soll sich ein Samenkorn von einem Tannenzapfen oder einer Pflanze suchen, es in der Hand tragen und sich fragen: „Was sind die nächsten Schritte, damit mein Leben Frucht bringt?“ Jeder kleine, noch so unscheinbare Schritt kann der Anfang einer kraftvollen neuen Wirklichkeit sein. Wir wandern nachdenklich weiter.

Am Mullitztörl erreichen wir den höchsten Punkt unserer heutigen Etappe auf 2.620 Metern. Nach einer kurzen Pause beginnen wir den Abstieg zur Lasörlinghütte. Die Hütte bietet Rast und Verpflegung.

Weiter geht der Abstieg über Weg Nr. 315 ins klimatisch begünstigte Virgental, vorbei an der Stadleralm bis zum Parkplatz am Talausgang. Wir überqueren die Isel bei Gries und meistern einen letzten kurzen Anstieg über den Weg Nr. 47 bis nach Obermauern zur Wallfahrtskirche Maria Schnee, unserem heutigen Etappenziel.
 

 

Wir bewundern an der Fassade das Christophorus-Fresko aus dem 15. Jahrhundert und im Inneren der Kirche den farbenprächtigen Freskenzyklus des Simon von Taisten.

In Obermauern verknüpfen sich zwei Stationen unseres Pilgerwegs, denn Lavant und Obermauern sind durch das Gelöbnis des Opfer-Widders, einer Tradition aus der Zeit der Pest im 17.Jahrhundert, miteinander verbunden. Die Geschichte mit dem Widder ist auf einer Bildtafel von 1635 in der Kirche dargestellt. Bis 1920 wurde die Widder-Wallfahrt nach Lavant durchgeführt. Seit damals führt sie nun am Samstag nach Ostern aus Virgen und Prägraten nach Obermauern. Diese Prozession wurde 2015 als immaterielles Kulturerbe der UNESCO ausgezeichnet.

Die heutige Etappe war leichter als erwartet. Auf den letzten Etappen des Pilgerwegs, gerade wenn ich sie am meisten brauche, hat sich irgendwo in mir eine geheime Kraftreserve aktiviert. Das Samenkorn habe ich den ganzen Tag in der Hand behalten und lege es jetzt auf meinen Nachttisch. Vielleicht ist der nächste kleine Schritt, den ich im Leben mache ja wirklich der Anfang von etwas Großem? Dann verschluckt mich mein Bett.

 

 

In Zusammenarbeit mit Hoch und Heilig
Texte von Hoch und Heilig und Lucia De Paulis


Gefördert wird das Projekt durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und Interreg-V-A Italien-Österreich 2014-2020