Arte | Ausstellungen

Bunte Brixner Stadt-Kunst

In Brixen wird erstmals im Jahr groß Kunst ausgestellt. Seit gestern verteilen sich auf Stadtbibliothek und -galerie eine Vielfalt von Werken diverser Künstler:innen.
Brixen Stadtgalerie, Das Ende des Anfangs, Irene Hopfgartner
Foto: SALTO
  • Einmal quer über den Brixner Domplatz zu spazieren reicht derzeit, um von der letzten Ausstellung der Kuratoren Gerd Bergmeister und Josef Rainer zur Stadtbibliothek zu gelangen, wo ebenfalls seit gestern 11. Jänner die neuen Kunstankäufe der Stadt Brixen auf die Räumlichkeiten vom Erdgeschoss bis in den 2. Stock verteilt zu finden sind. Beginnen wir bei ersteren, bei „Das Ende des Anfangs“.

  • Weinberg und Hopfgarten

    Es geht um Leben und Tod, sowie um Natur, Gesellschaft, wie auch sichtbare und unsichtbare Verbindungen in den Werken des unvergessenen österreichischen Kunstpioniers Lois Weinberger, sowie der noch schaffenden Brunecker Künstlerin Irene Hopfgartner und ihrer Bozner Kollegin Petra Polli. Es handelt sich damit um eine Reihe vorausschauender Werke Weinbergers aus der Vergangenheit und zeitgenössischer Positionen von Polli und Hopfgartner, die sprechend zu einander im Raum angeordnet wurden. Hier ist auch die Arbeit der beiden Galeristen Bergmeister und Rainer zu würdigen, die diese Positionen unter einen Hut gebracht haben.

    Beginnen wir beim Laubenschaufenster der langgezogenen Galerie, die sowohl von den Alten Brixner Lauben, als auch vom Domplatz aus betreten werden kann. Wir sehen eine Fotodokumentation von Weinbergers Intervention nahe des Kulturbahnhofs bei der Documenta 10, im Jahr 1997. Lange bevor andere Künstler Bodenversieglung und sogenannte Neophyten thematisierten, tat dies Weinberger, indem er Straßenbelag aufbrach und den Neophyten dort Raum gab. Weinberger sprach damals von „immigrierten Pflanzen“, die zwischen Asphalttrümmern und weggeworfenen Bierdosen aus dem nun unversiegeltem Erdreich sprossen. Ein Aufbruchsmoment.

    Ebenso zentral für die Ausstellung ist sicher auch die Deckenintervention von Petra Polli, ein leicht abstrahierendes Blow-Up von Weinreben im Winter, welches in etwa die halbe Decke des Galerieraumes bespielt. In gewisser Weise soll die Deckenarbeit eine Klammer zu einer Bodeninstallation von Peter Sandbichler schließen, die bei der ersten Bergmeister und Rainer Ausstellung vor gut 10 Monaten den ganzen Galerieboden mit Karton ausgekleidet sah. Es hätte ruhig den Mut zu einer weiter raumgreifenden Arbeit seitens Polli gefunden werden können. Vielleicht war es ja auch Zeit und nicht Mut, die fehlte.

  • Das Ende des Anfangs: Die Ausstellung erhält, auch durch die Alraune Lois Weinbergers eine mythische Dimension. Links zwei Bilder Petra Pollis, die an die Geflechts-Struktur der Werke Weinbergers anknüpfen. Foto: SALTO

    Als Struktur kommuniziert das Polli Deckenbild jedenfalls mit den Geflechten und Verwurzelungen in Weinbergers Arbeiten, etwa in einem Bild einer Alraune oder einer ebenfalls in den 90ern angefertigten Vergrößerung eines Borkenkäfer-Gangsystems. Lois Weinberger hat in den 90ern Kunst für einen internationalen Markt gefertigt, der zumindest thematisch auch wunderbar, besonders in unserer Provinz, in die 2020er Jahre passt.

  • Die Beiträge Irene Hopfgartners sind zweierlei: Einmal Fliegenpilze, Resteverwerter der Natur, zu sehen als kleines Arrangement nahe des Laubeneingangs und als alchemistisches Arrangement aus Glaszylindern und Röhren. Ein möglicher Hinweis auf Grenzüberschreitungen? Hopfgartners andere Objekte in der Galerie überschreiten eine andere Grenze: Jene der Sterblichkeit, des Vergehens. Wie es in ihrer Familie Tradition ist, verwendet, verfremdet und beseelt auch Hopfgartner Tierpräparate für ihre Arbeiten. Ein zierlicher Singvogel hält einen Luftballon im Schnabel, ein anderer hat einen zweiten Kopf angenäht.

    Spannender als die über winterbedingtem Kunstrasen auf Totholz präsentierten Tiere, sind zwei Fotoarbeiten Hopfgartners, die in den verwunschenen Sankt Marxer Friedhof im 3. Wiener Gemeindebezirk entführen und zweimal Tiere wie Grabeswächter inszenieren. Märchenhafte Bilder mit Tiefe, die mich persönlich stärker ansprechen als die struktureller angelegten Arbeiten Pollis, die sicher gut zu den gewählten Werken von Lois Weinberger passen. Vom Anfang zum Ende ist die Ausstellung ein interessanter Grenzgang zwischen den Jahrzehnten.

  • Kunst zwischen den Regalen

    Die Stadt Brixen hat Kunst angekauft und die kam - in einem Fall wortwörtlich - in der Brixner Stadtbibliothek an die Wand, oder zumindest an einen geeigneten Platz. Es sind die Werke von Claudia Barcheri, Marlies Baumgartner, Alessandro Del Pero, Markus Gasser, Niklas Heiss, Harald Kastlunger, Martin Kargruber, Philipp Klammsteiner, Sophie Lazari, Arianna Moroder und Paul Thuile, die in ihrer Formenvielfalt - von einer wiederum großformatigen Wandarbeit Moroders, „Matter of Change“ bis zur kleinen Figur „Turm zu Babel“ von Kastlunger - darauf warten, entdeckt zu werden. Das kann leichter oder schwieriger sein, je nach Werk, das es zu finden gilt.

  • Matter of Change: Arianna Moroders Wandarbeit, die vom Eingang aus gut zu sehen ist, setzt auf Verbindendes. Foto: SALTO

    Beide Arbeiten zählen sicher zu den auffälligeren in der Galerie, aber auch zu den sehenswerten. „Matter of Change“ liest sich im Wortlaut ein wenig wie ein Nachwort auf „Das Ende des Anfangs“, mit seinen Themen der Zwischenmenschlichkeit. Der „Turm zu Babel“ bietet beim Blick aus dem Fenster unmögliche Architektur nebst realer. Leicht zu übersehen dürften dagegen vor allem die beiden Bilder von Heiss und Lazari sein, im Bereich der Jugendbücher und Brettspiele, die im ersten Stock, im Altbauteil der Bibliothek untergebracht sind, sowie der in die Luft über die Lese-Ecke gesetzte Ballon von Klammsteiner, ebenso im 2. Stock, in einem Seitenzimmer eine neue Wandzeichnung Thuiles in gewohnter Bleistiftkrakel-Strichführung. Die Aufteilung der Kunst weckt aber wohl auch ein wenig den Entdeckergeist des Betrachters, oder begegnet ihm ganz unvermittelt, eingebettet in den architektonisch spannenden Bibliotheksneubau.

  • Ausgewählt wurden die elf Werke durch ein Enttscheidungsgremium aus Ivo Barth, Federico Giudiceandrea, Eva von Ingram Harpf, Stefanie Prieth, Josef Prader, Stefano Peluso und Alexander Zoeggeler, dabei wurde „Wert daraufgelegt, dass die Kunstwerke einen Bezug zum Ort, den Räumlichkeiten oder den Inhalten der Stadtbibliothek herstellen.“ Nicht fehlen darf dann im Jahr 2024 auch eine Arbeit zu Kafka, der 100 Jahre nach seinem Tod (3. Juni 1924) wieder häufig aus den Regalen genommen wird. Dem gesichert Limonade trinkenden Schriftsteller widmete Claudia Barcheri ihre Hommage „Limonade“ 2021. Prost.

  • Limonade: 2024 ist ein Kafka-Jahr. Im städtischen Kunstankauf durfte Claudia Barcheris Hommage an den Schriftsteller, über der Treppe in den ersten Stock, nicht fehlen. Foto: SALTO